"D ́r Zoch kütt": Am 10. Februar 1823 startet in Köln der erste Rosenmontagszug der Stadtgeschichte. Das Spektakel mit 15 Nummern steht unter dem Motto "Thronbesteigung des Helden Carneval". Der erste "Held" ist der Kölnisch-Wasser-Produzent Emanuel Ciolina Zanoli. Auf einem goldenen Delphin, der auf eine Kutsche montiert ist, umkreist er unter großem Jubel des Publikums den Neumarkt.
Schon damals wird er von einer Jungfrau begleitet, die auf einem Schimmel sitzt und die Freiheit der Stadt von fremder Macht symbolisiert. Weil Frauen im Karneval kaum eine Rolle spielen, wird sie von einem Mann verkörpert. Diese bis heute andauernde Tradition unterbrechen nur die Nationalsozialisten, weil sie darin eine Verführung zu Homosexualität wittern. Die weitere Begleitfigur des Bauern macht in den Folgejahren das Dreigestirn komplett.
Komitee soll "wildes Treiben" ordnen
Organisiert wird der erste Rosenmontagszug vom "Festordnenden Comité". Dieser Vorläufer des Festkomitees Kölner Karneval hat sich wenige Tage zuvor gegründet, um dem wilden Treiben einen geordneten Rahmen zu geben. Denn Karneval, wie er seit Anfang des 14. Jahrhunderts überliefert ist, ist für die preußischen Besatzer die "Ausgeburt der Trivialität". Sie sehen darin einen Herd von Unruhe und Aufruhr und befürchten Übergriffe auf Militär und Verwaltung.
Podcast "Im Herzen Jeck"
200 Jahre Kölner Karneval: Das nimmt die WDR Lokalzeit zum Anlass, in den Karneval einzutauchen. Jede Folge eine Geschichte über eine Person, die Karneval in der DNA hat, Karneval liebt und lebt - das ganze Jahr. Ein Podcast über die vielen schönen Dinge des Karnevals, aber auch über die kritischen Punkte: Was ist die Rolle der Frau im Karneval? Gehen Indianerkostüme heute noch? Alles nur Saufen? Was ist mit den Exzessen im Straßenkarneval?
Der Karnevals-Podcast der Lokalzeit
Der historische Karneval spielt in jeder Folge eine Rolle. Ein Historiker des kölnischen Stadtarchivs geht auf einige Aspekte in der Folge ein.
Vieles ändert sich im Laufe der Jahre. So wird etwa aus dem "Held" im Deutschen Reich der "Prinz Karneval", weil es mit Wilhelm I. als deutschem Kaiser nur einen Helden geben darf. Außerdem entwickelt sich der Kölner Karneval zu einem - auch international - beachteten Event. Rund 600 Millionen Euro werden in der Session umgesetzt: Sitzungen und Bälle, Gastronomie und Hotelübernachtungen, Festartikel und Kostüme spülen viel Geld in die Stadt.
Und auch beim Rosenmontagszug erinnert nichts mehr an die bescheidenen Anfänge: Heute säumen jährlich mehr als eine Millionen Menschen den Zugweg. 80 Persiflage- und Festwagen schlängeln sich durch die Straßen, 300 Tonnen "Kamelle" und 300.000 Blumen-"Strüßjer" werden in die Menge geworfen.
Karneval als gelebtes Kulturgut
Manche Dinge sind dagegen seit 200 Jahren gleich. Stichwort: Festkomitee. Schon bei seiner Gründung ist das Comité ein Männerbund - und auch im heutigen Dachverband fallen fünf Damengesellschaften bei über 100 Mitgliedsvereinen kaum ins Gewicht.
Damals wie heute ist der Kölner Karneval aber auch ein Fest für die gesamte Stadt, bei dem alle mitwirken können und zu dem alle eingeladen sind. Oder - wie es der Kölner Pädagoge, Psychologe und Karnevalsexperte Wolfgang Oelsner formuliert: "Der Karneval ist ein in der gesamten Stadt gelebtes Kulturgut, das das ganze Jahr über in den Köpfen und Herzen der Kölner präsent ist." In diesem Sinne: "Kölle Alaaf!"
Autor des Hörfunkbeitrags: Herbert Hoven
Redaktion: David Rother
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