Stichtag

24. August 1990 - Erstes Wacken-Open-Air-Festival

Wacken ist an 362 Tagen im Jahr ein kleines, von Kuhweiden umgebenes Dorf in Schleswig-Holstein. Die meisten der 1.800 Einwohner führen ein eher beschauliches Leben. Wäre da nicht das erste Wochenende im August: Dann kommen Zehntausende in schwarzen T-Shirts mit Stierschädelskelett drauf, dem Logo des Wacken-Open-Airs. Zum Gruß heben sie den Arm und spreizen kleinen und Zeigefinger von der Faust, die so genannte "Pommesgabel" ist das weltweit gültige Erkennungszeichen für Metal-Fans.

Drei Tage und Nächte sorgen über 130 Bands auf acht Bühnen für den harten Sound: Heavy, Black, Death, Speed, Nu Metal, und Hard Rock. Motörhead, Saxon, die deutschen Heavy Ikonen Kreator und Doro sind Stammgäste in Wacken. Auch die Scorpions, Deep Purple und Rammstein waren schon da. Der amerikanische Rock-Entertainer Alice Cooper beteuert, dass sich Auftritte in Wacken "wie Heimat" anfühlen. Für die mittlerweile rund 80.000 Besucher ist während des Festivals die Wiese Heimat. Hier campen sie, konsumieren Bier oder was sonst dem Rausche dient und lauschen der metallischen Musik.

800 Besucher und eine grandiose Stimmung

Das ist auch schon beim ersten Wacken-Open-Air am 24. August 1990 nicht anders gewesen, nur kleiner. Das erste Festivalgelände mit Campingplatz und Bühne ist heute Künstlergarderobe. Oliver Peters gehört mit seiner Band 5th Avenue zu den musikalischen Pionieren des Wacken-Festivals und erinnert sich an seine erste Anreise: "Ich habe mich gefragt, wo soll denn hier ein Festival stattfinden, hier ist ja gar nichts." Doch bereits das erste Wacken-Open-Air ist besonders, obwohl die Bands hauptsächlich aus der Region kommen. "800 Besucher und eine grandiose Stimmung", schwärmt Peters von den Anfängen.

Der Legende nach haben die Veranstalter Thomas Jensen und Holger Hübner die Idee zu dem Konzert in ihrer Wackener Dorfkneipe "Zur Post". Zusammen mit Freunden organisieren die beiden das erste Wacken-Open-Air. Dabei hilft, dass man sich in der Provinz kennt. Die Sparkasse gewährt einen Kredit, die Raiffeisenbank stellt die Verlängerungskabel, der örtliche Supermarkt kümmert sich um die Verpflegung. Am Ende überwacht der Bauer höchstpersönlich, dass alle Zigarettenstummel und Glasscherben von seinem Gelände entfernt werden. Zwar bleibt ein Loch in der Kasse, doch die Veranstalter machen weiter. Immerhin steigen die Besucherzahlen jedes Jahr. Heute ist Wacken das bekannteste und größte Metal-Festival weltweit - mit der der ganz besonderen Atmosphäre.

Metal bei Kaffee und Kuchen

Diese schaffen vor allem die Einheimischen. Ohne die Beteiligung der Dorfgemeinschaft wäre Wacken wohl nur ein Festival von vielen. Auch wenn musikalisch Veranstalter und die meisten Dorfbewohner Welten trennen, die Wackener arrangieren sich schon früh mit den ungewöhnlichen Gästen. "Jeder Garten ist offen, schenkt Bier aus, Kaffee oder Kuchen. Da sitzen Ehepaare mit Wacken-Shirts auf der Terrasse und grüßen mit der 'Pommesgabel' die Metalfans. Ich kenne keinen Ort, wo die Menschen so integriert sind wie in Wacken", sagt Peters. Dazu zählt auch die Wacken Feuerwehr, die jedes Jahr im Eröffnungsprogramm auftritt.

Ansonsten haben die Rettungskräfte wenig zu tun. Bewohner, Besucher und Veranstalter beschwören die friedliche und freundliche Atmosphäre beim Festival - trotz der aggressiven Klänge. "Das Kritischste, was ich gesehen habe, war ein Paar, das hinter der Bühne kopuliert hat und von allen angefeuert wurde", berichtet Peters schmunzelnd. Zwar kritisieren einige Fans, dass die Kommerzialisierung zugenommen hat, es gibt mittlerweile einen Mittelaltermarkt, Talentwettbewerbe, einen Biergarten und ein Open Air Kino rund um das Gelände. Aber so richtig stört es dann doch nicht. Zumindest sind die Karten für das kommende Wacken-Open-Air wie immer nach nur wenigen Stunden ausverkauft.

Stand: 24.08.2015

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