Die Schulden drücken ihn schwer: Ende des 16. Jahrhunderts steht Herzog Wilhelm V. von Bayern kurz vor dem Staatsbankrott. Vor allem die Höflinge ruinieren ihn. Die rund 600 Mägde, Knechte, Schreiber, Berater und Leibwachen erhalten als Teil ihrer Entlohnung Bier - ein Grundnahrungsmittel in Bayern. Täglich Freibier für alle geht ins Geld. Die unteren Chargen müssen sich zwar mit Dünnbier aus dem Kloster zufriedengeben. Die hohen Hofbeamten jedoch bestehen auf Starkbier aus dem niedersächsischen Einbeck. Durch Zölle und den Transport über 550 Kilometer steigt der Preis auf etwa das Dreifache. Darum beschließt Herzog Wilhelm am 27. September 1589 den Bau einer hofeigenen Braustätte: Auf dem Gelände der damaligen Münchner Herrschaftsresidenz entsteht das Hofbräuhaus, eine Braunbier-Brauerei. Es existiert bis ins Jahr 1808. Bereits im Jahr zuvor ließ Maximilian I. nur wenige Schritte entfernt am Platzl in München ein Weißbier-Brauhaus errichten. An diesem Ort steht das Hofbräuhaus noch heute.
Den Braumeister holt Wilhelm V. aus einem bayerischen Frauenkloster, doch dessen Braunbier schmeckt offenbar nicht allen. Der nächste Herzog, Kurfürst Maximilian I., wirbt den Einbeckern ihren Braumeister ab. Das sogenannte Bockbier, dessen Bezeichnung sich vom Namen Einbeck ableitet, wird ein Verkaufsschlager. Es wird jeweils im März gebraut und hat besonders viel Alkohol, damit es möglichst lange haltbar ist. Denn im Sommer ist es zu heiß zum Brauen.
Lenin, Räterepublik, Hitler
Im 30-jährigen Krieg bringt das Hofbräuhaus so viel ein, dass der Kurfürst damit einen Großteil seiner Armee finanzieren kann. Weißbier macht angeblich schön, deshalb trinken es auch die Frauen. Die Kinder bekommen Dünnbier - das sei nahrhaft und vor allem keimfrei wegen des Alkohols - im Gegensatz zum Wasser in der Stadt, das damals bisweilen lebensgefährlich ist. Das Bier rettet München sogar vor der Zerstörung: 1632 lassen sich die schwedischen Eroberer mit 1.000 Eimern Bier, davon mehr als 360 Eimer Bockbier, besänftigen und verschonen die Stadt. 1897 entsteht das heutige Hofbräuhaus mit 3.500 Plätzen. Zu den Gästen gehört auch Lenin, der zeitweise einen Stammplatz hat. Seine Ehefrau Nadeshda schreibt in ihren Lebenserinnerungen: "Besonders gerne erinnern wir uns an das Hofbräuhaus, wo das gute Bier alle Klassenunterschiede verwischt."
Im Hofbräuhaus wird auch Politik gemacht: Im April 1919 wird dort die kommunistische Räterepublik ausgerufen, im Februar 1920 verkündet Adolf Hitler in dem Gebäude das 25-Punkte-Programm seiner Partei. Sie wird am selben Abend von DAP in NSDAP umbenannt. Ein Termin, den die Nazis zu den Jahrstagen im Hofbräuhaus zelebrieren. In der NS-Zeit entsteht auch das Hofbräuhaus-Lied, der Faschingsschlager von 1936: "In München steht ein Hofbräuhaus – oans, zwoa, g'suffa!"
Trachten und Volksmusik
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Hofbräuhaus schwer zerstört. Der Betrieb wird aber bald wieder aufgenommen. Immer mehr Touristen wollen das berühmte Wirtshaus sehen. In den 1970er Jahren entwickelt es sich zu einer Art bayuvarischem Ballermann: In der Küche steht ein zehn Meter langer Herd, in der "Schwemme" - dem zentralen Gastraum mit 1.000 Plätzen - gibt es englische Discomusik mit Tanz auf den Tischen.
1980 werden die Eltern der heutigen Wirte Pächter des Hofbräuhauses. Seitdem wird wieder auf Tradition gesetzt: Trachten und Volksmusik. Statt Pizza, Spaghetti und Pommes gibt es wieder bürgerliche Gerichte mit Fleisch aus der eigenen Metzgerei. Auch 130 Stammtische treffen sich inzwischen wieder. Ruhetage gibt es im Hofbräuhaus keine. Das Konzept geht auf: Der Freistaat Bayern als Eigentümer bekommt jedes Jahr zweistellige Millionenbeträge aus seinem Hofbräuhaus überwiesen.
Stand: 27.09.2014
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 27. September 2014 ebenfalls an die Gründung des Münchner Hofbräuhauses. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.