Emilíana Torrini "Miss Flower"

Das Album der Woche

Jede Woche empfiehlt die Resonanzen-Redaktion ein neues Album. Hier sind die Musik-Empfehlungen der letzten Wochen im Überblick.

01. Juni bis 05. Juni: "Miss Flower" von Emilíana Torrini

Hunderte Liebesbriefe, gefunden auf einem Dachboden in London, haben die isländische Musikerin Emilíana Torrini zu ihrem ersten Soloalbum nach zehn Jahren inspiriert. Nachdem die Mutter einer guten Freunden gestorben war, kam beim Herumräumen eine Schachtel zutage, deren Inhalt für alle überraschend war: hunderte Liebesbriefe, geschrieben von unzähligen Verehrerinnen und Verehrern aus aller Welt. Diese Briefe rückten die verstorbene Geraldine Flower plötzlich in ein ganz neues Licht.

Emilíana Torrini greift diese Liebesschwüre auf und spinnt sie poetische weiter. Sie zeichnet ein vielschichtiges Bild einer unabhängigen Frau - auf die sie durch die Augen ihrer Liebhaber blickt. Poppig-elektronische Sounds treffen auf Torrinis markante, manchmal mädchenhafte Stimme - mal fast tanzbar, mal als sehnsuchtsvolle Ballade.

Ein Musiktipp von Ulrike Kukula

Emilíana Torrini

Gespielte Titel:
Montag: Dreamers
Dienstag: Black Lion Lane
Mittwoch: Lady K
Donnerstag: Let’s keep dancing
Freitag: Love Poem

CD-Angaben:
Emilíana Torrini: "Miss Flower"
Label: Grönland Records

Das Cover von Apiferas neuem Album "Keep The Outside Open".

24. Juni bis 28. Juni: "Keep The Outside Open" von Apifera

Die vier Musiker von Apifera haben sich schon vor 15 Jahren in der lebendigen Musikszene von Tel Aviv kennengelernt, und trotz dieser langen Zeit ist erst jetzt ihr zweites Album erschienen. Anfangs sah es auch gar nicht nach einer gemeinsamen Zukunft aus, denn schließlich kamen alle vier Mitglieder aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen.

Im Proberaum war aber schnell klar, dass die experimentelle Chemie stimmte. Und genau diese Vielfalt prägt den Bandsound bis heute: Elektronisches ist da zu hören, ebenso Songartiges sowie psychedelische oder alternative Rockmusik – mal instrumental, und im Gegensatz zum Vorgängeralbum diesmal auch mit Gesang. Und wenn es bei Apifera überhaupt einen gemeinsamen Nenner gibt, dann ist es der Jazz. „Keep The Outside Open“ heißt die neue CD des Quartetts, das seine Musik gerne mit dem Zubereiten von Speisen vergleicht: Je mehr Gewürze verwendet werden, desto intensiver und überraschender ist das Ergebnis.

Ein Musiktipp von Jörg Heyd

Ein Bild der vierer-Musikgruppe Apefira.

Gespielte Titel:
Montag: Theodore Marmalade
Dienstag: Oh Me Brotha
Mittwoch: The Curious Wild
Donnerstag: I Love ECM
Freitag: Evergreen Meadow

CD-Angaben:
Erschienen bei Stones Throw Records (STH2487)

"É a Primeira Vez que Isso me Acontece" von Ana Deriggi

17. Juni bis 21. Juni: "É a Primeira Vez que Isso me Acontece" von Ana Deriggi

Sie hatte glücklicherweise genügend Schneid und Mut, um endlich mit ihrer eigenen Musik an die Öffentlichkeit zu treten. Die Rede ist von der brasilianischen Singer-Songwriterin Ana Deriggi  – ihr Debütalbum "É a Primeira Vez que Isso me Acontece" ist unser Album der Woche.

Ana Deriggi ist eine Autodidaktin, bereits mit drei Jahren war die Anziehung der Musik und der Musikinstrumente groß. Erst Klavier, dann Gitarre und Ukulele. Dazu kommt ihre markante Stimme, die sie mal sanft und mal kraftvoll einsetzt. Der gewisse Schmelz kommt von einer wunderbaren Rauheit, die man vielleicht eher im Rock verorten würde. Ana Deriggi legt mit ihrem Debüt ein abwechslungsreiches Album vor. Es erklingt Blues, wie etwa in "Abençoar", "Miss Quarentina No.2" erinnert an ein französisches Chanson, in "Hace Tiempo" mag man sogar etwas Country hören und hin und wieder wird die Band kongenial um ein Streichquartett erweitert. "É a Primeira Vez que Isso me Acontece", zu Deutsch "Es ist das erste Mal, dass mir das passiert" ist eine wirklich erfreuliche Entdeckung!

Ein Musiktipp von Julia Spyker.

Porträt der Musikerin Ana Deriggi

Gespielte Titel:
Montag: "Hace Tiempo"
Dienstag: "Abençoar"
Mittwoch: "Vento Sul"
Donnerstag: "Quando a Música Parar"
Freitag: "Miss Quarentina No.2"

CD-Angaben:
"É a Primeira Vez que Isso me Acontece“ von Ana Deriggi
Label: 2024 Ana Deriggi
Vö: 9. Juni 2024

Albumcover "Gomera" der Band Marion & Sobo Band.

10. Juni bis 14. Juni: "Gomera" von Marion & Sobo Band

Gypsy Jazz oder Jazz Manouche geht zurück auf eine in den 1930er Jahren in Frankreich entstandene Spielart des Swing, die geprägt ist von schnellen Melodieläufen von Gitarre und Violine und einer perkussiven Rhythmusgitarre, die das Schlagzeug ersetzt. Gitarrist Django Reinhardt und Jazzviolinist Stéphane Grappelli gelten als Begründer dieses Musikstils.

In dieser Tradition steht auch das neue Album "Gomera" der Marion & Sobo Band aus Bonn. Das französisch-polnisch-deutsche Ensemble um Sängerin Marion Lenfant-Preus und Gitarrist Alexander "Sobo" Sobocinski hat sich von der Vielfältigkeit der Natur und Kultur auf der kanarischen Vulkaninsel inspirieren lassen. Entsprechend abwechslungsreich und bunt sind die dreizehn Stücke geworden. Da gibt es neben jeder Menge Swing auch Chanson, Balkanfolklore und lateinamerikanische Rhythmen und dazu Texte auf Französisch, Englisch, Spanisch, Romanes und Deutsch - alles auf musikalisch höchstem Niveau.

Ein Musiktipp von Sebastian von Haugwitz.

Die Mitglieder der Band "Marion & Sobo Band" posieren vor einer grauen Wand, in der Bildbearbeitung wurden nachträglich in gelb die Umrisse ihrer Musikinstrumente über sie gezeichnet.

Gespielte Titel:
Montag: Epina Swing
Dienstag: Amour Supreme
Mittwoch: Moon
Donnerstag: Veinte Años
Freitag: Opa Cupa

CD-Angaben:
"Gomera" von Marion & Soba Band
Label: Fine Music
EAN: 4014063438829

Iiro Rantala HEL Trio: "Tough Stuff"

03. Juni bis 07. Juni: "Tough Stuff" von Iiro Rantala HEL Trio

Er schafft den Spagat scheinbar mühelos: seine Musik wirkt leicht, ohne banal zu sein; komplex, ohne kompliziert zu sein; sie geht voran und ist dennoch nie hektisch – und sie ist fast immer: überraschend. Dabei legt der finnische Komponist und Pianist Iiro Rantala sich nicht auf ein Genre fest. Er spielt zwar Jazz in ganz unterschiedlichen Besetzungen vom Duo bis hin zum großen Orchester, aber er hat in der Vergangenheit auch ein Weihnachtsoratorium und eine Oper geschrieben.
Fast 20 Jahre nach dem Ende seines berühmten Trio Töykeät hat Rantala eine neue Dreierformation gegründet. HEL Trio ist der Name – gemeinsam haben die Musiker nun 10 neue, eigene Songs und einen wenig gespielten Titel von Jaco Pastorius aufgenommen. Dabei erschaffen sie einen luftigen und schwebenden Sound der einen durch das Album förmlich fliegen lässt.

Ein Musiktipp von Ulrike Kukula.

Iiro Rantala HEL Trio

Gespielte Titel:
Montag: Second Date Waltz
Dienstag: Tee for Three
Mittwoch: Country and Eastern
Donnerstag: Das Handtuch
Freitag: Stockholm Syndrome

CD-Angaben:
"Tough Stuff" von Iiro Rantala HEL Trio
Label: ACT

Albumcover "Sunday Morning Put-On" von Andrew Bird.

27. Mai bis 31. Mai: "Sunday Morning Put-On" von Andrew Bird

Einen Hang zum Ungewöhnlichen und Überraschenden hat Andrew Bird schon immer. Er hat sich als Singer/Songwriter international einen Namen gemacht, sein Klangspektrum ist schier grenzenlos und reicht von Folk über Indie-Pop bis hin zu Jazz. Seinen Gesang bereichert Andrew Bird immer wieder durch kunstvolles Pfeifen oder durch sein Geigenspiel. Mit seinem neuen Album „Sunday Morning Put-On“ setzt Bird noch einmal ganz andere Schwerpunkte: Das „Great American Songbook“ hat es ihm schon in jungen Jahren angetan, so dass er jetzt den Jazz-Standards des mittleren 20. Jahrhunderts eine komplette CD gewidmet hat. Zwar sind die Songs längst Klassiker, Birds Interpretationen aber alles andere als herkömmlich. Denn nicht nur sein melancholisch-verträumter Gesang, sondern auch der eigenwillige Einsatz seiner Geige rücken die alten Standards in ein ganz neues, wenn auch etwas schummriges Licht.

Ein Musiktipp von Jörg Heyd.

Porträt des Singer/Songwriters Andrew Bird.

Gespielte Songs:
Montag: : I Didn’t Know What Time It Was
Dienstag: Django
Mittwoch: Softly, As A Morning Sunrise
Freitag: You’d Be So Nice To Come Home To

CD-Angaben:
Andrew Bird: "Sunday Morning Put-On"
Erschienen bei Loma Vista Records

Albumcover von "Sun without the heat" von Leyla McCalla

20. Mai bis 24. Mai: "Sun Without the Heat" von Leyla McCalla

Sie legt den Finger in die Wunde: auf ihren bisherigen Alben bearbeitete die US-Amerikanische Musikerin Leyla McCalla Themen, die man sonst eher im Politik-Teil der Zeitungen vermuten würde – wie Vertreibung und Flucht, soziale Ungerechtigkeit, Korruption und die Macht des Geldes.
Diese schweren Themen verarbeitet die Sängerin, Cellistin und Banjospielerin zu geerdeter und gleichzeitig leichtfüßiger Musik. Sie vermengt dabei die Musiktraditionen, die sie geprägt haben: Die Musik der Kreolen, der Cajuns und der Haitianer mit amerikanischem Folk, Bluegrass und Jazz. Denn geboren wurde Leyla McCalla zwar in New York, doch ihre Wurzeln liegen in Haiti und ihre Wahlheimat ist mittlerweile New Orleans.
Auf ihrem fünften Album geht es um Transformation. Die Welt ändert sich beständig – und so können auch die Menschen, die in dieser Welt leben, nur klarkommen, wenn auch sie sich  verändern. Beeinflusst von afro-futuristischer Literatur hat Leyla McCalla 10 tiefsinnige Songs aufgenommen, ohne dabei schwermütig zu sein.

Ein Musiktipp von Ulrike Kukula.

Porträt der US-Amerikanischen Musikerin Leyla McCalla

Gespielte Songs:
Dienstag: Tower
Mittwoch: Tree
Donnerstag: Sun without the heat
Freitag: Scaled to survive

CD-Angaben:
Leyla McCalla: "Sun without the heat"
Label: Anti

Albumcover “Light Verse” von Iron & Wine.

13. Mai bis 18. Mai: "Light Verse" von Iron & Wine

Der Beginn der Coronapandemie vor vier Jahren bedeutete eine dramatische Bremse für die Kultur und im Besonderen die Musik: der Konzertbetrieb kam mehr oder weniger zum Erliegen, Ausgangssperren machten Proben unmöglich. Andererseits führte das verordnete Herunterfahren des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens für viele Musikerinnen und Musiker zur Selbstbesinnung und wurde so zur Inspirationsquelle für zahlreiche Songs und Alben.

Auch der amerikanische Singer/Songwriter Sam Beam alias Iron & Wine hat nun eine Platte veröffentlicht, die ohne Corona nicht entstanden wäre. „Light Verse“ sei sein „verspieltestes Album“, sagt Beam, denn die zehn Songs markieren das Ende seiner kreativen Lähmung während der Pandemie und sprudelten aus ihm heraus, als das öffentliche Leben wieder erwachte. Akustischer Indie-Folk, Americana, üppig orchestrierter Barock-Pop und dazu Texte zwischen Melancholie, Romantik und Witz – „Light Verse“ ist Iron & Wines wunderbare Rückkehr zur Normalität.

Ein Musiktipp von Sebastian von Haugwitz

Amerikanischer Singer/Songwriter Sam Beam alias Iron & Wine.

Gespielte Songs
Montag:You Never Know
Dienstag: Sweet Talk
Mittwoch: All In Good Time
Donnerstag: Cutting It Close
Freitag: Bag Of Cats

CD-Angaben
Album: Iron & Wine "Light Verse"
Label: Sub Pop Records
EAN: 0098787161526

Albumcover von Jessica Pratts Album "Here in the Pitch"

06. Mai bis 10. Mai: "Here in the Pitch" von Jessica Pratt

Es gibt Alben, die einen auf eine kleine Zeitreise schicken. Böse könnte man von einer Retromanie sprechen, im Falle von Jessica Pratt ist ihr Retro-Sound aber äußerst gelungen und wenig abgeschmackt.

Das fünfte Album von Jessica Pratt gibt schon im Titel Rätsel auf „Here in the Pitch“, das könnte „Hier auf dem Spielfeld heißen“ oder aber auch „Hier an diesem emotionalen Tiefpunkt“, denn Pitch bedeutet eben auch Pech. Jessica Pratt lässt uns im Unklaren, das passt auch sehr gut zu ihrer Stimme, die sehr eigenwillig und irgendwie geheimnisvoll ist. Auf ihrem neuen Album schickt sie uns in die 60er Jahre, in den Sound des Folk-Pop, auch etwas Bossa Nova à la Astrud Gilberto schwingt bei einigen Songs mit. Obendrein hat Pratt diesmal den Pfad von Gesang und Gitarre verlassen. Sie hat ihren Sound um Instrumente wie Schlagzeug, Glockenspiel, Orgel und Streicher erweitert. Und trotzdem bleibt die Stimmung intim und behutsam. Wunderbar.

Ein Musiktipp von Julia Spyker

Indie-Folk-Sängerin Jessica Pratt

Gespielte Songs
Montag: Better Hate
Dienstag: Life is
Donnerstag: World on a String
Freitag: By Hook or by Crook

CD-Angaben
Album: Jessica Pratt "Here in the Pitch"
Label: City Slang
VÖ: 03.05.2024