Sabiha Gökçen, erste Kampfpilotin der Welt Erste Kampfpilotin der Welt

Stichtag

22. März 2001 - Sabiha Gökçen stirbt in Ankara

Bursa, eine aufstrebende Metropole südlich von Istanbul, 1925: Hier lebt die 12-jährige Sabiha mit ihren Geschwistern, als hoher Besuch in der Nachbarschaft eintrifft: Mustafa Kemal, Gründer der türkischen Republik, später Atatürk ("Vater der Türken") genannt. "Einmal sah ich ihn im Garten und lief zu ihm", erinnert sich Sabiha später. "Dann erzählte ich, dass ich gern eine weiterführende Schule besuchen würde." Atatürk habe sie gefragt, ob sie als seine Adoptivtochter mit ihm kommen wolle. Die Begegnung verändert Sabihas Leben schlagartig: Das mittellose Mädchen, das am 21. März 1913 in Bursa geboren wurde und früh die Eltern verlor, bekommt eine neue Familie. Atatürk sorgt für eine gute Ausbildung und gibt ihr 1934 den neuen Nachnamen Gökçen - was auf Deutsch so viel wie "himmelsbezogen" heißt.

Ein Jahr später entwickelt Gökçen während einer Flugshow ihre Leidenschaft für die Fliegerei. Mit Atatürks Segen absolviert sie als erste Pilotin die Akademie der neuen türkischen Fluggesellschaft "Türk Kuþu" ("Türkischer Vogel"). "Weil ich so klein war, mussten die Pedale an meine Größe angepasst werden", sagt Gökçen. "Dieses Spezialflugzeug konnte nur ich fliegen, also absolvierte ich mehr Flugstunden als andere."

Aushängeschild für Atatürks Reformen

In den 1930er Jahren wird Atatürks Adoptivtochter zum Aushängeschild seiner Reformpolitik - als Beispiel für die angestrebte Gleichstellung von Mann und Frau. Die Emanzipation der Frau habe für Atatürk allerdings einen instrumentellen Charakter gehabt, sagt Yavuz Köse, Turkologe an der Universität Hamburg. Die gebildete Staatsbürgerin habe aus Sicht des Staatsgründers eine Funktion zu übernehmen: als moderne Frau, "die zur Idee des türkischen Nationalismus etwas beizutragen hat". So vertraut Atatürk seiner Adoptivtochter nach deren ersten Alleinflug an: "Kannst du dir vorstellen, wie stolz wir wären, wenn ein türkisches Mädchen die erste Kampfpilotin der Welt sein würde?"

Atatürks Wunsch ist für Sabiha patriotische Pflicht. 1937 beteiligt sich Gökçen auf eigenen Wunsch an einem Kampfeinsatz gegen aufständische Kurden in der ostanatolischen Provinz Dersim - was ihr später von Kritikern vorgeworfen wird. Bei der Niederschlagung des Kurdenaufstandes soll es auch bei der Zivilbevölkerung zu großen Verlusten gekommen sein.

Namensgeberin für Istanbuler Flughafen

Nach dem Einsatz in Dersim arbeitet Gökçen vorwiegend als Ausbilderin bei der türkischen Luftwaffe. Im Juni 1938 macht sie mit einer Flugreise über den Balkan erneut Schlagzeilen - wieder ganz im Sinn von Atatürk. Nach dessen Tod im November 1938 wird es allerdings stiller um Gökçen. Ende Januar 1951 melden die internationalen Presseagenturen, dass sie sich freiwillig nach Korea gemeldet habe, um dort als Kampffliegerin bei den UN-Truppen Dienst zu leisten. 1955 lässt sie sich pensionieren, fliegt aber noch bis 1964 privat. Kurz vor ihrem Tod wird in Istanbul der zweitgrößte Flughafen des Landes nach Gökçen benannt. Dabei wird sie ausdrücklich als aktive Kampffliegerin geehrt, was für Konflikte zwischen Verehrern und Kritikern sorgt. Sabiha Gökçen stirbt am 22. März 2001, einen Tag nach ihrem 88. Geburtstag.

Stand: 22.03.2011

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