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Weihnachten mit WDR 4 mit Ute Schneider

WDR 4-Podcast "immer frei - so geht Rente"

Transkription: Endlich Rente: Nie mehr "keine Zeit"?

Stand: 13.03.2024, 06:00 Uhr

Transkription 

[00:00:01.710] - Jingle

"immer frei - so geht Rente". Ein Podcast vom WDR.

[00:00:09.770] - Matthias Bongard

Zeit. Zeit zu haben. Richtig Zeit zu haben.

[00:00:13.370] - Lioba Werth

Zeit ist etwas, das wohltuend sein kann, das aber auch wirklich krankmachen kann.

[00:00:20.180] - Axel Beyer

Ui — 24 Stunden können aber lang sein.

[00:00:22.520] - Lioba Werth

There's no satisfaction without action.

[00:00:24.950] - Axel Beyer

Was kann ich tun, um das zu ändern? Und ich kann was tun.

[00:00:28.400] - Lioba Werth

Die Gefahr könnte sein, dass Sie noch früher in Rente gehen, weil Sie entdecken, was Sie gerne noch machen würden.

[00:00:36.050] - Matthias Bongard

Matthias Bongard grüßt ganz herzlich zu dieser neuen Folge von "immer frei". Mir ist gerade klar geworden, dass heute das Thema gipfelt in all dem, was wir in den letzten Wochen schon besprochen haben. Wenn es darum geht, dass Paare im Rentendasein dann aufeinandertreffen und klarkommen müssen — dadurch, dass sie sich einen ganzen Tag auf der Pelle hocken. Das Thema Gesundheit, wie viel ist da noch an guter Zeit? Was ist behindernd an der nicht mehr so guten Gesundheit? Das Thema Finanzen und was ich da mit dem Leben noch anfangen kann und, und, und. Denn das Ganze hat mit einem ganz wichtigen Faktor vom Rentendasein zu tun: dem Thema Zeit. Zeit, zu haben — richtig Zeit zu haben, viel Zeit zu haben, vielleicht sogar zu viel Zeit zu haben. Und über dieses große Geschenk Zeit unterhalte ich mich heute mit Professorin Dr. Lioba Werth. Schönen guten Tag.

[00:01:26.330] - Lioba Werth

Guten Tag, Herr Bongard.

[00:01:27.350] - Matthias Bongard

Das "Dr." haben Sie in der Diplompsychologin verankert, die Professorin in der Wirtschaftspsychologie. Sie sind aber auch Autorin und Coachin. Auch zum Thema Älterwerden beziehungsweise Zeit. Lassen Sie uns doch mal — geht das? — Zeit als großes Geschenk nehmen, das man dann aber richtig und sorgsam auspacken muss.

[00:01:47.870] - Lioba Werth

Ja, das ist eine sehr schöne Metapher dafür. Zeit ist in der Tat etwas, was man sorgsam auspacken oder anpacken vielleicht sogar eher muss. Denn Zeit ist etwas, das wohltuend sein kann, das aber auch wirklich krankmachen kann und …

[00:02:04.850] - Matthias Bongard

… wehtun.

[00:02:05.630] - Lioba Werth

Und wehtun kann. Ja, genau. Zeit ist etwas, was ja einerseits mir Möglichkeiten bietet, aber wenn ich nicht weiß, wie ich diese Möglichkeiten nutzen kann, dann ist es etwas, was mir auch bedrohlich erscheinen kann. Und das ist etwas, was viele schon, wenn sie nur das Thema Rente hören, schon vor sich sehen und andere gar nicht. Andere sagen: "Mensch, endlich habe ich Zeit" und sich darauf freuen und sonst kaum erwarten können, dass das eintritt.

[00:02:34.070] - Matthias Bongard

Wir machen diesen Podcast ja für Menschen, die so in den Jahren vor der Rente schon mal darüber nachdenken könnten: "Was kommt da auf mich zu?" Nicht um Ratschläge zu geben, sondern vielleicht sozusagen "das könnte passieren". Und dieses Thema "Zeit habe ich dann" ist ja der häufigste Satz, den man dann hört. Wie geht man dran? Kommen lassen und plötzlich feststellen "Oh, jetzt habe ich Zeit!". Oder sagen Sie psychologisch viel cleverer, sich schon Jahre vorher damit zu beschäftigen?

[00:03:00.440] - Lioba Werth

Ja, ich glaube, Letzteres ist in der Tat für die meisten Menschen zutreffend. Aus einem ganz einfachen Grund. Wir sind jahrelang, jahrzehntelang in einem Arbeitsprozess drin, in dem die Zeit, die ich zur Verfügung habe, sehr stark von außen strukturiert wird. Also einerseits von meinem Beruf wird viel Zeit vorgegeben, andererseits vielleicht von meinem Familienleben, das ich habe, von den Kindern, vom Partner und vielleicht auch noch von den wenigen Hobbys oder ähnlichem, was ich noch drumherum gestalte. Da ist überall eine Zeit-Taktung.

[00:03:32.570] - Matthias Bongard

Wir haben das an anderer Stelle schon mal gesagt, dass man mit diesem Satz "Ach, dann habe ich mehr Zeit für die Enkel und für den Garten". Dass das eine Floskel sein könnte, die man zwar aufsagt, aber schnell feststellt: "24 Stunden im Garten und 24 Stunden mit Enkel verbringt kein Mensch". Ist das so eine Selbstberuhigung, erst mal so ein Satz zu tun?

[00:03:53.450] - Lioba Werth

Ja, die Selbstberuhigung, die können wir sehr gut, wenn wir wenig Zeit haben. Oder wenn wir Vorsätze uns geben und sagen: "Das mache ich dann irgendwann." Ja, das kann es sein. Aber es gibt durchaus einen Typ Mensch, der das sehr, sehr ernst meint und in dem Moment, wo die Rente losgeht, tatsächlich das tut — also ein großes Gartenprojekt angeht, tatsächlich mehrere Tage die Woche oder die ganze Woche auch die Enkel übernimmt. Aber da ist auch eine Krux drin. Denn wenn ich das, wie Sie auch gerade sagten, nonstop mache, sieben Tage die Woche, dann bin ich ja in einem ähnlichen Hamsterrad drin wie vorher in der ganzen Zeit. Ich habe keine Zeit mehr und ich verbringe sie einseitig mit einer Sache. Und Einseitigkeit hat den Menschen noch nie gutgetan.

[00:04:37.040] - Matthias Bongard

Bleiben wir bei der Metapher mit dem Geschenk, was man auspackt, das Zeitgeschenk. Man macht jetzt das Geschenkpapier auf. Jetzt liegt die vor allem: Was mache ich damit? Ich kann Fehler machen. Ich kann sie ins Regal stellen. Da verstaubt sie. Wenn sie aus Wachs ist, diese Zeit, dann zerfließt sie. Wie gehe ich dran?

[00:04:54.530] - Lioba Werth

Ich glaube, das Besondere an diesem Geschenk Rentenzeit ist ja, dass ich von außen eigentlich keine Vorgaben mehr habe, sondern wirklich selbst gestalten darf. Ganz anders als in den ganzen Jahrzehnten davor. Diese Besonderheit, dass ich selbst tun kann, die sollte auch für mich im Fokus stehen. Denn das ist das, was uns so frei macht als Mensch und was uns auch eine Chance gibt, nämlich das Leben für diese letzten Jahre, Jahrzehnte rund zu machen. Und das kann ich nur ganz alleine, ganz individuell für mein ganz persönliches Leben. Das ist für jeden ja was Anderes, was es rund macht und wie er die Zeit gestalten will. Und das wäre für mich als Psychologin sozusagen das Wichtigste, dass ich für mich hingucke. "Was ist es für mich?" Andererseits ist es so, dass es natürlich ein paar Dinge gibt, die für alle Menschen gelten, nämlich vollkommen planlos rangehen wird bei keinem gut funktionieren. Dieses kommen lassen, was Sie eben gesagt haben, das ist sicherlich sehr schön in den ersten Wochen. Das ist so wie Urlaub, den man nicht groß plant, sondern sagt "Ich fahr mal los, ich habe ein Ziel und dann warte ich mal, was kommt." Dieses in den Tag hinein leben ist für viele Menschen sehr schön. Für eine Woche, manche nur für zwei Tage, für die anderen vielleicht für drei Wochen. Aber sie werden merken, dass dieses Urlaubsgefühl Rente, das ist sehr schnell vorbei, das hält nicht an und dann kommt dieses große Fragezeichen. Und um dieses Fragezeichen, um diese Zeit nach diesem befreienden Urlaub, darum sollten Sie sich frühzeitig Gedanken machen.

[00:06:23.910] - Matthias Bongard

Jetzt ist der kognitiv denkende Mensch ja schnell dabei, Pläne zu machen oder Kalender einzuführen, irgendwas Systematisches zu schaffen für Zeit. Eine Kollegin sagte, sie hat ihrem Vater mit Eintritt in die Rente so einen Kalender gekauft und hätte den vollgekritzelt mit Termin, was er alles machen könnte. Das hört sich so nach Zeitmanagement an. Ist dieser Plan das Richtige?

[00:06:47.250] - Lioba Werth

Auch da darf ich wieder sagen, es kommt darauf an, ja, welchen Menschen habe ich da vor Augen?

[00:06:52.860] - Matthias Bongard

Sagen Psychologen ja, immer: "Es kommt darauf an."

[00:06:54.990] - Lioba Werth

Ja, es hat tatsächlich was Wahres. Ja, es ist keine ausweichende Antwort, sondern es ist tatsächlich, dass ich schauen muss: Wen habe ich vor mir? Und es gibt Menschen, die am besten mit einem Plan funktionieren. Jetzt ist aber ein solches Zeit-Planen, denke ich, trotzdem anders als in der Berufstätigkeit. Wir müssen uns nicht von morgens bis abends durchtakten, sondern in diesem Fall heißt das: Pläne machen. Das es heißt: Ich muss mir irgendetwas vornehmen, auf das ich mich freuen kann. Das ist etwas ganz Wichtiges, jeden Tag etwas zu haben, auf das ich mich freuen kann. Auf der anderen Seite vielleicht auch ein Ziel zu schaffen, für ein paar Tage oder für eine Woche, das ich mir vornehmen kann. Und das sind jetzt nicht auch wieder im Gegensatz zur Arbeit nicht reine To dos. Ich muss mir jetzt nicht einen Plan machen, indem ich sage "Jetzt putze ich die Fenster und dann mache ich dieses und jenes und jetzt gehe ich einkaufen". Nein, ich kann mir einen Plan machen, in dem steht: Ich werde da zu der und der Veranstaltung gehen. Oder ich werde mir da vornehmen, einen Ausflug zu machen. Oder ich werde mir da vornehmen, mir Gäste einzuladen. Solche Dinge sind schön, wenn wir sie einplanen, weil wir dann alles, was wir einplanen, auch eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, dass wir es tun. Dieses in den Tag rein, dann zwickt es vielleicht da und dann ist vielleicht dieses und jenes, und wir tun manche Dinge nicht. Und wenn wir jetzt jeden Tag in den Tag hinein das alles kommen lassen, dann ist die Wahrscheinlichkeit nicht groß, dass ich mir Erfolgserlebnisse verschaffe. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht groß, dass ich tatsächlich Anerkennung für etwas bekomme. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht groß, dass ich tatsächlich die Menschen treffe, auf die ich gerade Lust habe oder die ich gerne treffen würde, sondern ich überlasse das alles dem Zufall. Und das führt auf die Dauer natürlich zu nicht so schönen Erlebnissen und zu einer Passivität.

[00:08:43.110] - Matthias Bongard

Da sind so viele Stichwörter für mich drin. Das eine ist einen kleinen Plan machen. Ich nehme einfach mal an, es ist auch wichtig, nach einem Arbeitsleben auch zu lernen, dass nicht mehr alles möglich in einen Tag reinpassen muss. Dass ich vielleicht nur sage, ich lese morgen vielleicht das Buch zu Ende und ich koche lecker. Ja, und die Stunden drumrum kann man dann noch frei gestalten. Mit "Wann gehe ich einkaufen? Gehe ich in mehrere Geschäfte einkaufen, lese ich das Buch durch und wenn ich plötzlich schnell durch bin, fange ja auch Neues an" — ist das mehr so für zwei Stunden planen, um acht Stunden zu füllen?

[00:09:17.520] - Lioba Werth

Exzellent. Ja, genau. Das wäre das, was für die sicherlich für die meisten Menschen so zuträfe. Und dann gibt es einige wenige Menschen, die sind von Natur aus schon so, dass die immer auf Ideen kommen, dass die immer in einer gewissen Dynamik sind. Und das sind die, die sich oft gar nichts vornehmen müssen, weil die stehen morgens auf und haben gleich drei Ideen, was sie machen, legen pfeifend los, machen das, sagen dann spontan: "Ach, jetzt rufe ich den an" oder "ich fahr mal mit dem Rad da und da vorbei". Die so dynamisch drauf sind, die müssen vielleicht weniger planen, weil die einfach nicht in diese Gefahr laufen, dass sie dann nicht irgendetwas Schönes an dem Tag erleben werden oder sich vornehmen werden.

[00:09:55.110] - Matthias Bongard

Das Problem des Machens, da wird es ja den Unterschied geben zwischen "mache ich etwas passiv" oder "mache ich etwas aktiv"? Acht Stunden Fernsehgucken ist auch was machen. Was macht es mit jemandem, wenn man passiv und aktiv ist?

[00:10:10.030] - Lioba Werth

Ja, also der große Unterschied ist das in dieser Aktivität — wir haben so ein schönes Wort in der Psychologie. Wir sagen immer: "There's no satisfaction without action." In der Aktivität ist tatsächlich ein Zufriedenheitsmacher drin und der ist sehr, sehr wichtig.

[00:10:25.990] - Matthias Bongard

Auch hormonell und psychologisch im Hirn verankert, dieser Zufriedenheitsmacher?

[00:10:31.480] - Lioba Werth

Ja, also in dem Moment, wo ich Dinge tue, habe ich eine wichtige Komponente erreicht. Ich erlebe, dass ich sie bewirkt habe. Und dieses Wirksamkeitserleben. Wir nennen das mit dem Fachwort Selbstwirksamkeit ist eine der größten Entscheider für Wohlbefinden und Zufriedenheit für alle Altersklassen. Übrigens, das fängt beim kleinen Kind schon an, wenn es weiß, ich habe das gerade gekonnt, dann kommt das Strahlen in die Augen. Und genau das können wir uns bis ans Lebensende erhalten. Und wer diese, dieses selber aktiv sein, dieses selber Dinge bewirken nicht mehr hat, der ist halt in der passiven Rolle, vielleicht sogar in der Opferrolle, in derjenigen Rolle, der immer wartet darauf, dass andere was machen. Und das rutscht einen oder bewirkt sehr schnell, dass man in die Unzufriedenheit rutscht.

[00:11:15.250] - Matthias Bongard

Frau Werth habe jüngst ein Gespräch mit Axel Beyer geführt. Axel Beyer war lange Jahre Unterhaltungschef bei verschiedenen Sendern, hat große Sendungen verantwortet. Ich weiß nicht, ob Sie so was kennen wie "Wetten, dass…?". Er stand also im prallen Leben mit Prominenz und Showbusiness. Und dann kam der letzte Arbeitstag am Mittwoch. Und dann, am Donnerstag war er Rentner. Und aus so einem Leben rausgerissen zu werden, hat er erst mal selbst beobachtet, auch im kleinen Büchlein zusammengeschrieben. Und ich habe mich über diese Alltagssituation, über die wir beide gleich auch noch reden wollen, ein bisschen unterhalten und ihn auch gefragt: Wie ist das so, wenn da der Tag mit Arbeit ist und der nächste Tag hat plötzlich keine Arbeit mehr? Hat er früher mal drüber nachgedacht? Wahrscheinlich nicht, oder?

[00:12:01.930] - Axel Beyer

Ja, das ist richtig. Weil das Problem ist ja, man beschäftigt sich natürlich vom Kopf her damit. Aber es ist immer ganz weit weg, immer. Egal wie nahe es ist, es ist weit weg. Und man hat immer andere Dinge, die im Moment noch wichtiger sind. Und irgendwann ist dann plötzlich dieser Tag da — und dann stellt man fest: Ui, 24 Stunden können aber lang sein. Natürlich hat man sich Dinge vorgenommen wie "Endlich mal Zeit, den Keller aufzuräumen" oder bestimmte Bücher zu lesen oder sonstige Dinge. Und dann merkt man schnell, wie schnell sich Bücher lesen und dass ein Keller, wenn er mal aufgeräumt ist, auch aufgeräumt bleibt.

[00:12:41.080] - Matthias Bongard

Hatten Sie denn auch so ein Realitätsloch, in das Sie immer wieder fielen. Dass Sie sich selbst sagten Jetzt kann ich bis zehn im Bett liegen, aber doofer Weise wache ich sowieso um sieben auf.

[00:12:50.200] - Axel Beyer

Ja, das ist anders. Also man geht durch die Wohnung und fragt sich, warum das Handy nicht klingelt. Und eine Zeit lang dachte ich immer, es wäre kaputt. Und dann habe ich mich von meinem Festnetz auf meinem Handy angerufen, um zu feststellen: Es klingelt. Also es ist nicht kaputt, aber es klingelt eben einfach nicht mehr. Und das ist so etwas, was man anfängt zu vermissen.

[00:13:11.020] - Matthias Bongard

Was ist Ihnen noch aufgefallen, was Sie besser hätten mal bedacht vorher.

[00:13:17.050] - Axel Beyer

Also was ich sicherlich erst sehr spät gemerkt habe, war, wie wichtig es eigentlich ist, sich selber immer wieder neu zu motivieren. Also nicht zu sagen na ja, "das ist jetzt so", sondern: "Was kann ich tun, um das zu ändern?". Und ich kann was tun. Und wenn ich mich langweile — Langeweile übrigens etwas Schönes kann auch wunderbar sein, kann viele Dinge freisetzen. Aber manchmal ist es eben so, dass man einfach sagen muss "Weißte, ich brauche neue Anregungen, denn das fehlt". Die Anregung kriegt man im Beruf pausenlos. Da muss man sich mit Dingen auseinandersetzen und plötzlich fehlen diese Anregungen, und die muss man sich selber beschaffen.

[00:13:59.500] - Matthias Bongard

Wenn der Satz fällt: "Wer rastet, der rostet", sagt man auch was ein blöder Satz, aber das ist der Keim?

[00:14:04.870] - Axel Beyer

Ja, genau, das ist der Punkt. Das heißt also, man kann nicht einfach sich darauf verlassen, dass die — okay, die Tagesschau wichtig und Nachrichten guckt man und dann, dass das alles sozusagen passiv auf einen zukommt, sondern man muss aktiv etwas tun. Ganz banal wirklich mal Supermärkte. Die Supermärkte sind immer so aufgebaut, in der Regel, dass man gegen den Uhrzeigersinn geht. Ja, weil man, wenn man gegen den Uhrzeigersinn geht, das ist uns irgendwie unangenehm. Wir sind langsamer, und weil wir langsamer sind, nehmen wir bestimmte Dinge wahr, die dort in den Regalen sind. Und gehen Sie einfach im Uhrzeigersinn in den Supermarkt und gucken sich den Supermarkt mal in der anderen Richtung an, das ist einfach toll. Oder an der Haltestelle. Wenn man in den großen Städten zugegebenermaßen auf dem Land ist es ein bisschen schwieriger. Aber in den großen Städten einfach mal eine Haltestelle früher aussteigen und gucken, was da so gebaut wird.

[00:14:56.350] - Matthias Bongard

Verspüre ich oder deutlich daraus eine gewisse Lust an Anarchie, die man entwickeln kann in der Rente, einfach mit dieser, mit dieser Grundidee "Ich mache es jetzt einfach mal anders"? Wer soll mir denn was?

[00:15:07.570] - Axel Beyer

Ja, aber das ist ja genau der. Dadurch, dass man sagt "ich mache es jetzt einfach mal anders", wird man sozusagen aktiv wieder. Das ist der entscheidende Punkt. Dann rosten Sie nicht. Ja, weil dann sind Sie aktiv und sagen Mensch, ich gucke mir das Leben um mich rum mal an und zwar von mir aus. Und ich warte nicht, bis die anderen alle auf mich zukommen. Das ist einfach. Wäre ein Fehler, weil dann sitzt man wirklich nur noch da und guckt — und es ruft eben keiner an!

[00:15:37.220] - Matthias Bongard

Gedanken des Rentners Axel Beyer, der das in einem kleinen Büchlein zusammengefasst hat Ausschlafen ist auch keine Lösung. Professorin Lioba Werth hat zweimal kurz mitgeschrieben. Ich weiß nicht, was. Einmal bei dem Satz "Man braucht Anregung". Habe ich das richtig beobachtet?

[00:15:52.670] - Lioba Werth

Da haben Sie sehr gut beobachtet. Und zwar hat der Beyer einfach eine ganz großartige Fähigkeit angesprochen an der Stelle — eine Fähigkeit, die wir als Offenheit für Neues bezeichnen. Das ist eine Persönlichkeitseigenschaft und es hat sich gezeigt, dass die Menschen, die die in hohem Maße ausgeprägt haben, sehr viel leichter durchs Alter kommen, überhaupt durchs Leben kommen, aber auch eben gerade durchs Älterwerden kommen. Der Grund dafür ist ganz einfach, nämlich: Das Alter verändert uns ja immer wieder, und Menschen sind nicht gut darin, mit Veränderungen umzugehen. Wir gehen da schnell in Widerstand. Wer weniger in Widerstand geht, sind die Menschen, die offen sind für Neues, die einfach sagen: "Okay, ich gucke es mir halt erst mal an, ich probiere es mal aus". Und was Herr Beyer jetzt angesprochen hat, ist: "Machen Sie doch mal was Neues". Also dass er ja Beispiele uns gerade gebracht hat davon, wie man solche neuen Dinge einfach auch ganz gezielt bewusst eingehen kann. Andersrum durch den Supermarkt laufen, eine andere Strecke vom Weg nehmen. All diese Dinge sind schöne Beispiele dafür, wie man bewusst diese Eigenschaft trainieren kann.

[00:17:00.770] - Lioba Werth

Und das ist immer mein Rat, den ich auch schon an jüngere Menschen gebe. Spätestens mit 40 plus "Fangt bitte an und übt euch darin." Das wird euch das ganze Leben so viel einfacher machen. Kinder haben diese Offenheit meist noch und wir verlieren sie eigentlich zunehmend. Wir werden immer enger in unserem Verhaltensrepertoire. Obwohl wir eigentlich immer mehr Lebenserfahrung haben, beschränken wir uns auf viel weniger Dinge. Und das wäre etwas, was es uns sehr, sehr leicht macht. Mal was Anderes essen, mal was Anderes tun. Schon zu frühen Zeiten.

[00:17:30.710] - Matthias Bongard

Ich springe noch mal zurück zu dem Thema Bedeutungsverlust. Ja, ich komme selbst aus einem Berufsfeld, wo Eitelkeit kein Unbekannte, keine unbekannte Größe ist, wo es so etwas gibt wie gemocht werden wollen, weil sonst träte man nicht auf eine Bühne. Man ist im positiven Sinne auch eine Rampensau, weil man gesehen werden will. Und jetzt kommt der Tag, wo einem das nicht mehr erlaubt wird. Wie schwer ist für viele der Bedeutungsverlust beziehungsweise: "Wie schwer ist die Kunst zu lernen, unwichtig zu sein"?

[00:18:03.480] - Lioba Werth

Ich glaube nicht, dass es darum geht, unwichtig zu sein. 

[00:18:05.280] - Matthias Bongard

In seinem Berufsfeld, meine ich.

[00:18:11.480] - Lioba Werth

Ja, genau das genau ist die wichtige Differenzierung. Wenn ich Bedeutung in meinem Beruf verliere, muss ich schauen, dass ich woanders eine Bedeutung für mich erlebe. Ja, aber nicht, dass ich lerne, mit dieser Unwichtigkeit umzugehen, sondern indem ich lerne, es woanders zu finden und auch ein Stück weit mir selber zu geben. Das ist das Wichtige. Und die Bedeutung für andere Menschen zu haben, ist etwas, was jeder Mensch hat, was ein Grundbedürfnis bei uns ist. Wer jetzt im Beruf eine hohe Bedeutung im Sinne von Status hat oder eine hohe Machtposition oder eine hohe Verantwortung, der erlebt noch eine andere Form von Bedeutsamkeit.

[00:18:50.520] - Matthias Bongard

Nicht mehr Alphatier zu sein.

[00:18:52.560] - Lioba Werth

Nicht mehr der alleinige Entscheider auch zum Beispiel zu sein. Das ist für viele ein Problem, wenn sie in die Rentensituation kommen.

[00:18:58.520] - Matthias Bongard

Was dagegen tun?

[00:18:59.560] - Lioba Werth

Na ja, es ist, glaube ich, wirklich eine Aufgabe und auch eine Lebensaufgabe, an der Stelle zu gucken: Wo habe ich tatsächlich Bedeutung? Was uns hilft, ist das mit dem Alter nicht mehr die Quantität, sondern die Qualität von Beziehungen wichtiger wird. Also es wird nicht mehr so wichtig sein für mich, wenn ich älter werde, dass ich 4000 Mitarbeiter unter mir habe, die ich da beaufsichtigen und in irgendeiner Form in die Richtung schiebe. Es wird wichtiger sein, dass ich drei gute Freunde an meiner Seite habe. Also das ist etwas, was uns zuspielt, das hilft. Aber natürlich muss ich irgendwie für mich klären, wenn ich jetzt nicht mehr 4000 Mitarbeiter habe und nicht mehr ganze Strategien vorgeben kann: "Wo tue ich etwas, was für mich ähnlich bedeutsam ist?". Also, es verlagert sich das, was wir für bedeutsam halten und das erfordert, dass wir frühzeitig uns darüber klar werden, was ist für mich eigentlich ein Wert im Leben? Was ist für mich eigentlich eine Sinnhaftigkeit?

[00:19:55.410] - Matthias Bongard

Wenn ich da jetzt drüber nachdenke und jetzt mal den Boss oder die Chefin nehme, die die Kompensation sucht. Kann es so einfach sein zu sagen: "Da war ich Chefin und habe befohlen und jetzt kompensiere ich das durch den Bau eines Gartentisches". Ich mache es extra mal krude.

[00:20:13.020] - Lioba Werth

Ja, das kann es tatsächlich sein. Und zwar für denjenigen — da unterscheiden wir Ruheständler-Typen für denjenigen, der sagt: "Es ist für mich eigentlich jetzt eine Befreiung". Das war zwar toll, dieser Job, aber er hat mir auch ganz viel genommen. Ja, er hat mir auch Zeit genommen. Er hat mir Freiheitsgrade genommen, er hat mir Familienzeit genommen und was auch alles. Ich sehe also viel, wo ich verzichtet habe, und jetzt will ich nicht verzichten. Jetzt will ich entweder etwas nachholen oder ich will einfach befreit sein von dieser Verantwortung, die ich auch hatte, von dieser Last. Für diejenigen ist der Gartentisch vielleicht was Großartiges, für andere nicht.

[00:20:53.310] - Matthias Bongard

Das zweite Mal, dass sie mitgeschrieben haben. Ich glaube, es war bei dem Satz: "Was kann man mir denn noch wollen?" Also ich kann doch jetzt eigentlich ein bisschen anarchischer sein und weniger Kompromisse machen in meinem Leben. Da schüttelt sie mit dem Kopf.

[00:21:08.610] - Lioba Werth

Nee, da hatte ich eine andere Interpretation. Nämlich deswegen. Da hatten sie, glaube ich, diese Interpretation eben, als Herr Beyer das sagte. Und ich hatte eher da eben herausgehört, dieses einfach mal anders sein. Ja, das war genau die Stelle, weil dieses anders sein dürfen, also sich was Anderes herausnehmen, Dinge anders tun. Das ist, glaube ich, das, was uns so frei macht in einer Rentenzeit - im Vergleich zu vorher.

[00:21:36.330] - Matthias Bongard

Da sind wir aber deckungsgleich. Das meinte ich auch. Einfach zu sagen, ich muss im Leben nicht mehr so viel Kompromisse machen und nicht darauf achten, wie komme ich an, welche Rolle habe ich mein ganzes Leben lang gespielt, sondern ehrlicher sein, offener sein, entschiedener sein und vielleicht auch zu sagen: "Die Zeit verplempert ich nicht mehr, nur weil es sich so gehört, sich so zu verhalten", sondern zu sagen "Ich nutze die Zeit für mich". Ist das die große Kunst, an das Ich zu denken, ohne egomanisch zu werden?

[00:22:03.120] - Lioba Werth

Ja, aber ich glaube, das ist tatsächlich auch ein ganzes Leben lang so die Kunst. Denn wenn ich meine eigenen Bedürfnisse nicht sehe, dann kann ich auch nicht gut damit umgehen. Und dann werde ich auch schwierig für andere mit der Zeit. Und hier ist es jetzt so, dass es etwas ist, was ich also vielen Berufstätigen, die vor der Rente stehen, immer nahelege, ist zu gucken: Was bin ich für ein Typ, was wird es für mich sein? Wird es das, wie ich gerade eben sagte, die Befreiung sein? Oder wird das für mich eine Zeit sein, wo ich Dinge nachholen muss, weil ich oft verzichtet habe auf etwas und das Gefühl habe, das konnte ich nicht. Ich konnte dieses eine Hobby, diesen einen Traum nicht ausleben. Also ich möchte beispielsweise endlich mal Weltreisen machen. Ich konnte nie reisen, ich hatte das Geld, die Zeit nicht. Ja, dann tun sie es dann. Aber es gibt auch andere Typen, die sagen: Ich möchte eigentlich gar nicht aufhören, ich muss aufhören. Ich bin jetzt an der Altersgrenze. Man lässt mich nicht mehr an der Uni beispielsweise Prof sein. Ich muss gehen oder ich, Ich muss. Einen Vorstandsposten räumen, weil das nicht mehr gestattet ist. Ich möchte aber eigentlich weitermachen. Ja, dann machen Sie weiter. Also man kann ja sehr stark dann als freier Berater oder ähnlichem noch in dieser Branche bleiben. Das nennen wir dann halt den Weitermacher, aber bitte dosiert — so dosiert, dass die anderen eigenen Anteile, die anderen Bedürfnisse auch zum Zuge kommen dürfen. Dass Sie in eine Balance kommen mit dem, was Sie tun. Und der vierte Typ wäre der, der sagt: "Nee, so weitermachen nicht, aber noch mit meiner Expertise irgendwas weitergeben, das wäre schön". Das sind die, die irgendwie noch anknüpfen an das, was sie vorher gemacht haben und das Übertragen auf etwas. Und auch das ist etwas, was mir Bedeutsamkeit gibt, was eine, was eine Synthese aus meiner Biographie ist und der Zeit, die ich jetzt habe.

[00:23:49.270] - Matthias Bongard

Wenn ich mal meine Person nehme, musste ich mal feststellen, dass ich meine Bedürfnisse dann am besten erkenne, wenn ich mich richtig langweile. Also ich habe es auch immer so formuliert. Ich musste mir selber auf den Piss gehen, damit ich erst mal für mich klar ziehen kann, was wirklich für mich wichtig ist. Ist das, rede ich mich da raus oder ist Langeweile wirklich die die Wurzel, der Keim für Kreativität und für Selbsterkenntnis?

[00:24:16.270] - Lioba Werth

Ich würde das Wort gerne ersetzen. Langeweile ersetzen durch das Wort Mußezeit, Mußezeit ist der Keim für Kreativität. Das ist tatsächlich so. Wir erleben es umgangssprachlich zunächst meist als lange oder viele als Langeweile, andere aber schon direkt als Mußezeit. Nämlich als das, was im Kern drinsteckt, nämlich Freiraum. Also dass wir gerade im Moment mal einfach da sitzen auf der Couch und die Frage in den Kopf kommt: Was mache ich jetzt als Nächstes? Und das kann sehr schnell kippen. Die einen sagen: "Oh, das ist schön, jetzt darf ich kreativ werden, darf mich entscheiden, ich mache jetzt was" — und für die anderen kippt es. Und sie sagen: "Oh, jetzt kann ich nichts mit mir anfangen". Und dann kommt sehr schnell die Frage hinterher Ich bin überhaupt nicht wichtig. Keiner interessiert sich für mich, niemand kann mit mir was anfangen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Und dann wird es halt eine bedrohliche Phase.

[00:25:10.060] - Matthias Bongard

Und ich war abends total unzufrieden, weil ich habe nichts gemacht.

[00:25:13.330] - Lioba Werth

Ja, genau dieser. Diese normale Einheitsgröße: Wonach bemesse ich, was ich an dem Tag geleistet habe? Die verändert sich ja in der Rente. Wir haben nicht mehr die Arbeitszeit, sei es jetzt zeitlich gesehen, was wir alles geschafft haben oder qualitätsmäßig, was wir geschafft haben. Wir müssen ein anderes Maß an den Tag legen, um zu wissen war dieser Tag gut. Und das ist sehr, sehr schwierig.

[00:25:36.940] - Matthias Bongard

Es gibt ja noch in der Zeit, in den Jahren vor der Rente oft eine Situation für Menschen im Leben, die sie so noch nicht kannten. Die Kinder sind aus dem Haus, man entfremdet sich mitunter in der Beziehung. Die Wehwehchen bis Krankheiten nehmen zu. Ist die Zeit vor der Rente in den 15 Jahren davor auch die wichtige schon seine Bedürfnisse abzutesten beziehungsweise zu hinterfragen und nicht erst mit 65 oder 67?

[00:26:06.400] - Lioba Werth

Unbedingt. Genau.

[00:26:08.500] - Matthias Bongard

Hilft einem das dann ab 65/67?

[00:26:11.740] - Lioba Werth

Ich glaube, es hilft sehr. Die Gefahr könnte sein, dass sie noch früher in Rente gehen, weil Sie entdecken, was Sie gerne noch machen würden. 

[00:26:17.500] - Matthias Bongard

Wieso Gefahr? 

[00:26:19.240] - Lioba Werth

Ja, vielleicht für die Gesellschaft. Ja, aber ja, in der Tat. Ich halte auch zum Beispiel sehr viel davon, es anzutesten. Also zum Beispiel zu sagen, ich gehe in eine Altersteilzeit und probiere schon mal aus, wie viel Arbeit ist für mich noch gut? Bin ich ein Typ, der das möchte oder nicht? Oder aber auch in dieser frühen Zeit schon neue Hobbys aufzubauen und anzutesten, die man mit der Familie, mit dem Partner oder auch für sich alleine entdeckt, aber auch neue Kontakte zu knüpfen. Was wir häufig nicht machen, ist, dass wir neben der Arbeit ausreichend Kontakte entwickeln. Wir haben innerhalb eines Arbeitsprozesses häufig so viele Kontakte mit Kunden, mit Patienten, mit Kollegen, mit Führungskräften, mit Mitarbeitern, dass unser Redebedürfnis am Ende des Tages wirklich gesättigt ist und wir froh sind, dass draußen oder zu Hause keiner mehr mit uns redet. Wenn wir jetzt in die Rentensituation kommen, sind die aber nicht mehr da und wir fragen uns den ganzen Tag, wer denn jetzt mit uns redet. Selbstgespräche helfen da nicht. So, wir sehen uns plötzlich nach Kontakten.

[00:27:23.920] - Matthias Bongard

Weil man mit Partnerin oder Partner sowieso nur 20 Minuten sprach, müsste man jetzt zwei Stunden sprechen und das kriegt man gar nicht mehr hin.

[00:27:29.050] - Lioba Werth

Ja, aber selbst die zwei Stunden werden Ihnen voraussichtlich nicht reichen. Denn es gibt viele Bedürfnisse, die von den Kollegen auch befriedigt wurden, die der Partner vielleicht nicht befriedigt. Und deswegen ist es sehr ratsam, sehr frühzeitig ein intensives Freundeskreisleben aufzubauen und das auch altersgemischt, nicht nur mit den gleichen, sondern auch mit anderen Altersgruppen oder auch mit anderen Berufsgruppen. Das wird die Rentenzeit sehr bereichern. Das kostet aber Zeit, die man halt frühzeitig schon investieren muss.

[00:28:02.770] - Matthias Bongard

Frau Professorin Lioba Werth, Sie haben viele Bereiche angesprochen. Sie haben als Psychologin Auskunft gegeben über Ihre Gedanken, Ihr Wissen dazu, was in den Jahren vor dem Renteneintritt wichtig sein kann für den einen wie den anderen Typ. Lieben Dank dafür! Und abschließend kommt ja immer noch Ute Schneider die paar Tipps noch obendrauf sattelt und auch in die große weite Welt der Medien einsteigt.

[00:28:27.430] - Jingle

Die U-Tipps für alle, die noch mehr zu diesem Thema wissen wollen. Von und mit Ute Schneider.

[00:28:37.340] - Matthias Bongard

Ich habe mich auch neulich gefragt, warum mein Handy, wo es jetzt auf die Rente zugeht, nicht mehr klingelt. Und irgendwann ist es mir klar geworden: Ich habe gar keins. Das ist auch eine Erklärung, ne? Was erklärst du uns, Ute, wo man noch mal nachlesen, schauen, hören und gucken könnte?

[00:28:54.830] - Ute Schneider

Ja, es ist ja tatsächlich so. Wir haben gehört, das Handy klingelt seltener. Deins auch, weil du gar keins hast. Aber wir könnten ja das Handy vielleicht auch, wenn wir in Rente gehen, für was Anderes nutzen. Frau Werth hat ja schon gesagt: Schön ist, wenn wir einen schönen Termin am Tag haben und den könnten wir dann in so eine App eintragen. Ich habe mal geguckt, es gibt einige, die zum Zeitmanagement uns helfen würden. Gut, einen eintragen, einen Termin, ist vielleicht ein bisschen albern, aber vielleicht hilft es ja am Anfang, um so ein bisschen reinzukommen. Ich habe mal einen ausprobiert, der heißt "todoist — praktisch und schlicht. Kannst du Einzeltermine eintragen, regelmäßige Termine und was ich wichtig finde: Du wirst erinnert. So nach dem Motto "Achtung, Termin" ist ja vielleicht gar nicht schlecht, um am Anfang in der Planung so ein bisschen reinzukommen, wenn in der Rente nicht mehr so viel geplant ist. Ich bin allerdings eher das Mädchen für den Terminkalender. Also ich trage gerne meine Termine noch per Hand ein. Das geht natürlich für die Planung genauso. Ich empfehle immer gerne Nimm den Bleistift, da kannst du es wegradieren.

[00:29:49.370] - Matthias Bongard

Und in Zeiten des Ruhestandes gibt es ja noch den schönen Luxus oft, dass es keine Pflicht ist, diesen Termin wahrzunehmen. 

[00:29:55.220] - Ute Schneider

Kannst du auch ganz einfach durchstreichen.

[00:29:57.370] - Matthias Bongard

Eben. Genau. Durchstreichen in der App. Da empfehle ich wasserfeste Marker. Ute, man kann daran erkennen, wie alt wir beide sind, indem ich uns beide jetzt mal komplett oute. Wir lesen manchmal sogar noch Bücher in Papierform. So mit Anpacken und Umblättern.

[00:30:16.220] - Ute Schneider

Herrlich. Und mit Eselsohren. Und deshalb empfehle ich gerne die zwei Bücher, die unser Gast Axel Beyer geschrieben hat. Der Mann ist ja schon in Rente und hat festgestellt: Mit Humor geht das alles ein bisschen besser. Sein erstes Buch heißt ja "Immer Ausschlafen ist auch keine Lösung". Das zweite "Immer nur Aufregen ist auch keine Lösung". Mir gefällt besonders gut das Fazit: "Lassen Sie sich nicht ärgern, sondern ärgern Sie einfach mal zurück".

[00:30:36.740] - Matthias Bongard

Nach Lesen kommt Hören.

[00:30:38.360] - Ute Schneider

Ja, und da habe ich noch einen Tipp für einen anderen Podcast vom Spiegel. Smarter Leben heißt der und da gerne mal in die Folge Reizüberflutung. "Klarer Kopf trotz Alltagsstress" reinhören. In der Folge ist Cordula Nussbaum zu Gast. Sie ist Autorin und Wirtschaftspsychologin und erklärt wie das Gehirn funktioniert. Finde ich ganz spannend und vor allen Dingen, wie wir reagieren und wie wir es schaffen, zum Beispiel Reize abzuschalten oder eben auch Gewohnheiten zu ändern.

[00:31:02.510] - Matthias Bongard

Nach Hören kommt Gucken.

[00:31:04.520] - Ute Schneider

Ja klar. Und da habe ich in der ARD Mediathek was Gutes gefunden. Und zwar eine Serie. "Eine Frage der Zeit" heißt die. Da gibt es die Folge der "Wettlauf mit der Zeit". Da werden Menschen in ihrem Alltag begleitet, die aufgrund ihrer Lebenssituation sehr unterschiedlich mit dem Thema Zeit umgehen. Und was ich ganz spannend finde: Arte hat vor der Serie so einen Fragebogen verschickt, den ganz viele beantwortet haben. Und bei dem gab es unter anderem diese Frage: Was zeichnet ein erfolgreiches Leben aus — Zeit oder Geld? Und jetzt musst du mal sagen, wie viel von 100 Zeit haben gesagt.

[00:31:37.010] - Matthias Bongard

Bei diesen beiden Sachen nur zur Auswahl. Boah — 50?

[00:31:41.000] - Ute Schneider

98 Prozent.

[00:31:44.780] - Ute Schneider

Boah. Jetzt kommst du!

[00:31:46.820] - Matthias Bongard

So, Ute. Ganz lieben Dank. Und wenn Sie diesen Podcast weiterempfehlen möchten, wir werden Sie nicht daran hindern. Egal ob Sie es jemandem empfehlen möchten mit dem Satz: "Du, das wusste ich vorher nicht" oder "Das hat mich zum Nachdenken gebracht" oder "Hey, klasse Idee". Wie auch immer, das ist unser Anspruch. Und wenn wir den ein bisschen erfüllen, dann dürfen Sie uns das zurückgeben, indem Sie anderen sagen: "Hör doch mal rein bei ,immer frei’". Ute, Danke dir!

[00:32:15.780] - Ute Schneider

Gerne!

[00:32:17.740] - Jingle

Das war "immer frei - so geht Rente" mit Matthias Bongard. Ein Podcast vom WDR. Mehr Infos gibt es bei "immerfrei.wdr.de".