Dank Willenskraft und purer Muskelmasse ist Arnold Schwarzenegger eine der außergewöhnlichsten Selfmade-Karrieren unserer Zeit gelungen. Auf seinem Weg zum berühmtesten Bodybuilder der Welt, zum Hollywood-Star und US-Gouverneur nahm sich der Grazer den Werdegang von Eugen Sandow zum Vorbild. Der Erfinder des Bodybuilding kommt am 2. April 1867 im ostpreußischen Königsberg zur Welt.
Ob der als Friedrich Wilhelm Müller geborene Sohn eines Gemüsehändlers tatsächlich, wie von ihm behauptet, in Göttingen studiert hat, darf bezweifelt werden. Sicher ist, dass sich Müller auf der Flucht vor dem Militär als "Kraftmensch" einem Wanderzirkus anschließt und schließlich in Brüssel landet. Dort wird er 1887 von Louis Durlacher, als "Professor Attila" eine Koryphäe des Kraftsports, entdeckt. Durlacher fördert den ehrgeizigen Athleten und gibt ihm den Künstlernamen Eugen Sandow.
Muskelaufbau gegen männliche Rollenkrise
Zunächst versetzt Sandow sein Publikum in Europa und Amerika mit traditionellen Herkules-Taten in Erstaunen, indem er Gewichte, Menschen und Pferde stemmt. Doch bald verzichtet er auf Kraftakte, studiert die Posen griechischer Statuen und erarbeitet ein Training, um die Maße des klassischen Ideals zu erreichen. 1893 entdeckt der US-Show-Impresario Florence Ziegfeld den Modellathleten und präsentiert ihn als Attraktion auf der Weltausstellung in Chicago. Mit Posen, die seine Muskelpakete eindrucksvoll schwellen lassen, reißt der Bodybuilding-Urvater das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin und löst in Amerika einen völlig neuen Körperkult aus.
Sandows Darbietungen und von ihm verfasste Trainingsbücher treffen den Nerv der Zeit, denn der moderne Mann des ausgehenden 19. Jahrhunderts leidet. Das kraftstrotzende Pioniermodell des "protector and provider", des Beschützers und Ernährers der Familie, ist veraltet; der Lebensunterhalt wird nun immer häufiger in Büros verdient. Schlaffe Muskeln und "Schreibtischkrankheiten" wie Nacken- und Rückenschmerzen sind die weit verbreiteten Folgen. Auch nervöse Störungen und Depressionen nagen massiv am maskulinen Selbstwertgefühl. Da verwandeln Kraftübungen nach Eugen Sandows Methode Neurotiker und untrainierte Schlaffis endlich wieder in gesunde Männer und stolze Sexsymbole.
Berater von König und Präsident
Als Medienstar, der sogar von Thomas Alva Edison in einem Kurzfilm verewigt wird (bei Youtube zu sehen), kehrt Eugen Sandow nach Europa zurück. 1897 eröffnet er in London das "Physical Culture Studio", die erste "Mucki-Bude" der Welt, dem schnell weitere Studios im ganzen Land folgen. Nach der Prüderie der viktorianischen Ära lösen Sandows selbst entwickelte Trainingsgeräte, seine Ernährungsprogramme und auflagenstarken Kraftsportbücher in England einen wahren Körper- und Fitnessboom aus.
Als er 1901 in der Royal Albert Hall den ersten Bodybuilding-Wettkampf ausrichtet, zieht das Ereignis 15.000 Zuschauer an; Sherlock-Holmes-Erfinder Sir Arthur Conan Doyle persönlich betätigt sich als Punktrichter. Auf ausgedehnten Welttourneen verwandelt Sandow seine Muskelspiele geschäftstüchtig in klingende Münze. Englands König Georg V. beruft ihn zu seinem persönlichen Trainer; US-Präsident Theodore Roosevelt macht ihn zum Gesundheitsberater der Nation. Mit nur 58 Jahren stirbt Eugen Sandow am 14. Oktober 1925 völlig überraschend an den Folgen eines Schlaganfalls. Bis heute trainieren Bodybuilder nach seinen Anweisungen.
Stand: 02.04.2012
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