Der Überraschungsgast ist weiß, vier Meter lang und etwa 35 Zentner schwer. Im Mai 1966 schwimmt ein Belugawal den Niederrhein entlang und löst eine wochenlange, in der Öffentlichkeit umstrittene Fangaktion aus. Doch "Moby Dick", der weiße Wal, entgeht seinen Verfolgern. Nach einigen Ehrenrunden zwischen Duisburg und den Niederlanden findet er in die Nordsee zurück und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Weniger Glück als "Moby Dick" ist einem Wal-Verwandten beschieden, der knapp 40 Jahre später der britischen Hauptstadt einen Sensationsbesuch abstattet. Die Londoner trauen ihren Augen kaum, als am Freitag, dem 20. Januar 2006 vor Big Ben ein Nördlicher Entenwal auftaucht. Nie zuvor hat jemand solch ein exotisches Schwergewicht in der Themse gesichtet.
Lärmende Unterwasserwelt
Seit dem Auftauchen von "Moby Dick" sind Wal-Strandungen weltweit immer häufiger zu trauriger Realität geworden. Ganze Kolonien der riesigen Meeressäuger haben bereits gleichzeitig ihre Heimat in der Tiefsee verlassen, um in seichte Gewässer zu flüchten, wo ihnen der Tod sicher ist. In die Irre geleitet wurden sie - ebenso wie der Entenwal in der Londoner Themse - durch Störungen ihres hochempfindlichen Sonar-Ortungssystems. Davon jedenfalls ist Harald Benke, Direktor des Deutschen Meeresmuseums, überzeugt: "Der immer stärker werdende Lärm unter Wasser, durch Erdölförderung, militärische Sonare und Schiffsmotoren, hat auch seinen Teil dazu beigetragen."
Tod vor der Themse-Mündung
Mehr als 24 Stunden irrt der sechs Meter lange, tonnenschwere Entenwal (Hyperoodon ampullatus) an Londons City entlang die Themse hinauf - verfolgt von Bootsflotten, Helikoptern und einer großen Menge von Schaulustigen am Ufer. Alle Versuche, den "Prince of Whales", so einer seiner Kosenamen, in der nur sechs bis acht Meter tiefen Themse zur Umkehr zu bewegen, scheitern. Am Samstagmittag schließlich strandet der sonst in tausenden von Metern Tiefe lebende Koloss mit blutig gescheuertem Bauch bei Ebbe am Strand von Chelsea.
Geschützt durch einen Schlauchkragen und unter ständigen Wassergüssen hieven die Retter den Wal mit einem Kran auf einen Schleppkahn. Doch die Fahrt zur 60 Kilometer entfernten Themsemündung ist zu viel für das ausgemergelte Tier. Gegen 19 Uhr stellt ein Veterinär seinen Tod fest. Ganz England trauert um "Big Blubber", den Themse-Wal. Eine rote Gießkanne, die beim Benässen des Verirrten zum Einsatz kam, findet im Internet für 2.000 Euro einen Liebhaber.
Stand: 20.01.2011
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