Im August 1487 verlassen zwei portugiesische Karavellen mit ihrem Versorgungsschiff in geheimer Mission die Tejomündung in Lissabon. An Bord kennt nur ihr Kommandant Bartolomeu Dias den Auftrag von König Johann II. Die Expedition soll so weit nach Süden fahren, wie es bisher noch keinem Europäer gelang.
Ziel ist die Erforschung eines Seewegs nach Indien rund um Afrika, von dem noch niemand mit Sicherheit weiß, ob es ihn überhaupt gibt.
Der Weg zu den Gewürzen
Ende des 15. Jahrhunderts hat sich Portugal zur wichtigsten Seemacht Europas aufgeschwungen. Fast die gesamte Westküste Afrikas hat die kleine Nation erforscht, aber der lukrativste Abschnitt - der Seeweg nach Indien und zu den Gewürzinseln - fehlt. Zu einer Zeit, in der Pfeffer mit Gold aufgewogen wird und Gewürze Sinnbild des Reichtums sind, verspricht eine solche Route, die die Vorherrschaft der Italiener und Araber in diesem Geschäftszweig brechen könnte, unermessliche Gewinne.
Mit Kapitän Diego Cão sind die Portugiesen schon bis nach Namibia gekommen, haben also 5.000 von 6.000 Kilometern zum Kap der Guten Hoffnung bereits zurückgebracht. Dias kann sich also bei einem Großteil seiner Reise auf die Aufzeichnungen und das Wissen seiner Vorgänger von Wind- und Meeresströmungen in der Region verlassen. Wie es danach weitergeht, ist unbekannt.
Ins Ungewisse segeln
Zunächst nimmt Dias Kurs auf Kap Verde im Westen Afrikas. Dann verlässt er die Küste und erreicht vermutlich Anfang November 1487 auf direktem Weg die Kongomündung. Von hier aus folgt er den Spuren Cãos nach Süden. Wegen Gegenwinds muss er sein schwerfälliges Versorgungsschiff zurücklasen. Im Dezember erreichen die Karavellen die Walfangbai im heutigen Namibia. Von nun an ist es eine Reise ins Ungewisse und in die Gefahr.
Tatsächlich geraten Dias' Schiffe Anfang 1488 in ein schweres Unwetter. Die Expedition wird aufs offene Meer getrieben und droht zu scheitern. Fast zwei Wochen muss der Trupp mit Segeln auf Halbmast fahren; als er endlich wieder zurücksegeln kann, findet er zunächst das Land nicht mehr. Dann endlich erreichen die Karavellen die heutige Mossel Bay etwa 360 Kilometer östlich des Kaps der Guten Hoffnung.
Einige Tage lang folgt Dias dem Verlauf der südafrikanischen Küste, bis er eine warme Strömung aus dem Norden wahrnimmt. Nun ist er sicher, dass er eine Verbindung zum Indischen Ozean – und damit einen Seeweg nach Indien – gefunden hat. Dias kann umkehren: Sein Auftrag ist erfüllt.
Vasco da Gama darf vollenden
Bei seiner Rückkehr im Dezember 1488 wird Dias eher verhalten empfangen. In den Augen seiner Zeitgenossen und des Königs hat er nur bestätigt, was die Portugiesen ohnehin schon vermutet hatten. Zwar erhält er eine schmale Pension, aber die erste Tour eines Europäers nach Indien um Afrika herum bleibt neun Jahre später Vasco da Gama vorbehalten – vermutlich, weil Johann II. diesen für den besseren Diplomaten hält.
Dennoch wird der Ökonom Adam Smith knapp 300 Jahre später schreiben: "Die Entdeckung Amerikas und die Entdeckung der Durchfahrt nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung herum sind die beiden größten und wichtigsten Ereignisse, die in der Geschichte der Menschheit verzeichnet sind."
Stand: 16.08.2012
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