Als Prinzessin Alexandrina Victoria von Kent 1837 erfährt, dass ihr Onkel Wilhelm IV. in Windsor gestorben ist, fügt sich die zukünftige Königin von England sofort in ihr Schicksal. "Da mich die Vorsehung in diese Situation gesetzt hat, werde ich alles mir mögliche tun, meine Pflicht zu leisten", notiert die erst 18-jährige ebenso pflichtergeben wie selbstbewusst in ihr Tagebuch. "Ich bin sehr jung und in vielen Dingen unerfahren, aber ich bin sicher, dass es wenige gibt mit größerem, wirklich guten Willen als ich, und dem Wunsch zu tun, was angemessen und richtig ist."
Zwei Dinge erbittet sich Victoria sofort: Sie möchte zum ersten Mal in ihrem Leben eine Weile alleine sein. Und sie möchte, dass ihr Bett aus dem Zimmer ihrer Mutter entfernt wird, um deren ständiger Kontrolle zu entgehen.
Geweckt durch Kanonenschüsse
Geboren wird Victoria 1819 im Londoner Kensington-Palast. Da steht sie noch auf Platz fünf in der Thronfolge. Zunächst ist eine Regentschaft eher unwahrscheinlich, aber dann rückt sie durch Todesfälle auf. Am 28. Juni 1838 wird sie zur Königin von England gekrönt. Zuvor wurde sie um vier Uhr morgens von Kanonenschüssen geweckt. Die Zeremonie ist pompös und wird von den Briten mit großem Wohlwollen verfolgt. Die Bevölkerung erhofft sich eine neue Zeit: Zuvor hatten der moralisch fragwürdige George IV. und der am Staat gänzlich desinteressierte William IV. die Monarchie in Verruf gebracht.
Unter ihren Verwandten allerdings gibt es viele Neider. "Eine Frau auf dem Thron einer so großen Nation – wie lächerlich", echauffiert sich etwa ihr Cousin Prinz George. Trotzdem wird Victoria 63 Jahre den Thron besetzen – ihre Regentschaft geht als das "viktorianische Zeitalter" in die Geschichte ein.
"Ich hasse Müßiggang"
Anders als ihre Vorgänger nimmt Victoria ihre Aufgabe ernst. "Ich liebe es, beschäftigt zu sein, ich hasse Müßiggang", lautet ihr Credo. Und sie schafft es, durch eine ebenso gütige wie straffe Hand ihre Untertanen für sich zu begeistern. Mit ihrer Technikfreundlichkeit treibt sie zudem den Fortschrittsglauben in ihrem stetig wachsenden Reich, in dem die Sonne niemals untergeht, voran.
Durch ihr Vorbild wird Victoria zum Inbegriff ihrer Zeit, deren vordergründigen Werte – Fleiß, Sittsamkeit, Gottesfurcht, Familiensinn – sie wie niemand sonst zu verkörpern scheint. Ihren Mann Albert von Sachsen-Coburg und Gotha heiratet sie 1840, damals vollkommen unüblich, ganz in tugendhaftem Weiß, auf Fotografien lässt sie sich später gern im Kreise ihrer zehnköpfigen Familie auf ihrem Landsitz Osborne House fotografieren. So gibt sie ihrem Volk in Zeiten der Krise wie der Hungersnot in Irland (1845-1849) oder dem 1853 beginnenden Krimkrieg Halt.
Als ihr Mann Albert 1861 stirbt, lässt sich Victoria nur noch schwarzgekleidet und mit trauernder Miene ablichten. Sie selbst stirbt 1901 im Beisein der meisten ihrer Kinder auf Osborne House.
Stand: 28.06.2013
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