Er sprüht vor Produktivität: Der britische Schriftsteller und Komponist Anthony Burgess schreibt 33 Romane, 25 Sachbücher, eine zweibändige Autobiografie, komponiert über 150 klassische Werk und verfasst ungezählte Texte, Essays, Kritiken, Hörspiele und Drehbücher. Er kann nicht anders. "Jeden Tag muss ich 1.000 Worte schreiben, weil Schreiben mein Beruf ist", behauptet Burgess 1984 in einem Interview. "Und es gibt viel zu sagen."
Um den am 25. Februar 1917 in Manchester geborenen John Anthony Burgess Wilson ranken sich viele Anekdoten. Zum Beispiel jene, wie er zu einem erfolgreichen Schriftsteller geworden ist. Ende der 1950er Jahre erleidet er angeblich in seiner Zeit als Lehrer in Brunei einen Zusammenbruch. "Die offizielle Burgess-Legende geht dahin, dass bei ihm ein Hirntumor festgestellt worden sei", sagt Autor und Literaturkritiker Willi Winkler. Die ärztliche Diagnose, er habe nur noch ein Jahr zu leben, provoziert bei Burgess angeblich einen Arbeitsanfall: Er soll innerhalb eines Jahres fünf Bücher geschrieben haben, um seiner Frau etwas zu hinterlassen.
Gibt es einen freien Willen?
Darunter ist auch Burgess' bekanntester Roman. Er trägt den Titel "A Clockwork Orange" ("Uhrwerk Orange") und erscheint 1962. Protagonist Alex ist der Anführer einer Jugendgang, die nachts im Drogenrausch loszieht und dabei prügelt, raubt und vergewaltigt. Damit reagiert Burgess auf die aufkommende Jugendkultur Anfang der 1960er Jahre. Bands wie die Beatles, die Mod-Bewegung und Jugendgangs sind ihm fremd. "Er fand sie aggressiv und gegen sich gerichtet", sagt Winkler, der Burgess mehrmals persönlich getroffen hat. Der Brite sei "ein gern genommener bösartiger Kolumnist und Kommentator gegen diese kulturrevolutionäre Moderne" geworden.
"A Clockwork Orange" behandelt bereits das Thema, das den Schriftsteller immer wieder umtreibt: Verfügt der Mensch über einen freien Willen? "Burgess besteht darauf: Der Mensch ist Herr seiner selbst, und er kann sich für Gut oder Böse entscheiden", so Winkler. Als der Regisseur Stanley Kubrick das Buch knapp zehn Jahre später verfilmt, bringt das Roman und Film Kultstatus ein. Viele Künstler nehmen darauf Bezug, von David Bowie über Andy Warhol bis zu Kylie Minogue.
Lieber als Komponist bekannt geworden
Burgess lebt in Malaysia und Brunei, tourt durch Frankreich und die Alpen. Während seine Frau das Wohnmobil durch die Serpentinen steuert, sitzt er auf der Rückbank und tippt auf seiner Schreibmaschine. Burgess wohnt zwei Jahre auf Malta, bevor er sich in Italien niederlässt. "Eine seiner schönsten Anekdoten besteht darin, dass er Rom verlassen musste, weil die Mafia drohte, seinen Sohn zu entführen", erzählt Winkler. "In einer anderen Version bekam er von einem Mafioso den Auftrag, seine Lebensgeschichte zu schreiben."
Der Brite ist offenbar ein Sprachgenie, neben Deutsch beherrscht er angeblich noch über ein Dutzend weitere Sprachen. Doch der Musik fühlt er sich fast noch mehr verbunden. Er wäre lieber als Komponist bekannt geworden, der nebenbei Bücher schreibt - sagt Burgess über sich. Er stirbt am 25. November 1993 im Alter von 76 Jahren in London.
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