Erholt kehrt der Bakteriologe Alexander Fleming im September 1928 aus dem Sommerurlaub an seinen Arbeitsplatz zurück. In dem engen Labor im Londoner St. Mary’s Hospital stapeln sich gläserne Petri-Schalen, in denen Fleming vor den Ferien Bakterien-Kulturen angelegt hatte. Seit seiner Zeit als Militärarzt im Ersten Weltkrieg ist der Schotte dem heimtückischen "staphylococcus aureum" auf der Spur, einem eitererregenden Bakterium, das beim Menschen tödliche Infektionen auslöst.
"That's funny", soll Fleming gerufen haben, als er die Schalen genauer betrachtet. Auf allen Nährböden sind in seiner Abwesenheit Schimmelpilze gewachsen. Nichts Ungewöhnliches, aber eine Kultur fällt dem 47-jährigen Bakteriologen sofort auf. Nur bei ihr sind rund um die grüne Pilzkolonie alle Staphylokokken verschwunden. Fleming vermutet in dem Schimmel eine Substanz, die die Mikroben vernichtet, eine bahnbrechende Entdeckung.
Herstellung erst nach zehn Jahren
Der Bakterienkiller in der Petrischale gehört zur Gattung "penicillium". Fleming stellt fest, dass ein daraus gewonnenes Extrakt eine ganze Reihe von Keimen abtötet. Aber ihm fehlt die erforderliche komplexe Technik, um das Penicillin für den medizinischen Gebrauch weiterzuentwickeln. Als Fleming dann von ähnlichen Bemühungen eines Londoner Bakteriologen erfährt, beendet er seine Arbeiten und wendet sich anderen Forschungen zu. Allerdings kommt auch Flemings Kollege mit seinen Versuchen nicht weiter und gibt auf.
Erst zehn Jahre später gelingt es in Oxford den Biochemikern Howard Florey und Ernst Boris Chain, das Penicillin in der nötigen Weise zu reinigen und zu konzentrieren. Damit beginnt 1939 der Siegeszug des ersten Antibiotikums der Medizingeschichte. Fleming wird 1944 für seine Leistung in den Adelsstand erhoben und erhält im Jahr darauf gemeinsam mit Florey und Chain den Medizin-Nobelpreis. "Mein einziges Verdienst ist es, die Beobachtung von 1928 nicht übersehen zu haben", erklärt der stets bescheidene Schotte in seiner Preisrede. 74-jährig und mit Ehrendoktorhüten überhäuft stirbt Sir Alexander Fleming am 11. März 1955 in London.
Schreckgespenst Multiresistenz
Als erstes Land starten die USA 1942 die Massenproduktion von Penicillin. Es heilt unter anderem Hirnhautentzündungen, Diphterie, Blutvergiftungen und Infektionen, weil es den Zellwandaufbau der Bakterien stört. Die aber wehren sich durch eine rasante Vermehrungsgeschwindigkeit und entwickeln mit jeder neuen Generation Resistenzen. Deshalb warnt bereits Alexander Fleming vor einem inflationären Einsatz des Antibiotikums: "Die Zeit wird kommen, in der Penicillin von jedermann gekauft werden kann. Dann besteht die Gefahr, dass der Unwissende das Penicillin in zu niedrigen Dosen verwendet. Indem er die Mikroben aber nicht-tödlichen Mengen aussetzt, macht er sie resistent."
Der Rheinbacher Infektionsexperte Michael Kresken kann Flemings Warnung heute nur bestätigen: "Wenn ein Medikament dreimal täglich eingenommen werden muss, dann halten sich inzwischen nur noch 40 bis 50 Prozent der Patienten daran." Gegenwärtig sind in Deutschland rund 80 Antibiotika im Einsatz. Doch die Liste sogenannter multiresistenter Keime, die auf keines der Mittel mehr anspricht, wird länger und länger. Immer häufiger gerät die Medizin an ihre Grenzen, selbst bei jungen und zuvor gesunden Menschen. Ursache bakterieller Infektionen ist meist mangelnde Hygiene. Besonders Krankenhäuser, das zeigen alarmierende Fälle in jüngster Vergangenheit, entwickeln sich zu Brutstätten der tödlichen Keime.
Stand:11.03.2015
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