Juliia Tohubtska will sich nichts anmerken lassen, ihr 6-jähriger Sohn David soll möglichst nichts mitbekommen von ihren Ängsten und Sorgen. Er soll Fußball spielen, schwimmen lernen, einen guten Schulstart haben in der ersten Klasse seiner Grundschule in Greven.
Juliia ist mit dem Kleinen vor 2 Jahren aus Charkiw ins Münsterland geflohen. Ihr Mann, ihre Mutter und ihre Schwester sind in Charkiw geblieben. Das Familienleben findet am Telefon statt. Eduard, Juliias Mann ist gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Er ist Soldat und hat eine Verletzung am Bein. Laufen kann er nicht, beim Videoanruf sind seine Krücken im Hintergrund zu sehen. "Die Situation ist sehr schwierig", erzählt er, "es kommen tausende Flüchtlinge nach Charkiw. Die brauchen Essen, Wasser, Medikamente, einen Platz zum Schlafen".
Die Lage sei sehr angespannt. Auch für Juliia, mehr als 2200 Kilometer entfernt, ist das alles nur schwer zu ertragen. Vor einem Jahr hat Eduard sie und David in ihrem Wohncontainer in Greven besucht, wollte dann aber wieder zurück in die Ukraine. "Er wollte kämpfen, etwas Gutes tun für unser Land", sagt Juliia.
Ehen zerstört
Sie kann das verstehen, ist aber auch enttäuscht. Sie selbst hätte sich gewünscht, dass auch für Eduard die Sicherheit seines Sohns an erster Stelle steht. "Wir haben unterschiedliche Lebenspläne", sagt sie. Sie selbst möchte gerne in Greven bleiben und in ihrem Beruf als Krankenschwester arbeiten.
Juliia ist kein Einzelfall, die lange Trennung, die nicht zu vergleichende Lebenssituation spaltet die Familien. "Mein Mann ist so aggressiv", die Telefonate seien schwierig, erzählt uns eine andere Frau aus Charkiw, die nicht namentlich genannt werden will. Die derzeitige Eskalation des Kriegs macht alles nur noch schwieriger.
Trost hilft nicht viel
Das bekommt auch Claus Overfeld zu spüren . Er hat vor zwei Jahren den Verein "Greven hilft der Ukraine" gegründet und transportiert regelmäßig Hilfsgüter, darunter auch ganze Krankenhausausstattungen in die Ukraine. Seine Hallen sind zum beliebten Treffpunkt für Ukrainer aus Greven und Umgebung geworden, darunter auch mehrere Menschen aus Charkiw.
Juliia will sich trotz der zugespitzten Lage in ihrer Heimat nicht entmutigen lassen. Was denkt sie, wie der Krieg endet? Sie zögert etwas und sagt: "Früher habe ich geglaubt, dass wir gewinnen, heute hoffe ich es."
Unsere Quellen:
- WDR-Reporterin vor Ort
- Juliia Tohubtska
- Claus Overfeld, "Greven hilft der Ukraine"