15. Juli 1868 - Todestag des Anästhesie-Pioniers William G. Morton

Stand: 15.07.2018, 00:00 Uhr

Im Vergleich zu früher ist Zähneziehen heute Kinderkram. Bis in die Neuzeit besorgen Barbiere und Quacksalber das blutige Geschäft des "Zähnebrechens" auf Marktplätzen mit riesigen Zangen. Und bisweilen hängt am gezogenen Zahn auch noch ein Stück Kieferknochen.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein sind schmerzfreie chirurgische Eingriffe generell eine Illusion. Allerdings kennen auch schon Heiler und Schamanen Mittel wie Opium, Mandragora oder Bilsenkraut, die auf Schwämme geträufelt oder getrocknet verabreicht werden: schmerzstillend, aber eben auch hochgiftig. Bewegung in die Betäubung bringen erst William G. Morton und sein Kollege Horace Wells.

William Morton, Zahnarzt (Todestag 15.07.1868)

WDR 2 Stichtag 15.07.2018 04:16 Min. Verfügbar bis 12.07.2028 WDR 2


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Statt Lachgas Schwefeläther

Geboren wird Morton 1819 in Charlton im US-Bundesstaat Massachusetts. Zunächst verdingt er sich als Angestellter, Drucker und Kaufmann in Boston, dann studiert er Kieferchirurgie am Baltimore College; 1842 eröffnet er eine Zahnarztpraxis in Baltimore, wo er mit Wells zusammenarbeitet. Dieser präsentiert 1844 erstmals öffentlich Lachgas, das wegen seiner euphorisierenden Wirkung bereits eine Art Partydroge ist, als Betäubungsmittel – allerdings ohne nennenswerten Erfolg: vor allem auch, weil der Patient erwacht und schreiend das Weite sucht.

Morton hat zunächst mehr Erfolg. Statt auf Lachgas setzt er auf Schwefeläther; 1846 macht er seinen ersten Versuch mit einem Probanden. "Ich tränkte ein Taschentuch damit und gab es ihm zu Inhalieren", wird er das Experiment im Nachhinein beschreiben. "Er verlor fast augenblicklich das Bewusstsein, während ich einen fest verwurzelten Backenzahn herauszog. Binnen einer Minute erholte er sich und wusste nichts von dem, was mit ihm geschehen war."

"Gentlemen, this is no humbug!"

Nach dem gelungenen Experiment versammelt Morton die medizinischen Koryphäen Baltimores im OP der Universität, wo er den angesehenen Chirurgen John Warren nach der von ihm vollführten Narkose des Patienten einen Tumor am Hals entfernen lassen will. Wie bei Horace, so erwarten wohl auch viele der anwesenden Mediziner einen Misserfolg. Auch Warren rechnet damit, muss aber verblüfft feststellen, dass die Schmerzensschreie ausbleiben. "Gentlemen, this is no humbug!", soll er entzückt ausgerufen haben.

Morton setzt alles daran, seine Narkosemethode patentieren zu lassen, um damit reich zu werden – vergeblich. Äther ist eine frei zugängliche Substanz, und darüber hinaus keine schützenswerte Neuentwicklung. Die Prozesse ruinieren Morton an Leib und Seele. Er stirbt am 15. Juli 1868 in den Slums von New York.

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