Erneut üben Neonazis in Dortmund Psychoterror gegen politisch Andersdenkende aus. Die Dortmunder SPD-Lokalpolitikerin Dorothea Moesch erhielt in der vergangenen Woche von Unbekannten Todesdrohungen am Telefon. "Die Angst sitzt tief", sagte Moesch laut Berichten von "WAZ" und "Ruhr Nachrichten" vom Montag (06.07.2015). Bereits am Freitag (03.07.2015) hatte Moesch die rechten Drohungen gegenüber dem WDR bestätigt. Die Rollstuhlfahrerin war bereits in der Vergangenheit das Ziel von behindertenfeindlichen Beleidigungen aus dem rechten Spektrum.
Wie kam "Die Rechte" an das Dokument?
Der Vorgang wirft viele Fragen auf - auch zur Rolle der Polizei in der Neonazi-Hochburg Dortmund: Den Auftakt machte die rechtsextreme Partei "Die Rechte". Auf Twitter veröffentlichte sie am 30. Juni das Foto einer polizeilichen Demonstrationsauflage mit persönlichen Daten Moeschs. Die SPD-Politikerin hatte eine Pro-Flüchtlings-Demo angemeldet. Das Dokument der Polizei mit Telefonnummer der Anmelderin gelangte in die Hände der Neonazis. Dann begannen die Drohungen gegen Moesch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall. Ob es ein Leck in den Behörden gab, ist bisher unbekannt.
32-Jähriger unter Tatverdacht
Am Montagnachmittag teilte die Staatsanwaltschaft Dortmund mit, dass ein 32-jähriger Tatverdächtiger ermittelt worden ist. In Lünen sei eine Wohnung "durchsucht und umfangreiches Beweismaterial sichergestellt", hieß es. Der 32-jährige Bewohner stehe "im Verdacht, Drohanrufe zum Nachteil einer Versammlungsanmelderin getätigt zu haben". Bei der Durchsuchung stellten die Ermittler ein Handy sicher. Diesem Handy konnten die Drohanrufe zugeordnet werden. Zum Tatvorwurf wollte sich der Mann nicht äußern. Er wurde nicht verhaftet. "Der Tatverdächtige ist im Bereich der allgemeinen Kriminalität bereits in Erscheinung getreten. Nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen ist er dem rechten Milieu zuzuordnen", sagte Staatsanwältin Sonja Frodermann auf WDR-Anfrage.
Moesch: "Erschreckend"
Hinzu kommen polizeiinterne Ermittlungen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Schreiben an Moesch aus Polizeikreisen an die Rechtsextremisten weitergegeben wurde. Nach WDR-Informationen hat sich Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange daher dazu entschieden, die internen Ermittlungen abzugeben. Nach Absprache mit dem Landeskriminalamt wird die Bochumer Polizei die Untersuchungen führen. Die Betroffene Dorothea Moesch sagte am Dienstag (07.07.2015) im WDR-Interview, es sei "erschreckend, dass gegen die Polizei ermittelt werden muss". Zudem appellierte sie an alle Bürger in Dortmund, kollektiv gegen Neonazis aufzustehen. Es müsse deutlicher werden: "Das wollen wir nicht, das sind keine Dortmunder, und die gehören hier einfach weg."
Zahlreiche braune Drohungen
Der Einschüchterungsversuch gegen die SPD-Politikerin ist nicht der einzige aktuelle Fall, sondern steht in einer langen Reihe von braunen Drohungen gegen Lokalpolitiker und Journalisten in Dortmund. Auch der Piraten-Mitarbeiter Robert Rutkowski wurde wiederholt von Neonazis angegangen. Vor rund einem halben Jahr gab es Hakenkreuz-Schmierereien an seinem Haus. "Leider ist es noch schlimmer geworden mit den Drohungen und Einschüchterungsversuchen von Neonazis in Dortmund", sagt Rutkowski. "Es gibt Facebook-Beschimpfungen wie 'Du Drecksjude'. Es gab die Schüsse auf unser Parteibüro. Es gibt anonyme Mails, in denen Schüsse angedroht wurden", berichtet Rutkowski. Es gebe "Ansprachen auf der Straße von Nazis wie 'Robert, du hier in der Nordstadt. Keine Angst vor Angriffen?'"
Der Neonazi-Gegner und Pirat Rutkowski hat "schon den Eindruck, dass sich die Nazis immer dreister verhalten und immer härtere Drohungen aussprechen". Die Dortmunder Polizei tue "leider zu wenig". Rutkowski: "Ich persönlich glaube, dass die Soko gegen Rechts eher eine Marketingmasche der Polizei ist." Die Ermittlungen wegen der Hakenkreuz-Schmierereien an seinem Haus und wegen der Todesanzeige seien eingestellt worden.
"Wesensverwandschaft zum Nationalsozialismus"
Die Neonazi-Szene in Dortmund gilt als besonders militant. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte Anfang Juni erklärt, derzeit werde ein Verbot der Partei "Die Rechte" geprüft, die in Dortmund im Stadtrat vertreten ist. Er habe dafür ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, sagte Jäger. Bis September solle es vorliegen. Sollte sich daraus ergeben, dass die Partei keine Partei im Sinne des Parteiengesetzes ist, sondern eine Nachfolgeorganisation verbotener Neonazi-Kameradschaften, würde sie ebenfalls als verboten gelten. "Die Partei 'Die Rechte' zeichnet sich durch eine ideologische Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus und aggressiv-kämpferisches Auftreten auf", heißt es im NRW-Verfassungsschutzbericht 2014. 2012 hatte Innenminister Jäger nach dem Verbot der Neonazi-Vereinigung "Nationaler Widerstand Dortmund" betont: "Auch weiterhin werden wir gegen verfassungsfeindliche Nazis vorgehen und ihnen auf die Springerstiefel treten."