Eine namenlose Ich-Erzählerin berichtet in "Klarkommen" zunächst vom Heranwachsen in einer westdeutschen Kleinstadt, irgendwann in den vergangenen Jahren. Ein keineswegs unglückliches Dasein, das normal, also relativ ereignislos dahinplätschert. Das wahre, pulsierende Leben glimmt noch als etwas Konturloses, doch zwingend Kommendes und definitiv Großes, bereits vielsprechend am Horizont. Jene Hauptfigur gehört zu einer Mini-Clique, deren sonstige Mitglieder Mounia und Leon sind. Klassische Normalos, stets bemüht, doch ohne Glamour oder den unbedingten Willen zur Rebellion.
Erlebnisdurst führt die Dreier-Clique nach dem Abitur in die nächstbeste Großstadt. Man schreibt sich planlos und ein wenig antriebsschwach an der Uni ein und gründet eine WG. Die neue Freiheit ist allerdings eine eher ernüchternde bzw. nüchterne Sache. Nicht nur, weil die Ich-Erzählerin mit Alkohol kaum etwas- und mit Drogen nichts am Hut hat – Energydrinks sind das Mittel der Wahl – sondern auch, weil die erhofften Abenteuer weiter auf sich warten lassen. Romanzen bleiben einseitiges Kopfkino. Die weiteren ersten Schritte im Erwachsenenleben gestalten sich etwas mühselig. Bald zeichnen sich erste Sollbruchstellen in der WG ab. Mounia und die Ich-Erzählerin festigen ihre Freundschaft, aber mit Leon ist es so eine Sache. Doch er findet durch den Kneipenjob bei Wirtin Frau Heiner schnell Anschluss bei den coolen Leuten. Und cool zu sein ist nun mal von überragender Bedeutung. Nach einem Jahr löst sich die WG auf, und das Leben der Ich-Erzählerin geht in die nächste Runde. Hoffentlich hält uns Ilona Hartmann auch darüber auf dem Laufenden.
Sofort springt einem die erlesene Ausdrucksweise ins Ohr - beeindruckend kontrolliert und akkurat. Sprecherin Jodie Ahlborn gibt hier unnachahmlich die abgeklärte und zugleich hochsensible und ultrareflektierte Erzählerin. Reife und bündige Introspektionen, faire mitmenschliche Beobachtungen, trockener Humor und gelungene Momentaufnahmen des vermeintlich langweiligen Alltags ergeben zusammen einen originellen Stil: klar, analytisch, unaufgeregt und empfindsam. Ahlborns Stimme verkörpert gekonnt den Lebenshunger der Protagonistin wie auch deren zögerliches Naturell. Fabelhaft intoniert die Hamburger Schauspielerin die beiläufige Intensität der Ereignisse. Das Fragile, das permanente Schwanken zwischen Selbstfindung und Orientierungslosigkeit, Unsicherheit und Dahintreiben. Und wie die junge Protagonistin ganz nebenbei langsam aber sicher erwachsen wird.
Eine Rezension von Moritz Holler
Hörbuchangaben:
Ilona Hartmann: Klarkommen
Gelesen von Jodie Ahlborn
Hörbuch Hamburg, MP3-Download, 3 Stunden 28 Minuten Laufzeit, 15.95 Euro
Buchvorlage im park x Ullstein Verlag
