Wie viel Vitamin C braucht der Mensch? Bis heute geben Wissenschaftler darauf sehr unterschiedliche Antworten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine Tagesdosis von 110 Milligramm, laut EU-Angaben reichen auch schon 80 Milligramm. Der berühmte Nobelpreisträger Linus Pauling dagegen schluckte täglich sage und schreibe 18 Gramm!
Um auf die von der DGE empfohlene Menge zu kommen, ist abwechslungsreiche Mischkost völlig ausreichend. Trotzdem zählt Ascorbinsäure, wie Vitamin C wissenschaftlich heißt, zu den beliebtesten Nahrungsergänzungsmitteln der Deutschen. Ein bisschen mehr kann nicht schaden, so die weit verbreitete Ansicht.
Skorbut, die Geißel der Seefahrer
Bei dauernder Unterversorgung mit Vitamin C erkrankt der Mensch an Skorbut, für Seefahrer über Jahrhunderte eine der schlimmsten Geißeln. Denn auf hoher See bestand der Speiseplan früher meist nur aus gepökeltem Fleisch, Zwieback und Fisch. Für viele Besatzungsmitglieder hatte diese Mangelernährung tödliche Folgen:
"Das Zahnfleisch wucherte ihnen so über die Zähne, dass sie nichts mehr essen konnten. Außerdem schwollen ihnen die Beine an und sie bekamen am ganzen Körper große Geschwüre, die einen Mann so herunterwirtschafteten, bis er starb“, schildert um 1500 ein Begleiter des Entdeckers Vasco da Gama die Leiden an Bord.
Zwei Entdecker, aber nur ein Nobelpreis
Mitte des 18. Jahrhunderts findet der Schiffarzt James Lind durch Versuche mit Matrosen heraus, dass unter anderem der Verzehr von Zitrusfrüchten Skorbut verhindert. Kapitän James Cook vertraut Linds Entdeckung. Auf seiner Reise in die Südsee versorgt er seine Mannschaft mit Zitrussaft, Sauerkraut und bei Landgängen mit Obst und Gemüse. Als Cook nach drei Jahren wieder in England eintrifft, hat er nicht einen Mann durch Skorbut verloren.
Die Isolierung von Vitamin C aber gelingt erst im 20. Jahrhundert. In Pittsburgh gewinnt der US-Biochemiker Charles Glen King aus Zitronensaft ein farbloses, kristallines und saures Pulver. 1932 publiziert er seine Entdeckung in den USA. Zwei Wochen später veröffentlicht der Mediziner Albert Szent-Györgyi in Ungarn ebenfalls die Isolierung von Vitamin C, dem er bereits seit fünf Jahren auf der Spur war. 1937 wird Szent-Györgyi für diese Leistung mit dem Nobelpreis geehrt; der Amerikaner King geht leer aus.
Kein Nutzen durch Überdosierung
Vitamin C ist an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligt. So unterstützt es den Aufbau von Bindegewebe, verbessert die Eisenaufnahme im Darm und wird als Radikalfänger und Antioxidans gerühmt. Lauter gute Eigenschaften, die sich die Pharmaindustrie zu Nutze macht, um Vitamin C als Wunderwaffe zur Stärkung der Immunabwehr anzupreisen – unnötigerweise, sagt der Bonner Ernährungsphysiologe Peter Stehle: "Wir haben sehr viele Gemüsesorten, Zitrusfrüchte und auch heimische Obstarten mit hohem Vitamin-C-Gehalt."
Dennoch werden jährlich weltweit über 100.000 Tonnen Vitamin C hergestellt und gekauft. Dabei richtet selbst eine kurzfristige Unterversorgung keinen Schaden an und viel hilft eben nicht viel, wie Stehle betont: "Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass eine Überdosierung über eine bestimmte Empfehlung hinaus in irgendeiner Weise einen höheren Schutz bietet." Zumal der menschliche Körper Vitamin C gar nicht in beliebigen Dosen aufnehmen kann. Überschüssiges wird über die Nieren mit dem Urin wieder ausgeschieden.
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