Umsiedlung: Von Manheim-alt nach Manheim-neu
Stand: 01.01.2021, 00:00 Uhr
Der Braunkohleabbau im Rheinischen Revier verschluckt ganze Dörfer. Auch das Dorf Manheim ist betroffen. Die Bewohner mussten ihre Häuser räumen. Moderatorin Donya Farahani hat sich umgesehen - im alten verlassenen Dorf und in Manheim-neu.
In Manheim-alt im Rheinischen Braunkohlerevier haben mal ungefähr 700 Familien gelebt. Mit allem, was ein Dorf so braucht, einschließlich Kirche. Manheim wurde im Jahr 898 erstmals urkundlich erwähnt. 2012 haben in dem Stadtteil von Kerpen die Umsiedlungen begonnen. Geplant war einmal, dass 2022 alles leer ist und die Kohlebagger kommen. Von hier aus ist der Tagebau gut zu sehen. Und da, wo die Dampfschwaden sind, da arbeiten die Braunkohle-Kraftwerke.
Manheim-alt: Leere Straßen und verlassene Häuser
Manheim-alt soll dem Tagebau weichen. Claudia Jacobs und ihr Sohn Leon Schmitz haben mit ihrer Familie die Umsiedlung von Manheim-alt nach Manheim-neu mitgemacht. Claudia steht an der Hauptstraße und erzählt vom Dorfleben: "Auf der Forsthausstraße spielte sich quasi das Leben ab. Wir hatten hier auf der Straße die Karnevalsumzüge und die Prozessionen. Und natürlich auch ganz wichtig: die Mai-Jungs. Die sind immer aus dem Wald gekommen, mit großen Traktoren, haben den Maibaum mitgebracht und der wurde dann bei uns auf dem Marktplatz aufgestellt, und da fanden dann die Feierlichkeiten statt."
Häuser werden zurückgebaut
Auf die Frage, warum es hier so laut ist, sagt sie: "In der Woche finden die ganzen Bautätigkeiten statt. Das heißt: Die Häuser werden weiter zurückgebaut und dementsprechend fahren hier auf der Hauptverkehrsader die ganzen Lkws und Raupen. Die Abrissbirnen sind tätig, und deshalb ist es hier extrem laut."
Mutter und Sohn erinnern sich an den Abriss ihres Hauses
Claudia und Leon stehen vor ihrem ehemaligen Grundstück. Der Abriss, sagt der Sohn, "war auf jeden Fall ein komisches Gefühl, zu sehen, wie das eigene Haus zu Boden geht. Ich hätte es mir ehrlich gesagt etwas krasser vorgestellt. Natürlich waren gewisse Emotionen da, aber ich empfand es als sehr mulmiges Gefühl."
Seine Mutter ergänzt: "Bei mir war es ein bisschen anders. Natürlich ist es mit Emotionen verbunden. Es geht einem schon nahe, wenn man die Geräusche dazu hört, in dem Moment, wenn das Dach oder der Kamin fällt, und dieses Haus mehr oder weniger zu Boden sinkt. Da sind natürlich ein paar Tränen gekullert. Was wir wohl sagen müssen, war dann tatsächlich eine Begebenheit: Derjenige, der das Haus abgerissen hat mit diesem großen Kran, der hat das wirklich sehr würdevoll gemacht. Wir sind dann in der Mittagspause hingegangen und haben in der Bäckerei zwei Stücke Kuchen geholt, was wiederum diesen Menschen sehr berührt hat. Dadurch sind sehr schöne Gespräche entstanden. Insgesamt sind wir froh - oder ich muss für mich sprechen - ich war sehr froh, dass wir mit dabei sein konnten."
Manheim-neu: Es bleibt die Dorfgemeinschaft
Donya steht auf einer Kreuzung in Manheim-neu und erklärt: "Manheim-neu ist ein komplett neuer Ort: Die Straßen sind neu, die Gehwege sind neu, die Häuser sind neu, selbst die Bäume hier wurden alle neu gepflanzt. Aber so ein paar Sachen haben die Manheimer aus dem alten Manheim mit ins neue genommen. Zum Beispiel die Kapelle oder auch ein Denkmal für die Manheimer Opfer des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Das Wichtigste, sagen die Manheimer: Sie haben sich ihre Dorfgemeinschaft bewahrt." Die Straßennamen im alten und neuen Manheim sind übrigens ähnlich, aber nicht gleich. So wurde zum Beispiel aus der Sonnenblumenstraße der Sonnenblumenweg und aus der Römerstraße der Römering. Manche Straßennamen sind aber auch ganz neu.
Das neue Haus gab es nicht geschenkt
Zu ihrem neuen Haus in Manheim-neu erzählt Claudia: "Entgegen der landläufigen Meinung, dass RWE uns fertige Häuser in den neuen Ort stellt, ist es tatsächlich so, dass RWE uns das alte Haus abkauft. Wir bekommen das Geld dafür und dürfen für eine gewisse Zeit in dem alten Haus noch wohnen bleiben. In der Zeit können wir uns um den Neubau kümmern. Und das läuft aber dann exakt so wie bei jedem, der irgendwo ein neues Haus baut. Also es wird nicht einfach hingestellt, sondern wir kümmern uns um alles selber."
Und: "Viele Leute glauben, dass man tatsächlich von RWE ein neues Haus in den neuen Ort gestellt bekommt. Selber ist es mir passiert, dass ich in einem Baumarkt gefragt wurde, als ich Baumaterial holen war, warum ich das denn täte, weil RWE schließlich dafür sorgt, dass man das selber nichts organisieren muss. In Wirklichkeit ist es aber tatsächlich so, dass man sein altes Haus an RWE verkauft. Dann hat man noch eine gewisse Karenzzeit, dass man 'in aller Ruhe' alles organisieren kann. Das heißt man muss eine Firma organisieren, die möglicherweise dann die Bauarbeiten für einen Keller vornimmt. Man muss dafür sorgen, dass man eine Baufirma hat, die das Haus baut. Und sich natürlich drumherum um alles kümmern. Das heißt: Es ist nicht so, dass wir ein fertiges Haus in den neuen Ort gestellt bekommen.”