Ihre Blitzkarriere beginnt, als die vermeintlich so goldenen Zwanziger Jahre enden. Die politische Lage in Deutschland gleicht einem Pulverfass, das Heer der Arbeitslosen wird immer größer. Da tauchen fast über Nacht sechs junge Herren im Frack auf und bringen mit Schalk im Nacken Frohsinn in den sich verdüsternden Alltag der Menschen.
Im Mutterland des steifen Männergesangs tragen die Comedian Harmonists mit Verve perfekt einstudierte und peppig arrangierte Schlager und Volkslieder vor. Wo immer sie auftreten, ernten sie Beifallsstürme. "Dieses Schreien, dieses Toben des Publikums, ich war baff", erinnert sich der Tenor Ari Leschnikoff später. Die Lieder der singenden Komödianten, ein völlig neuer Einklang von U- und E-Musik, werden zu Gassenhauern, ihre Platten und Filme erzielen Rekordumsätze.
Harte Arbeit bis zum Durchbruch
"Achtung – selten! Tenor, Bass, Berufssänger, nicht über 25 – für einzig dastehendes Ensemble gesucht." Mit dieser Annonce des arbeitslosen Sängers und Kleindarstellers Harry Frommermann beginnt im Dezember 1927 die Geschichte der Comedian Harmonists. 90 Interessierte stellen sich in Frommermanns Berliner Mansarde vor, darunter auch ein gewisser Johannes Heesters. Wie alle anderen sagt er ab, weil es für die Proben kein Geld gibt. Nur der Bass Robert Biberti lässt sich von Frommermanns Begeisterung anstecken. Er holt den Bariton Roman Cycowski, Tenor Ari Leschnikoff und den Pianisten Erwin Bootz in die Gruppe. Als noch der 2. Tenor Erich Collin dazustößt, ist die Truppe komplett.
Bis zum Durchbruch liegt harte Arbeit vor den Melody Makers, wie Frommermann das Ensemble tauft. Das erste Vorsingen im Juni 1928 bei Jules Marx, dem Direktor der Berliner Scala, gerät zum Desaster. "Das war eine Niederlage ersten Ranges, sag ich Ihnen", erzählt Robert Biberti. In unzähligen Proben pauken die Melody Makers, bis die komplizierten fünfstimmigen Partituren perfekt sitzen. Schließlich gibt ihnen Berlins Varietékönig Erik Charell eine Chance. Am 28. September 1928 erleben die Sechs im Admiralspalast ihre Bühnenpremiere – und das Publikum ist begeistert. Charell verpasst ihnen einen neuen Namen: "Ihr seid Komiker, harmonische Komiker. Ihr seid die Comedian Harmonists."
Ende der Harmonie
Von Stund an ist das komische Ensemble die größte Unterhaltungsattraktion. Mit "Wochenend und Sonnenschein" oder "Veronika, der Lenz ist da", feiern die Comedian Harmonists das Glück der kleinen Leute und werden reich. "Jeder kaufte sich ein Auto. Wir verdienten und verdienten – und um uns herum war Elend", schildert Biberti jene Jahre, in denen das Land unter der Weltwirtschaftskrise ächzt und die Nazis an Macht gewinnen. "Ein Freund, ein guter Freund" sind die verwöhnten Stars untereinander allerdings nicht. Nur der Erfolg hält die Künstler-Egos auf gemeinsamem Kurs.
Wie brüchig ihr Zusammenhalt ist, zeigt sich nach der Machtübernahme Hitlers. Weil drei Sänger – Frommermann, Cycowski und Collin – "Nichtarier" sind, macht die Nazi-Propaganda Front gegen die Gruppe, Konzerte werden abgesagt. Mitte 1934 erhalten die Comedian Harmonists Auftrittsverbot. Sie gehen auf eine umjubelte Auslandstournee, entscheiden sich aber auf Druck von Biberti, nicht im Exil zu bleiben. Mit der Rückkehr nach Deutschland ist das Ende der Comedian Harmonists besiegelt. Im Frühjahr 1935 nehmen sie ihre letzte gemeinsame Platte auf. Dann trennen sich die drei "Arier" von ihren jüdischen Kollegen und gehen wie sie, die schließlich ins Ausland gehen, eigene Wege. Keiner von ihnen wird je wieder Erfolge feiern können.
Stand: 28.09.2013
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