Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßt den russischen Präsidenten Wladimir Putin (r.) am 25.09.2001 im Bundestag

Stichtag

25. September 2001 - Wladimir Putin spricht im Bundestag

Genau zwei Wochen nach den Terroranschlägen in New York kommt der neue russische Präsident nach Deutschland: Wladimir Putin, gerade 20 Monate im Amt, wird im Bundestag reden. Eine Ehre, die sonst nur renommierten Staatsmännern zuteilwird. Aber nach dem 11. September schaut die Welt aus Russland: Wo und wofür steht Putin in dieser Situation?

Es ist ein feierlicher Moment, als Putin am 25. September 2001 das Plenum betritt, hinter ihm Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), an seiner Seite Parlamentspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Die Anspannung ist Putin nur zu Beginn seiner Rede anzumerken. "Nach einigen Anfangssätzen wechselte er ins Deutsche", erinnert sich Thierse. Schon als Student hat Putin deutsch gelernt und später seine Sprachkenntnisse als Offizier des Auslandsgeheimdienstes in der DDR verfeinert.

"Der Kalte Krieg ist vorbei"

Er rede nun, sagt Putin im Bundestag, in der Sprache von Goethe, Schiller und Kant: "Russland ist ein freundlich gesinntes Land." Dessen Hauptziel sei der stabile Frieden auf dem Kontinent. Die Militäraktion der USA gegen Al-Qaida in Afghanistan werde man unterstützen, den Luftraum Russlands und der befreundeten mittelasiatischen Staaten für die Amerikaner öffnen. Der russische Geheimdienst arbeite mit den USA zusammen. "Heute können wir mit Bestimmtheit und endgültig erklären: Der Kalte Krieg ist vorbei!"

Nun gelte es, so Putin, den Krieg gegen den Terror zu führen. Auch sein Feldzug gegen die nach Unabhängigkeit strebende Republik Tschetschenien sei als Krieg gegen den Terror zu verstehen: "Internationale Terroristen haben offen ihre Absicht erklärt über die Schaffung eines neuen fundamentalistischen Staates zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer." So seine Begründung für den zuvor erfolgten Einmarsch in Tschetschenien. Eine weitere, noch zweifelhaftere liefert er dann: "Infolge von Explosionen bewohnter Häuser in Moskau kamen Hunderte friedlicher Menschen ums Leben."

"Die Deutschen waren naiv"

Was Putin nicht sagt: Der russische Geheimdienst ist, so glauben kritische Beobachter, 1999 in die Anschläge auf die zwei Moskauer Wohnhäuser verwickelt. Der Tod von mehr als 300 Menschen habe ihm als Anlass für den Einmarsch gedient.

Trotzdem bekommt Putin viel Applaus im Bundestag. Zum Zeitpunkt seiner Rede herrscht Putin-Euphorie in Deutschland. "Die Deutschen waren ebenso naiv wie der überwiegende Teil der russischen Gesellschaft", sagt Lilia Tschewsowa vom regierungskritischen Carnegie Center in Moskau. "Sie glaubten, dass Putin aus Russland einen zivilisierten Rechtsstaat machen wird." Doch schon damals habe er damit begonnen, "die Freiheit der Parteien einzuschränken, mit Gewalt die unabhängigen Fernsehstationen aufzulösen und die Macht in seinem Sinne zu zentrieren".

Stand: 25.09.2011

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