Der Brief ist ein Bogen Papier, ein Faltbrief ohne Umschlag, adressiert an die Messieurs Ducan & Lurguie in Bordeaux. Ein Weinhändler in Mauritius’ Hauptstadt Port Louis schreibt an seine Lieferanten in Frankreich. Und oben rechts auf der Vorderseite in der Ecke kleben eine Blaue und Rote Mauritius-Marke.
Als einfacher Geschäftsbrief verlässt der Bordeaux-Brief den Hafen von Port Louis nimmt den Weg am Kap der Guten Hoffnung vorbei nach London, überquert den Ärmelkanal und gelangt über Paris nach Bordeaux. Stempel aller Art dokumentieren seine Reise um die halbe Welt. 85 Tage später halten die Adressaten die Weinbestellung ihres Kunden in der Hand und legen ihn zu den Akten.
Würde der Brief heute versteigert werden, könnte er zehn Millionen Euro einbringen, schätzen Experten. Damit steht er einem berühmten Gemälde in nichts nach.
"Der Bordeaux-Brief gilt als das Kronjuwel der Philatelie", sagt Andreas Hahn, Leiter des Archivs für Philatelie der Museumsstiftung Post und Telekommunikation in Bonn.
Briefmarken existieren auf Mauritius erst seit zwei Wochen
Das Besondere an dem Brief sind neben den zahlreichen Stempeln die beiden Marken, die Blaue und die Rote Mauritius. Als ein Postbeamter die beiden Marken am 4. Oktober 1847 abstempelt, existieren Briefmarken auf Mauritius seit gerade einmal zwei Wochen.
500 Exemplare in zwei Farben sind zu dem Zeitpunkt in Umlauf, einzeln gedruckt: rotes Orange und tiefstes Blau. Das Motiv zeigt die englische Königin Victoria. "Man kann am Kopf der Queen Victoria deutlich sehen, dass der Stecher nicht wirklich ein Meister seines Faches war", sagt Andreas Hahn von der Museumsstiftung Post und Telekommunikation in Bonn.
Die Insel Mauritius im Indischen Ozean ist die erste Kronkolonie mit eigenen Briefmarken. "Man hat sich an den britischen Briefmarken orientiert", sagt Hahn. 1840 hatte Großbritannien die erste Briefmarke eingeführt und damit das Postwesen revolutioniert: Erstmals konnten Briefe im Voraus bezahlt werden.
Ein Jahr später erscheinen weitere Marken in Rot und Blau. "Und dieses Farbmuster hat die Post auf Mauritius übernommen. Man wollte dem Mutterland so weit wie möglich nacheifern", erklärt Andreas Hahn. Der Graveur imitiert Design und Farben der britischen Marken und versieht sie mit der Inschrift "Post Office". "Viele dachten, dass sei ein Fehldruck. Das ist kein Fehldruck: Es gab auch 'Post Office'-Stempel", sagt Hahn. Die nächste Auflage wird dennoch geändert in "Post Paid".
Bordeaux-Brief ist lebendiges Stück Postgeschichte
Und wie ging die Reise für den Bordeaux-Brief weiter? "Später hat angeblich ein Schuljunge den Brief in der Firmenkorrespondenz entdeckt und für relativ viel Geld an einen Händler verkauft", sagt Andreas Hahn. Als begehrtes Sammlerobjekt geht der Bordeaux-Brief durch viele Hände und befindet sich bis heute in Privatbesitz. "Der Brief ist ein sehr lebendiges Stück Postgeschichte", sagt Andreas Hahn.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 4. Oktober 2017 ebenfalls an den Bordeaux-Brief. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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