Schon jetzt werden die Griechen im europäischen Vergleich von ihren Arbeitgebern stark gefordert: Laut Statistikbehörde Eurostat stehen sie mit durchschnittlich 39,8 Arbeitsstunden in der Woche auf Platz eins der europäischen Rangliste. Zum Vergleich: Für Deutschland verzeichnet die Statistik nur 34 Wochenstunden.
Gesetz begünstigt Mehrarbeit
Mit einem neuen Gesetz, das zum 1. Juli in Kraft getreten ist, könnte sich der Abstand noch vergrößern. Ab sofort können griechische Unternehmen ihren Angestellten anbieten, sechs, anstatt bisher fünf Tage die Woche zu arbeiten. Das könnte sich für die Beschäftigten lohnen: Für den sechsten Arbeitstag erhalten sie einen Aufschlag von 40 Prozent mehr Gehalt, an Sonn- und Feiertagen soll es sogar 115 Prozent zusätzlich geben.
Angesichts der aktuellen Diskussion um den Fachkräftemangel wird das griechische Experiment in Deutschland sehr genau verfolgt. In Bayern empfahl Ministerpräsident Markus Söder (CSU) der deutschen Wirtschaft, sich ein Beispiel an Griechenland zu nehmen. Gleichzeitig forderte er zusätzliche Anreize für Mehrarbeit, zum Beispiel Steuerfreiheit für Überstunden - ein Vorschlag, der auch von der FDP unterstützt wird.
Tatsächlich könnten deutsche Unternehmen jederzeit mit ihren Arbeitnehmern eine Sechs-Tage-Woche aushandeln, wie Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Gespräch mit dem WDR betont. "Vom Gesetz her ist das möglich. Wer das machen möchte, kann das mit dem Arbeitgeber vereinbaren."
Über kurz oder lang müssten sich die Deutschen mit dem Gedanken anfreunden, mehr zu arbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern, meint Schäfer weiter. "Wenn wir das nicht machen, werden wir Wohlstand verlieren." Denn die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland sinke von Jahr zu Jahr: Die "Babyboomer", also die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1950 und 1964, gehen in Rente. Bereits 2035 werden dem Arbeitsmarkt Schätzungen zufolge insgesamt 7 Millionen Kräfte fehlen.
Allerdings gehe der Trend aktuell eher in die andere Richtung, so Schäfer. In einigen Unternehmen gebe es sogar Versuche, eine Vier-Tage-Woche einzuführen - auch, um neues Personal zu werben. Gesamtwirtschaftlich sei das eine schlechte Idee: "Wenn wir alle weniger arbeiten, produzieren wir auch weniger."
Diskussionen um die Vier-Tage-Woche
Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. Eike Windscheid-Profeta von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung verweist auf positive Effekte kürzerer Arbeitszeiten. Arbeitnehmer würden seltener krank und seien insgesamt höher motiviert. Frühere Erfahrungen mit Arbeitszeitverkürzung in Deutschland hätten gezeigt, dass damit keine Wohlstandsverluste einhergehen, so Windscheid-Profeta.
Arbeitszeitexperte und Unternehmensberater Guido Zander meint hingegen, die Vier-Tage-Woche könnte in einzelnen Unternehmen und Branchen durchaus funktionieren. Allerdings laufe eine Maschine nicht automatisch schneller, nur weil jemand weniger arbeite und deshalb vielleicht motivierter sei. "Wenn ich eine sehr hohe Krankenquote habe und berechtigt glauben kann, dass die runtergeht, wenn ich eine Arbeitszeitverkürzung mache, dann ist das natürlich ein Gegenfinanzierungselement", sagte Zander dem SWR.
Unsere Quellen
- Deutsche Presse-Agentur
- Gespräch mit Holger Schäfer im WDR-"Morgenecho"
- Guido Zander: Darum ist die 4-Tage-Woche kein Allheilmittel (SWR)
Über dieses Thema berichtet der WDR am 01.07.2024 auch im Fernsehen, zum Beispiel in der "Aktuellen Stunde" um 18.45 Uhr.
Kommentare zum Thema
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Ohne Gehaltszuschläge, natürlich ist das griechische System voll auf Deutschland übertragbar!
Nun sind geleistete Arbeitsstunden ja nicht unbedingt produktive Stunden. Nach statistischen Erhebungen leisten die Beschäftigten in Deutschland pro Arbeitsstunde immer noch mehr als die Arbeitnehmer in den meisten Ländern Europas. Ihre Produktivität lag 2017 über 27 Prozentpunkte über dem EU-Schnitt. Und seitdem hat sich daran nicht viel geändert. Betrachtet man die griechische Produktivität als Durchschnitt, was ich persönlich bezweifele, dürfen diese also auch knapp neun Stunden pro Woche mehr arbeiten um die deutsche Produktivität zu erreichen. Und da genügt der sechste Tag wohl nicht. Bezeichnend für unser Land finde ich allerdings wieder einmal, dass weder der Ministerpräsident Markus Söder, noch der Wirtschaftswissenschaftler Holger Schäfer die oben genannten Erhebungen zu kennen scheinen und auch die positiven Effekte kürzerer Arbeitszeiten ignorieren.
Woher wollen Sie wissen, dass die Produktivität in Griechenland nicht zunehmen wird? Wir leben nicht mehr im Jahre 2009. Wir Deutschen sollten weniger arrogant sein und mehr demütig! Wenn Sie in die USA fahren, fühlen Sie sich mittlerweile ziemlich arm fühlen, weil der dortige Lebensstandard und das BIP stärker gewachsen bzw. gestiegen sind als hier zu Lande, Sozialismus sei Dank. Übrigens ist Griechenland ein Land, das seinen eigenen Sozialismus überwunden hat.