25. September 1983, Satellitenüberwachungsanlage der Sowjetunion, rund 100 Kilometer südlich von Moskau: Oberstleutnant Stanislaw Petrow tritt am Abend seinen Dienst an. Die Überwachung des gegnerischen Luftraums liegt in seiner Verantwortung, weil er die Schicht für einen verhinderten Kollegen übernommen hat.
Zunächst verläuft alles wie gewohnt - bis kurz nach Mitternacht, am 26. September um 0:15 Uhr Moskauer Zeit, der Alarm losgeht. Das computergesteuerte russische Frühwarnsystem meldet den Start einer US-Atomrakete in Nordamerika.
Raketenhagel erwartet
Die russischen Streitkräfte machen sich bereit, den Gegenschlag auszulösen. Doch Petrow ist skeptisch. Die Angriffsszenarien des Kalten Kriegs gehen bei einem Erstschlag mit Atomwaffen von einem Raketenhagel aus. Er meldet deshalb einen Fehlalarm.
Doch noch während er mit dem Generalstab telefoniert, zeigt der Computer vier weitere Raketenstarts an. Seinem Vorgesetzten erklärt Petrow, auch dies sei ein falscher Alarm. Er kläre, was gerade passiert sei.
Heiße Phase des Kalten Krieges
Die internationale politische Situation ist bereits seit längerem angespannt. US-Präsident Ronald Reagan hatte die Sowjetunion als "Reich des Bösen" beschimpft. Gemäß des NATO-Doppelbeschlusses wollen die Amerikaner in Westeuropa Pershing-II-Raketen stationieren. Sie seien ein Ausgleich zu den SS-20-Atomraketen, die die Sowjetunion in Osteuropa aufgebaut habe.
Verschärft wird die Lage zusätzlich durch den sowjetischen Abschuss eines südkoreanischen Passagierflugzeugs am 1. September 1983. Eine militärische Eskalation wäre durchaus denkbar.
Sonnenstrahlen fehlinterpretiert
Doch Petrow bleibt bei seiner Einschätzung. Später zeigt sich, dass sein Misstrauen gegenüber der Computertechnik gerechtfertigt ist. Das Überwachungssystem hatte Reflexionen des Sonnenlichts an Wolken über einer amerikanischen Luftwaffenbasis als Raketenstarts fehlinterpretiert.
Petrows Handeln wird erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bekannt. "Das Schlimmste in dieser Nacht war, dass ich massive Zweifel hatte, ob meine Entscheidung richtig war", sagt er 2006 vor den Vereinten Nationen in New York. "Aber zum Glück war sie es." Er sei kein Held. "Ich war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort."
Gefahr besteht weiter
Bis zu seinem Tod am 19. Mai 2017 warnt Petrow vor einem Atomkrieg. Die Gefahr sei keineswegs gebannt. Trotz aller Abrüstungsmaßnahmen existierten noch immer genügend Atomsprengköpfe, um die Menschheit auszulöschen.
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