Wolfgang Kerl hat großes Glück gehabt. Nach einer Herzmuskelentzündung erleidet der 62-Jährige aus Kassel im August 2008 einen Herzstillstand und schwebt in akuter Lebensgefahr. Jede Stunde zählt; mit Blaulicht und Sirene wird Kerl in das Deutsche Herzzentrum Berlin gebracht. Dort pflanzt Klinikchef Roland Hetzer dem Patienten sofort ein künstliches Herz in den Bauchraum. Seither garantiert die von einer Batterie angetriebene Kreiselpumpe Wolfgang Kerls Überleben.
Mehr als 150 künstliche Herzen transplantieren die Berliner Experten jedes Jahr, Tendenz steigend. Damit verfügt die Klinik, die seit 1986 über 60.000 Operationen am offenen Herzen durchgeführt hat, heute über das größte Kunstherzprogramm der Welt. Ihre Gründung vor 25 Jahren war allerdings höchst umstritten.
Bedarfsdeckung aus dem Osten
Im Frühjahr 1986 wagt der Berliner Chirurg Emil Bücherl am Charlottenburger Klinikum Westend die erste Kunstherztransplantation in Deutschland. Während die Pionierleistung eine heftige Diskussion über Ethik und Moral der Apparatemedizin auslöst, wird am 29. April 1986 im Bezirk Mitte das Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB), eines der größten und modernsten Kardiologiezentren Europas, eröffnet. Doch für die über 80 Millionen D-Mark teure Hochleistungsklinik für Thorax, Herz- und Gefäßerkrankungen besteht eigentlich kein Bedarf. Bücherls Klinikum im Westend bietet hervorragende und für die rund zwei Millionen Einwohner der Noch-Inselstadt Westberlin völlig ausreichende Kapazitäten. So muss das DHZB viele seiner Patienten zunächst auf dem teuren Luftweg nach Berlin einfliegen lassen.
Drei Jahre nach der Eröffnung ändert sich die Lage mit dem Fall der Mauer grundlegend. Zunächst erlebt das Deutsche Herzzentrum einen enormen Zustrom an Patienten aus der DDR, die bislang nicht versorgt werden konnten. In den folgenden Jahren avancieren die Experten des DHZB für Tausende Herzkranke aus aller Welt zur letzten Hoffnung. Die meisten, darunter auch Russlands Ex-Präsident Boris Jelzin, kommen aus den ehemaligen Ostblockstaaten.
Puppen auf dem OP-Tisch
Weltweit höchstes Renommée genießt die 1987 von Roland Hetzer aufgebaute Spezialabteilung für angeborene Herzfehler und Kinder-Herzchirurgie. Um den besonderen Anforderungen von Kinder- und Säuglingskörpern gerecht werden zu können, richtet Hetzer am DHZB parallel die erste Akademie für Kardiotechnik auf dem europäischen Kontinent ein. Denn Kleinst-Kunstherzen gibt es bis dato ebenso wenig wie eine geregelte Ausbildung zur Bedienung komplizierter Apparate wie etwa der Herzlungenmaschine.
Operation beendet, Patient tot? Dann alles wieder auf Anfang. Das ermöglicht Hetzers jüngste Innovation am DHZB. In Deutschlands erstem Simulations-OP können angehende Herzchirurgen und Kardiotechniker seit kurzem jeden Operationsschritt an detailgetreu nachgebildeten Puppen unter realistischen Bedingungen üben – bis es heißt: OP geglückt, Patient lebt.
Stand: 29.04.2011
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