In den 1990-er Jahren sind die Gewerkschaften im Fusionsfieber. Seit Jahren geht ihr gesellschaftlicher Einfluss zurück - und die Zahl ihrer Mitglieder. Auf den Mitgliederschwund reagieren die Industriegewerkschaften mit Zusammenschlüssen. Die IG Metall schluckt die Gewerkschaften Textil-Bekleidung (GTB) und Holz und Kunststoff (GHK). Aus der IG Bau-Steine-Erden und der Gewerkschaft Gartenbau-, Land- und Forstwirtschaft entsteht die IG Bau.
Am 6. Oktober 1997 schließen sich in Hannover drei weitere Gewerkschaften zusammen. Aus der IG Chemie-Papier-Keramik, der IG Bergbau und Energie (IG BE) und der Gewerkschaft Leder wird die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Einziger Kandidat für den Chefposten der drittgrößten Einzelgewerkschaft der Bundesrepublik ist der bisherige Vorsitzende der IG Chemie, Hubertus Schmoldt.
Bergbau-Gewerkschaft drohte Pleite
"Ohne Frage wird eine Organisation mit über einer Million Mitgliedern stärker wahrgenommen und ist durchsetzungsfähiger als eine kleine Gewerkschaft", sagt Schmoldt kurz vor dem viertägigen Gründungskongress in einem Interview mit der "Welt". Tatsächlich entgeht die Bergbau-Gewerkschaft mit der Fusion einer drohenden Pleite. Sie hat zu diesem Zeitpunkt zwar noch rund 335.000 Mitglieder, aber aufgrund von Zechenschließungen sind davon nur etwa 90.000 aktive Bergleute.
Damit sind die Machtverhältnisse in der IG BCE klar: Neben den rund 700.000 Chemie-Beschäftigten spielen die Kumpel und Kraftwerker zahlenmäßig nur die zweite Geige. Allerdings treten die Gewerkschafter füreinander ein. "Als es in Nordrhein-Westfalen um die PVC-Diskussion ging, haben Bergleute mit den Chemikern demonstriert", sagt IG-BE-Mann Klaus Südhofer, der 1997 stellvertretender IG-BCE-Vorsitzender wird. "Und als es im Frühjahr um die Kohlepolitik ging, haben natürlich auch Chemiker und Leder-Leute für den Bergbau demonstriert."
Ein Drittel weniger Mitglieder
Seit 2009 steht der gelernte Chemielaborant Michael Vassiliadis an der Spitze der IG BCE, deren Mitgliederzahl seit der Gründung um ein Drittel auf knapp 650.000 geschrumpft ist. Seine Bilanz ist dennoch positiv: Es sei gelungen, die Tradition der Vorläuferorganisationen zu pflegen und gleichzeitig eine neue, zeitgemäße Gewerkschaft aufzubauen. Atom- und Kohleausstieg stellten die IG BCE allerdings vor neue Herausforderungen.
Vassiliadis sagt: "Dafür kämpfen wir, dass am Ende keine Strukturbrüche zu beobachten sind und dass insbesondere in der Lausitz und im Rheinischen Revier Anschlussbeschäftigung zu finden ist."
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