Ali Rasho zündet den Baumwoll-Docht der handgemachten Kerze an, die in Olivenöl des heiligen Tempels Lalish aus dem Nordirak getränkt ist. Dann stellt er sich vor die brennende Kerze und spricht ein Qewls, ein jesidisches Gebet.
Für den Vorstand des Vereins Deutsch-Ezidische Freundschaft e.V. in Bielefeld und seine Kollegin Kristina Kalashova ist es der wichtigste Feiertag im Jahr.
Freiheit feiern

Der Tanz des jesidischen Neujahrsfests wird zelebriert
Das Neujahrsfest "Çarşema Sor" ist der Tag, an dem Gott die Erde vollendet hatte und Licht in die Welt brachte - deshalb die Kerzen. Für Kristina ist es vor allem ein Tag der Gemeinschaft, an dem alle noch näher zusammenrücken und sich auf ihre Wurzeln besinnen: "Wir feiern auch die Freiheit, die wir hier in Deutschland haben – und denken an alle Jesidinnen und Jesiden auf der Welt, die nicht frei sind."
Jesidisches Neujahr: Immer an einem Mittwoch

Die Mitglieder des Deutsch-Ezidischen Kulturvereins Bielefeld: Ali Rasho, Behcet Kurt und Kristina Kalashova (von links nach rechts)
Ali und Kristina sind nicht die einzigen, die in Bielefeld feiern. Ihre Gemeinde ist mit rund 1.000 Mitgliedern eine der größten in NRW. Der Gemeindesaal ist gut gefüllt: Mehrere hundert Jesidinnen und Jesiden sind gekommen, um gemeinsam zu essen, zu tanzen und zu beten.
"Ich liebe diesen Tag!" Sozdar Hamid, 24 Jahre
"Wir haben so viele Kriege erlebt - auch deshalb möchte ich meinen Glauben weitergeben, damit wir weiter zusammen halten", erzählt die 24-jährige Sozdar Hamid, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Sie trägt passend zum Neujahrsfest ein traditionelles Kleid mit Kopfbedeckung.
Viele immer noch von Abschiebung bedroht
Mit schätzungsweise 120.000 Jesiden beheimatet Deutschland die größte Diaspora dieser religiösen Minderheit. Obwohl vielen in ihren Heimatländern Irak und Syrien die Verfolgung droht, müssen Geflüchtete oft zurück.
Das Ministerium für Familie, Flucht und Migration NRW hatte 2023 einen Abschiebestopp für jesidische Frauen und Kinder verhängt. Im Juni 2024 wurde er jedoch aufgehoben, da der Bund keinen einheitlichen Abschiebestopp veranlasst hatte. Besonders im Nordirak werden Jesiden nach wie vor verfolgt und diskriminiert: Tausende leben noch immer in Flüchtlingslagern.
Unsere Quellen:
- WDR-Reporterin vor Ort
- Verein Deutsch-Ezidische Freunschaft e.V.
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
- Bundesministerium des Inneren
- Mediendienst Integration
Über dieses Thema berichten wir auch im Radio bei WDR5 am 20.04.2025 in der Sendung "Diesseits von Eden".