Gemälde "Freiheit für das Volk", gemalt von Eugène Delacroix 1831

21. Juni 1793 - "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" wird offizielle Parole in Frankreich

Stand: 21.06.2018, 00:00 Uhr

Auf den Fassaden von Rathäusern, öffentlichen Schulen und Polizeistationen steht in Frankreich ein Leitspruch: "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit". "In der Literatur sind diese drei Begriffe seit dem 17./18. Jahrhundert in Verbindung gebracht worden", sagt Michel Borgetto, Jura-Professor von der Universität Paris.

"Das wichtigste Paar war Freiheit und Gleichheit. Es findet sich in vielen Schriften der Philosophen der Aufklärung." Die Brüderlichkeit habe Jean-Jacques Rousseau ins Spiel gebracht. Freiheit und Gleichheit könne nur unter Brüdern herrschen.

"Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" entsteht (am 21.06.1793)

WDR 2 Stichtag 21.06.2018 04:13 Min. Verfügbar bis 18.06.2028 WDR 2


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Revolutionäre diskutieren

Während der Französischen Revolution macht Maximilien de Robespierre den Dreiklang populär. "1790 schlug er in seiner Abhandlung über die Nationalgarde vor, Fahnen und Uniformen mit der Devise beschriften zu lassen", sagt Professor Borgetto. "Sein Vorschlag wurde aber nicht aufgenommen."

Die Revolutionäre diskutieren auch andere Kombinationen - zum Beispiel "Kraft, Freiheit, Frieden", "Einigkeit, Kraft, Tugend", "Für das Vaterland, die Gesetze und die Freiheit" und "Frei leben oder sterben".

Momoro-Initiative entscheidend

Die Entscheidung fällt auf Initiative des Revolutionärs Antoine François Momoro vom Club der Cordeliers. Ihm gelingt es, den Pariser Bürgermeister von der heute geltenden Parole zu überzeugen.

Am 21. Juni 1793 wird sie auf die Frontgiebel des Pariser Rathauses und anderer öffentlicher Gebäude gemalt, in der erweiterten Fassung: "Einheit, Unteilbarkeit der Republik - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder Tod".

Missinterpretation und Vergessen

"'Oder der Tod': Das meint den Willen, für diese Prinzipien zu kämpfen", erklärt Borgetto. Doch bald sei die Formulierung gegen angebliche Abweichler benutzt worden. "Robespierre sagt: Es kann keine Brüderlichkeit geben mit Konterrevolutionären." Ehemalige revolutionäre Weggefährten enden reihenweise unter der Guillotine.

Während des Direktoriums von 1795 bis 1799 und unter der Herrschaft Napoleons gerät die Devise in Vergessenheit. Erst die Revolutionen von 1830 und 1848 bringen sie zurück. Im Zweiten Kaiserreich unter Napoleon III. wird sie erneut unterdrückt, bis sie sich in der Dritten Republik ab 1880 durchsetzt.

Nicht einklagbar

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Parole 1946 in der französischen Verfassung verankert. Einklagen können die Franzosen die Werte aber nicht. "Weil es so viele verschiedene Konzeptionen von Brüderlichkeit gibt", erklärt Borgetto.

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