Schon sein erster Film begeistert die Kritiker, Louis Malle ist 24 Jahre alt. "Fahrstuhl zum Schafott" von 1957 erzählt die Geschichte eines fast perfekten Mordes: Julien erschießt den Ehemann seiner Geliebten Florence, bleibt jedoch nach der Tat im Fahrstuhl stecken. Während er sich verzweifelt zu befreien versucht, irrt Florence durch das nächtliche Paris. "Ich liebe dich. Julien, es muss sein. Wir werden nicht glücklich sein, eh der Weg nicht frei ist", sagt Florence vor der Tat. Alles an diesem Film ist neu: Die existentialistische Verlorenheit der Figuren und das faszinierende Gesicht der Hauptdarstellerin Jeanne Moreau in extremen Nahaufnahmen. Malle verzichtet auf jegliches zusätzliche Licht und nutzt eine bewegliche Kamera, die auf einem Kinderwagen montiert ist. Miles Davis spielt die Filmmusik in nur einer Nacht ein.
Katholische Erziehung und Lernen bei Jacques Cousteau
Louis Malle, geboren am 30. Oktober 1932 im Norden Frankreichs bei Lille, stammt aus einer der reichsten Industriellenfamilien Frankreichs. Er hat eine katholische Eliteerziehung überstanden und sein Metier beim Unterwasserfilmer Jacques Cousteau erlernt. "Ich arbeitete vor allem als Kameramann, aber ich machte auch den Schnitt, den Ton. In diesen zwei Jahren, die ich mit Cousteau verbrachte, war ich eine kleine Filmcrew, ganz allein. Ich habe also die Technik des Filmemachens gelernt, indem ich sie ausübte", so Malle.
Jeanne Moreau beim Orgasmus
"Fahrstuhl zum Schafott" wird von den jungen Kinorebellen der Nouvelle Vague gefeiert. Doch gehört Louis Malle nie wirklich zu dieser Gruppe: Er ist ein Praktiker, während die anderen Regisseure - François Truffaut oder Jean-Luc Godard etwa - als Filmkritiker begonnen haben. Alle seine frühen Filme sind Versuche, sich von der bourgeoisen Herkunft zu befreien: Sie brechen Tabus, provozieren.
In seinem zweiten Film "Die Liebenden" von 1958 zeigt er Jeanne Moreau beim Orgasmus. Malle erzählt von einer Frau aus den besten Kreisen, die Mann und Kind verlässt, nachdem sie eine Liebesnacht mit einem Studenten verbracht hat. "Und plötzlich hatte dieser Film einen unglaublichen Skandal verursacht. Er hatte einen enormen Erfolg auf der ganzen Welt. Mit 25 Jahren war ich schlagartig ein berühmter Regisseur. Ich wusste überhaupt nicht, was ich damit anfangen sollte. Es störte mich sehr", erinnert sich Malle.
"Wiederholungen sind langweilig"
Der französische Regisseur lebt wie ein Irrlicht, wechselt Wohnungen und Frauen. Er hat Affären mit Stars wie Jeanne Moreau und Susan Sarandon und drei Kinder aus drei verschiedenen Beziehungen. Kaum einer seiner 30 Filme gleicht dem anderen. "Die Unterschiede in meinen Arbeiten sind mir sehr wichtig. Ich möchte nicht zweimal dasselbe erzählen ... Wiederholungen sind langweilig", erklärte er einmal einer deutschen Tageszeitung.
Viele Jahre lebt Louis Malle in den USA, wo er mit Filmen wie "Pretty Baby" oder "Atlantic City" zum erfolgreichsten französischen Regisseur Hollywoods aufsteigt. Zurück in Frankreich, dreht er 1987 den autobiografischen Film "Auf Wiedersehen, Kinder", der hochgelobt und vielfach ausgezeichnet wird. Im Film versuchen die Pater eines katholischen Internats während der deutschen Besatzung vergeblich, jüdische Kinder zu retten. Malle hat 1944 selbst erlebt, wie sein jüdischer Schulfreund von der Gestapo abgeholt wurde. Der Regisseur stirbt 1995 mit 63 Jahren in seinem Haus in Beverly Hills an Lymphdrüsenkrebs.
Stand: 30.10.2012
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