Mit nur 160 Mann bricht der Spanier Francisco Pizarro 1531 in die unbekannten Weiten Südamerikas auf. Sein Ziel: das mythische Goldland "El Dorado" zu finden. Nach einem Jahr gelangt Pizarro in das Reich der Inka in Peru. Obwohl sein wilder Haufen nur aus alten Soldaten, Abenteurern und gestrandeten Existenzen besteht, unterwirft er 1532 in der Schlacht bei Cajamarca handstreichartig den Inka-König Atahualpa und lässt ihn hinrichten.
In wenigen Jahrzehnten gelingt es Spanien, das riesige Inka-Reich beinahe völlig zu erobern. 1570 ist es auf die kleine Region Vilcabamba hoch in den Anden zusammengeschmolzen. Dort wird der junge, unerfahrene Túpac Amaru, die "Leuchtende Schlange", zum König der wenigen in der Region noch lebenden Inka-Gruppen. Von Vilcabamba geht keine Gefahr für die Spanier aus. Doch Spaniens Vizekönig Francisco de Toledo will ein Exempel seiner Allmacht statuieren. Er lässt die letzte Inka-Bastion erobern, den 27-jährigen Herrscher festnehmen und zum Tode verurteilen.
Prophezeiung auf dem Schafott
Zur Hinrichtung lässt Vizekönig de Toledo den Herrscher, den die Bonner Historikerin Kerstin Nowack als "harmlosen jungen Mann" schildert, in die Anden-Metropole Cusco schaffen. Gefesselt und von Hunderten Soldaten eskortiert, wird er am 24. September 1572 vor 15.000 Menschen zum Schafott geführt. Mit einem Ruf bringt Túpac Amaru die Menge zum Schweigen. Er prophezeit seinem Volk, dass er nicht sterben werde, sondern zurückkehre, um das Unrecht der Unterdrücker zu sühnen.
Dann tut der Henker seine Pflicht und enthauptet den letzten Herrscher der Inka mit einem einzigen Schlag. Selbst Fürbitten von Spaniern, vor allem von Klerikern, hatten den Vizekönig nicht erweichen können, auf die Hinrichtung zu verzichten, weiß Kerstin Nowack. "Er wollte seine große Geste haben und die hat er bekommen." Doch die Enthauptung Túpac Amarus, der nur ein Jahr König war, schafft einen Mythos wie drei Jahrhunderte später der gewaltsame Tod von Che Guevara.
Ein Name für den Kampf gegen Unterdrückung
Túpac Amarus Prophezeiung beginnt sich schon 1780 zu bewahrheiten. Der Mestize José Gabriel Condorcanqui erklärt sich als Túpac Amaru II. zu dessen legitimem Nachfolger und organisiert den ersten großen Aufstand gegen die gnadenlose Ausbeutung durch die Kolonialherren. Auch er wird gefangen genommen und 1781 in Cusco hingerichtet. Mit dem Verscharren seiner Überreste an verschiedenen Orten und der Zerstörung seines Hauses soll jede Erinnerung an den Befreiungskämpfer ausgelöscht werden. Doch "Túpac Amaru" gibt fortan dem Kampf der indigenen Bevölkerung gegen ihre Unterdrückung einen Namen.
Lateinamerikanische Dichter wie Alejandro Romualdo und Pablo Neruda oder der Liedermacher Victor Heredia machen Túpac Amaru in ihren Werken unsterblich. In den 1960er Jahren benennt sich die Guerilla-Bewegung Uruguays, die "Tupamaros" nach dem Inka-König und seinem Nachfahren. Auch die Stadtguerilla in Europa, etwa die "Tupamaros West-Berlin", greift den symbolischen Kampfnamen auf. Genauso wie Lesane Parish Crooks, besser bekannt als Rapper Tupac Shakur, der mit seinen Texten die Benachteiligung der Schwarzen in den USA anklagt. 1996 wird die vorerst letzte "Reinkarnation" von Túpac Amaru unter ungeklärten Umständen erschossen.
Stand: 24.09.2012
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