Seit vergangenem Dezember gehört das Hebammenwesen zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Am Freitag werden an vielen Orten auch hier in Deutschland die Urkunden der UNESCO überreicht, unter anderem auf dem Hebammenkongress des Bunds freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) in Köln.
Die Aufnahme des Berufs in die UNESCO-Liste ist eine große Ehre. Doch hat das auch Konsequenzen für die Frauen und Männer, die den Job machen? Ändert sich dadurch etwas an ihrer täglichen Arbeit? Das WDR5 Morgenecho sprach am Freitag mit Pauline Westermann, einer freiberuflichen Hebamme aus Ennigerloh im Münsterland.
WDR: Frau Westermann, ihr Beruf ist Teil des Erbes der Menschheit. Das ist schon was, oder?
Pauline Westermann: Ja, das wurde letztes Jahr im Dezember bekanntgegeben. Und dann ging schon ein Raunen durch uns Hebammen hindurch und wir dachten: "Wow, irgendwie ist es ja schon eine große Ehre, ein Teil davon zu sein." Und gleichzeitig haben wir uns natürlich auch so ein bisschen gefragt: Und was haben wir jetzt davon? Also ich persönlich brauche keine Urkunde an meiner Wand. Ich habe Anerkennung durch die Frauen und durch die Familien. Das reicht mir fürs Persönliche oftmals ganz gut aus. Aber es würde natürlich auch weiterhelfen, wenn das auch politisch mal ankommen würde.
WDR: Eine Aufnahme in die UNESCO-Liste verpflichtet die Regierungen der UN-Vertragsstaaten, den Beruf zu schützen und zu fördern. Inwieweit sehen sie ihren Beruf staatlicherseits denn nicht gut gefördert in Deutschland?
Westermann: Das ist natürlich auch eine Frage der Entlohnung. Ich liebe es, Hebamme zu sein, also von ganzem Herzen. Aber am Ende des Tages kann ich meinen Kindern davon auch nicht das Brot auf den Tisch stellen. Jetzt gerade ist es auch wirklich eine relativ unwegsame Zeit, weil wir schon seit vielen Jahren in Gebührenverhandlungen stecken, die jetzt wieder an einem ganz großen, eher schlechten Wendepunkt stehen. Da ist zum Beispiel die Unterstützung in Sachen Berufshaftpflichtversicherungen ein ganz großes Thema. Diese Versicherung steigt gefühlt ins Unermessliche, während die Löhne gleich bleiben, sodass viele Kollegen eben gewisse Sachen, zum Beispiel die freiberufliche Geburtshilfe, nicht mehr anbieten können.
WDR: Es gibt ja einerseits Festangestellte, die ein Gehalt bekommen, wenn sie zum Beispiel an einer Klinik beschäftigt sind. Andererseits sind da freiberufliche Hebammen, so wie Sie das sind. Sie rechnen mit den gesetzlichen Krankenkassen in aller Regel direkt ab?
Westermann: Ja, das sind sehr bescheidene Sätze, vor allem mit Blick auf die Inflation. Ich sehe das in anderen Berufen, wo die Steigerungen immer weiter dementsprechend angepasst werden. Das haben wir so gut wie gar nicht. Wir hatten mal eine Bezuschussung in der Corona-Pandemie. Das war aber wirklich im Centbereich. Ich kann es jetzt gar nicht mehr genau sagen. Aber zwischen 30 und 50 Cent haben wir für einen Hausbesuch mehr bekommen.
WDR: Sie haben 16 Jahre Berufserfahrung. Eine Hebamme mit 16 Jahren Berufserfahrung, auf welche Entlohnung kommt die pro Monat?
Westermann: Also in der Freiberuflichkeit ist es ja immer sehr individuell. Wir kommen brutto, denke ich, nicht über 4.000 Euro. Das kommt natürlich immer sehr darauf an, wie viel man arbeitet.
WDR: Kinder kommen ja unabhängig von der Uhrzeit zur Welt, sondern dann, wenn es soweit ist. Und das heißt ja im Grunde genommen sind sie an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr abrufbereit, wenn sie schwangere Frauen betreuen oder nicht?
Westermann: Genau. Natürlich haben wir auch Urlaubstage. Als freiberuflich tätige Hebamme bin ich ja auch mein eigener Chef. Am Wochenende arbeite ich vielleicht ein bisschen weniger als unter der Woche. Aber man ist trotzdem immer für die Frauen da. Und eine Frau kann auch am Wochenende ein Problem haben. Man hat ein schlecht planbares Leben. Ich nehme all das gerne in Kauf für die Familien, die ich betreue, weil ich weiß, wie wichtig mein Beruf ist. Und ich weiß, dass das dazugehört. Die Kolleginnen, die angestellt sind, machen auch Nachtdienste und Frühdienste am Wochenende. Das betrifft die ganz genauso.
WDR: Was würde Ihnen und Ihrem Berufsstand jetzt und konkret helfen?
Westermann: Rückhalt von der Politik. Ich denke auch, dass unser Hebammenverband mehr Rückhalt gebrauchen könnte. Es sind wirklich sehr viele Kolleginnen, die jetzt sagen: "Ich kann von dem Beruf nicht mehr leben. Ich werde diesen Beruf in den nächsten zwei, drei Jahren aufgeben müssen. Oder ich muss mir dann einen Zweitjob suchen und werde weniger Hebamme sein können."
Und ich weiß, dass da viel gemacht wird. Aber ich glaube auch, dass ganz viel fehlt. Und wenn ich auf andere Berufe blicke, also zum Beispiel die Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, weiß ich, dass sie gute Verhandlungen hatten. Und ich sitze da und denke, ich freue mich für die Kollegen aus den anderen Fachdisziplinen sehr, weil ich weiß auch, dass die wunderbare Arbeit machen und die wichtig ist. Aber warum geht es bei uns nicht?
Das Interview führe Thomas Schaaf.
Das Interview würde für die Online-Version gekürzt und sprachlich angepasst.