Fritz Teufel kommt aus einer miefigen, spießigen Familie. So jedenfalls empfindet er es selbst. 1943 als jüngstes von sechs Kindern in Ingelheim geboren, gilt ihm die Konstellation von Vater, Mutter, Kind als kleinste Keimzelle des Faschismus - und, allgemeiner, des verhassten Staats.
Als Germanistikstudent will Teufel in Berlin alles anders machen. Im Januar 1967 gründet er deshalb mit Dieter Kunzelmann und anderen Männern und Frauen die Kommune I, die sich zunächst in den leerstehenden Wohnungen der auf Reisen befindlichen Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger und Uwe Johnson versammelt, bevor sie im zweiten Stock eines Hinterhauses im Stephankiez eine stete Heimat findet. Im März 1967 stößt auch noch Rainer Langhans dazu, der ein Jahr später das Fotomodel Uschi Obermaier mitbringt.
Den Kommunarden geht es um freie Liebe, die Ablehnung von Eigentum, Spaß und Politik - und, vor allem, um Aufmerksamkeit und sich selbst.
"Mordversuch" mit Puddingpulver
"1871 gab’s mal die Pariser Commune“, sagt der Wortführer der Studentenbewegung Rudi Dutschke, der allerdings schon im Vorfeld der Kommunengründung abspringt. "Ein Vorbild für uns, Modell für die Zukunft." Die Commune ist eigentlich ein revolutionärer Stadtrat, der versucht, Paris nach sozialistischen Grundsätzen zu verwalten. So konkret politisch sind die Berliner Kommunarden nicht. Sie setzen bei ihren Aktionen eher auf die "Macht der Gaudi", wie es in einem ihrer Flugblätter heißt.
Eine der bekanntesten Aktionen der von Teufel proklamierten "Spaß-Guerilla" aus der Kommune I ist das so genannte Pudding-Attentat auf Hubert H. Humphrey. Bei seinem Besuch in Berlin soll dem US-amerikanischen Vizepräsidenten eine qualmende Mischung aus Mehl, Eiern, Schlagsahne, Puddingpulver und "Rauch" entgegengeschleudert werden. In letzter Sekunde kann die Polizei den mit spaßiger Ernsthaftigkeit geplanten Anschlag verhindern. Elf Kommunarden werden verhaftet, nach drei Tagen aber wieder freigelassen. In den Zeitungen ist trotzdem von "Mordversuch" die Rede.
Befreiendes Lachen?
1967 protestieren Studenten gegen den Besuch des Schahs von Persien. Dabei wird nicht nur der Student Benno Ohnesorg von der Polizei erschossen, sondern auch Fritz Teufel wegen eines angeblichen Steinwurfs verhaftet. Als zum Prozessauftakt im Kriminalgericht Mohabit der Richter den Saal betritt, bleibt Teufel als einziger demonstrativ sitzen und wird vom Richter aufgefordert, sich zu erheben. Teufels trotzige Antwort: "Naja, wenn es der Wahrheitsfindung dient", schreibt Geschichte. Laut Prozessberichterstatter Uwe Wesel verändert der Satz die gesamte Gerichtskultur: "Die Bundesrepublik lachte, und es war ein befreiendes Lachen, nämlich eine Befreiung vom autoritären Ton in den Sälen der Justiz."
Anderes findet die Bundesrepublik allerdings weniger lustig. Als die Kommune I nach einer Brandkatastrophe in einem Brüsseler Kaufhaus mit über 300 Todesopfern im Mai 1967 unter dem Titel "Wann brennen die Berliner Kaufhäuser?" ein Flugblatt veröffentlicht, das den Brand satirisch als Übertragung des Vietnamkriegs auf Europa begrüßt, geht ein Sturm der Entrüstung durchs Land. Kritik der ernsten Linken, Eifersüchteleien, Machtkämpfe und Drogen tun ein Übriges, um die Gruppe zu zermürben. Als im November 1969 Rocker in die Räume eindringen und das Mobiliar zertrümmern, löst sich die Kommune I endgültig auf.
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Stichtag am 13.12.2017: Vor 5 Jahren: Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" havariert im Mittelmeer