Ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen in München 1972 verüben Palästinenser in Brühl einen Anschlag auf fünf Jordanier, die als abtrünnig gelten. Auch im Vorfeld der sportlichen Wettkämpfe gibt es Hinweise auf mögliche Terroraktivitäten. Eine konkrete Warnung kommt von der Dortmunder Polizei. Sie schickt ein Telex an den Verfassungsschutz, das auch nach München gelangt. Betreff: "Vermutlich konspirative Tätigkeit palästinensischer Terroristen".
Es geht um Abu Daoud, der in Dortmund den Kontakt zu Neonazis sucht und ganz offensichtlich einen Anschlag vorbereitet. Die Spur wird aus bis heute unbekannten Gründen nicht weiter verfolgt. So kann sich Abu Daoud von den Neonazis Waffen und Fluchtfahrzeuge besorgen lassen, sich im Münchner "Eden Hotel Wolff" einquartieren und das Attentat während der Olympischen Spiele vorbereiten.
"Ein Fest der Hoffnung"
Von möglichen Terrorplänen will man jedoch in München nichts wissen. Nach Hitlers Propaganda-Spielen 1936 in Berlin will sich Deutschland als freundlicher, hilfsbereiter und – vor allem – friedlicher Gastgeber präsentieren. Dem entsprechend patroullieren unbewaffnete, modisch gekleidete Polizisten auf dem Wettkampfgelände; das olympische Dorf wird nicht bewacht.
"Wie auch ein jeder zu den Olympischen Spielen stehen mag", sagt der Vorsitzende des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), Willy Daume, auf der Eröffnungsfeier am 26. August 1972 vor rund 70.000 Zuschauern im Olympiastadion, "möge er in ihnen auch ein Fest der Hoffnung erkennen, dass die Menschen das Trennende überwinden und sich achten".
Tatsächlich bestimmt zunächst der Sport das Geschehen der "Spiele der XX. Olympiade". Der US-Schwimmer Mark Spitz gewinnt bei sieben Starts sieben Goldmedaillen. Unter den deutschen Sportlerinnen werden die Leichtathletin Heide Rosendahl und die 16-jährige Ulrike Meyfarth aus Wesseling, die mit 1,90 Meter die Goldmedaille im Hochsprung holt, zu Publikumslieblingen.
Das Fernsehen sendet live
Rund zwölf Stunden nach Meyfarths Triumph ist es mit der Freude vorbei. Palästinensische Terroristen der Gruppe "Schwarzer September" stürmen das Quartier der israelischen Mannschaft im olympischen Dorf und nehmen die Sportler als Geiseln. Dabei gibt es den ersten Toten. Die Terroristen, die Abu Daoud bis zum Zaun der Anlage gebracht hat, fordern die Freilassung von 200 Gefangenen, die sich in israelischer Hand befinden.
Die Sicherheitskräfte, denen arabischsprechende Experten fehlen, sind mit der Situation völlig überfordert. Als die israelische Regierung die Forderung des Kommandos kategorisch ablehnt, ist klar, dass die Polizei stürmen muss. Aber die Vorbereitungen werden live im Fernsehen übertragen. Die Terroristen können auf den Bildschirmen im Quartier der Israelis verfolgen, wie Sicherheitskräfte die Dächer der Umgebung besetzen.
"The Games must go on"
Dann verlangen die Terroristen, nach Kairo ausgeflogen zu werden. Gemeinsam mit ihren Geiseln werden sie zum nahe gelegenen Flughafen Fürstenfeldbruck gebracht. Der hier geplante Befreiungsversuch endet in einer Katastrophe. Lediglich fünf Scharfschützen versuchen, acht Terroristen auszuschalten. Im Zuge des Schusswechsels werden alle Geiseln von den Palästinensern ermordet. Insgesamt sind 17 Tote zu beklagen.
Die rot-gelbe Bundesregierung verfügt, über die Pannen der Aktion Stillschweigen zu bewahren: Die Bundestagswahl steht vor Tür. Die israelische Regierung und die Verantwortlichen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sprechen sich für eine Fortführung der Spiele aus. Schließlich verkündet der IOC-Vorsitzende Avery Brundage: "The Games must go on".
In den kommenden Jahren startet der israelische Geheimdienst Mossad eine weltweite Racheaktion gegen die Drahtzieher: die "Operation Gottes". Die meisten Hintermänner werden ermordet - Abu Daoud ist nicht dabei.
Stand: 26.08.2012
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