Im Juli 1801 stürzen im Münchner Thiereckgässchen zwei Hinterhäuser ein. Die meisten Bewohner können fliehen, der Lehrling des Spiegelmachers aber wird unter dem Schutt begraben. Kurfürst Max IV. kommt persönlich vorbei, um sich ein Bild vom Unglück zu machen. So wird er Zeuge, wie der Lehrjunge eine Hand aus den Trümmern steckt. "Man steckte ihm Schnupftücher zu, die mit Wasser und Essig getränkt waren", heißt es im zeitgenössischen Polizeibericht, "und brachte ihn endlich nach vierstündiger Arbeit ans Tageslicht".
Der Lehrling des Spiegelmachers ist Joseph von Fraunhofer. Mit dem Geld, das er vom gerührten Kurfürsten nach seiner Rettung geschenkt bekommt, kann er sein unglückliches Leben ändern.
Von Theorie und Praxis
Geboren wird Fraunhofer am 6. März 1787 im niederbayerischen Straubing. Die Mutter stirbt bei einem Treppensturz, als der Junge zehn Jahre alt war. Ein Jahr später verliert er auch den Vater. Seine Vormünder schicken ihn nach München zu einem Spiegelmacher in die Lehre. Hier muss er von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten und in einer fensterlosen Kammer hausen.
Dann wird der Unternehmer Joseph von Utzschneider auf Fraunhofer aufmerksam. Er lässt ihn zur Feiertags- und Sonntagsschule gehen, wo er mit Lehrbüchern der Optik in Berührung kommt. Vom Geld des Kurfürsten kauft sich Fraunhofer aus der Spiegelmacherlehre frei und investiert in eine Glasschneidemaschine. In der optischen Werkstatt Utzschneiders darf er als Lehrling Linsen schleifen und polieren und dabei seine Kenntnisse in der Glasherstellung praktisch vervollkommnen.
Bester Optiker seiner Zeit
Als junger Meister experimentiert Fraunhofer an der Herstellung optischer Linsen für Fernrohre und Mikroskope. Dabei gelingt es ihm erstmals, die Brechung des Spektrallichts der Sonne durch die Linse so auszugleichen, dass keine farbigen Ränder um die Gegenstände herum entstehen. 1817 stellt er seine Erkenntnisse zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit vor.
Mit diesen "achromatischen" Linsen, die er in Fernrohre einbaut, aber auch für Mikroskope und Brillen nutzt, erwirbt sich Fraunhofer den Ruf, der beste Optiker seiner Zeit zu sein. Berühmte Astronomen wie Carl Friedrich Gauss oder John Herschel reißen sich um seine Teleskope.
Adelsprädikat für die wissenschaftliche Leistung
Sein Meisterstück aber gelingt Fraunhofer mit dem "Dorpater Refraktor": einem 1824 in der Sternwarte des russischen Ortes Dorpat zur Erforschung von Doppelsternen in Betrieb genommenen Linsenfernrohr mit 4,11 Metern Brennweite, das alles bisher technisch Machbare in den Schatten stellt. Das Produkt beeindruckt so sehr, dass Fraunhofer noch im selben Jahr den Zivildienstorden der bayerischen Krone verliehen wird, der mit dem Adelsprädikat "von" verbunden ist.
Aber der Ruhm in der Wissenschaft erfordert auch viel Arbeit. Joseph von Fraunhofer hat keine Zeit für ein Privatleben, seine Gesundheit leidet stark. Der beste Optiker der Welt stirbt 1826 mit nur 39 Jahren in München. "Er brachte uns die Sterne näher", lässt König Ludwig I. von Bayern auf Fraunhofers Grabstein schreiben.
Noch heute steht Fraunhofers Name für Forschung mit praktischem Nutzen. Die Fraunhofer-Gesellschaft, die größte Organisation für anwendungsorientierte Forschung in Europa, ist nach ihm benannt.
Stand: 06.03.2012
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. März 2012 ebenfalls an Joseph von Fraunhofer. Auch das "Zeitzeichen" gibt es als Podcast.