Laendregal mit Schreibheften verschiedener DIN-Formate

Stichtag

18. August 1922 - DIN 476 "Papierformate" veröffentlicht

Ein ausgemachter Hang zur Ordnung gilt im Ausland als charakteristisch für das deutsche Wesen. Ordnung entsteht durch Normen und so ist es wohl kein Zufall, dass eine der bedeutendsten Einrichtungen für Normen in Deutschland beheimatet ist. Mit 32.000 registrierten Richtlinien ist das Deutsche Institut für Normung in Berlin (DIN) weltweit führend. Jährlich kommen etwa 2.400 DIN-Normen hinzu. Von der PC-Maus über Kleidung bis zum Krümmungsgrad von Gurken – unser gesamter Alltag ist heute genormt.

Viele deutsche Normen sind inzwischen als EN oder ISO-Norm auch Europa- oder weltweit gültig. So etwa eine der ältesten und am weitesten verbreiteten Normen, der bereits jedes Schulkind begegnet, wenn es beim Kauf von Schulheften und Notizblöcken um das Format geht. DIN A4 oder DIN A5 lautet dann die Frage. Die Grundlage zur Berechnung der Größe von Papier ist am 18. August 1922 in Berlin als DIN 476 "Papierformate" veröffentlicht worden.

Einheitsformate als Umweltschutz

Damals arbeitet der 36-jährige Mathematiker Dr. Walter Porstmann an dem fünf Jahre zuvor als "Normenausschuß der deutschen Industrie" gegründeten Berliner Institut. Täglich muss Porstmann Briefe und Akten in verschiedensten Formaten bearbeiten, nichts passt größenmäßig zusammen. Das Chaos erfordert eine Unzahl von Ordnern, Heftern und Briefumschlägen oder es muss ständig an überstehenden Rändern herumgeschnippelt werden. Ein Zehntel des Papiers geht so verloren, was Porstmann nicht nur als ordnungsliebenden Bürokraten, sondern auch als frühen Umweltschützer erheblich stört.

"Der Gewinn, der sich aus der Vereinheitlichung der Papierformate für die Allgemeinheit ergibt, ist besonders deswegen hoch anzuschlagen, weil er eine Schonung unserer kostbarsten Güter, der Wälder, bedeutet", argumentiert Porstmann. Sein Vorschlag zur Vereinheitlichung beruht auf einem rechteckigen Blatt mit der Grundfläche von einem Quadratmeter, dem sogenannten Format DIN A0. Das Verhältnis der beiden Seiten zueinander beträgt dabei 1:√2 – eine Formel, die 400 Jahre zuvor bereits der Universalgelehrte Georg Christoph Lichtenberg angeregt hatte, ohne sich damit durchsetzen zu können.

Sonderweg der Zeitungsverleger

Alle kleineren Formate entstehen durch die Halbierung des Grundformates. DIN A0 einmal gefaltet ergibt DIN A1, zweimal gefaltet ergibt DIN A2, eine weitere Faltung DIN A3 und bei viermaliger Faltung erhält man die Briefpapier-Größe DIN A4. Bereits im Sommer 1922 übernimmt das Bezirksamt Wunsiedel als erste Behörde die als DIN 476 veröffentlichte Papier-Norm als Standard. Innerhalb von 14 Jahren verbreiten sich die neuen einheitlichen Formate in ganz Deutschland. Ihr Begründer Walter Porstmann, der sich zeitlebens auch für die Kleinschreibung einsetzt, wird 1944 mit dem DIN-Ehrenring ausgezeichnet. Nach seinem Tod 1959 erhält er in Berlin ein Ehrengrab.

Eine im Papier-Bereich bedeutende Branche verweigert sich allerdings Porstmanns DIN-Norm: die Zeitungsverlage, deren Blätter weiter in rund 60 verschiedenen Formaten erscheinen. Erst 1973 einigen sich die Verleger mit der DIN 16604 auf eine eigene Norm mit fünf Hauptgrößen: Nordisch, Rheinisch, Berliner, Schweizer und Tabloid. Aus Porstmanns DIN 476 wird 1975 die internationale Norm ISO 216 entwickelt, die sich mit ihrem Briefformat A4 auf der ganzen Welt durchsetzt. Lediglich die USA und Kanada berechnen ihre Papierformate weiter nach Zollmaßen.

Stand: 18.08.2012

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