Hinter einer mit Tropfen bedeckten Glasscheibe ist verschwommen das Gesicht eines nachdenklichen Mannes zu erkennen.

"Ich weiß, dass ich nicht weiß" – wie verstehen Sie diesen Satz?

Was wissen wir eigentlich sicher – und welche Bedeutung hat das Nicht-Wissen? Dieses Spannungsfeld ist ein Kernthema der Philosophie seit der Antike. Heute ist es aktueller denn je: Wie steht es um das Verhältnis von Wissen und Meinen in unserer demokratischen Gesellschaft?

Immerhin wisse er, dass er nichts wisse – dieses Zitat wird dem Philosophen Sokrates zugeschrieben, der von 469 bis 399 vor Christus in Athen lebte. Ein zentraler, vielleicht sogar der wichtigste Satz der Philosophie: Wer davor philosophierte, wird heute als Vorsokratiker bezeichnet; wer danach philosophierte, arbeitete sich in der Regel irgendwann im Lauf seiner Karriere an dem Satz ab.

Bruno Preisendörfer

Schriftsteller Bruno Preisendörfer

"Ich weiß, dass ich nichts weiß", so lautet die gängige, vermutlich nicht ganz korrekt zitierte, aber sinngemäß korrekte Variante von Sokrates Satz, die längst in den allgemeinen Sprachschatz aufgegangen ist. Ein Satz mit Sprengkraft: Er signalisiert, dass es niemals eine komplette, fixe Erkenntnis geben kann – und er steht zugleich auch für die Überzeugung, dass "alles wißbar ist", wie der Philosoph Jean-Paul Sartre interpretierte. Zugleich wirft dieser Satz die Frage auf, was das Wissen überhaupt ist, was es ausmacht. Wie und auf welche Weise muss also Wissen begründet und gesichert werden, um tatsächlich Wissen zu sein? Der Gegensatz zum Wissen wäre das Meinen, und im Gesamten wirft dieser Konflikt eine weitere alles entscheidende Frage auf: Die nach der Wahrheit. Der nur der – möglicherweise – Nahe kommt, der immer wieder hinterfragt, wie Sokrates, was schließlich auch zu seinem Verhängnis wurde.

Was ist Wissen, was ist Meinen? Das ist heute, in unserer zerstrittenen Gesellschaft zwischen Fakten und Fiktionen einmal mehr eine Frage mit großer Sprengkraft: "Zwischen freier, aber falscher Meinung auf der einen Seite und aufgezwungener, aber zutreffender Wahrheit auf der anderen liegt das Diskursfeld der modernen Demokratie. Auf diesem Feld laufen oder irren wir umher", sagt der Philosoph Bruno Preisendörfer.

Wissen wir, dass wir im Prinzip nichts wissen? Wie steht es um das Verhältnis von Wissen und Meinen? Was wissen Sie – und wie gehen Sie mit dem Nicht-Wissen um?

Hörer:innen können mitdiskutieren unter 0800 5678 555 oder per Mail unter philo@wdr.de

Redaktion: Gundi Große

Literaturhinweis: Bruno Preisendörfer: Sätze, die die Welt verändern. Eine Gedankenreise von Sokrates bis Nietzsche. Galiani Verlag, 2023

Bruno Preisendörfer: Sokrates

WDR 5 Das philosophische Radio 29.01.2024 54:41 Min. Verfügbar bis 28.01.2025 WDR 5


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