An regulären Unterricht ist an diesem Freitag am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal nicht zu denken. Zu tief sitzt der Schock über die Ereignisse am Vortag. Mit einem Messer hat ein Schüler fünf seiner Mitschüler teils schwer verletzt - auch sich selbst. Das SEK rückte an. Ein Großeinsatz nicht nur für die Polizei, sondern auch für Psychologen. Wie umgehen mit einer solchen Tat?
"Sie ist ziemlich fertig", sagt Nicole Greta Oberath kurz nach der Tat über ihre Tochter, die Schülerin an dem Gymnasium ist.
Die Landesstelle Schulpsychologie NRW hat sofort reagiert. 30 Psychologinnen und Psychologen seien an der Schule im Einsatz, hieß es am Donnerstag. Und ihre Arbeit hat gerade erst begonnen. Denn die Erlebnisse zu verarbeiten, kann Tage, Monate und teils Jahre dauern.
Einsatz für die Landesstelle Schulpsychologie
Für die Schulleitung gehe es nun unter anderem darum, dass Schüler und Lehrer die Schule wieder als sicheren Ort wahrnähmen, sagte Michael Krause, Leiter der Landesstelle Schulpsychologie und Schulpsychologisches Krisenmanagement NRW. Dabei biete sein Team Unterstütung.
Ob die Schülerinnen und Schüler am Freitag überhaupt in die Schule kommen, bleibe ihnen und ihren Eltern überlassen. In der Schule würden sie jedenfalls umfassend betreut, so Krause, vorrangig durch die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch beratend durch Psychologen.
Diesen Raum müsse man den Kindern erst mal geben - auch einen "Ort der Trauer". Dazu gehörten auch kleine Gesten, zum Beispiel Momente, in denen man Blumen niederlege, sagte Krause.
Traumatherapeutin: "Kein Patentrezept"
Psychologische Unterstützung - was bedeutet das konkret? Für den richtigen Umgang mit den betroffenen Schülern, Familienangehörigen und Lehrern gebe es "kein Patentrezept", sagte Traumatherapeutin Birgit Köppe-Gaisendrees dem WDR. "Es kann für jeden ganz unterschiedlich sein."
"Es gibt natürlich viele Konzepte", sagt die Psychotherapeutin, die auch nach dem Amoklauf eines Schülers in Erfurt im Einsatz war, bei dem 17 Menschen ums Leben kamen. Wichtig sei aber vor allem, auf den Einzelfall zu schauen.
Trotzdem gibt es Tendenzen. Zum Beispiel sei bei kleineren Kindern nach einem solchen Ereignis in der Regel "mehr Nähe zu ihren Eltern" wichtig, so Köppe-Gaisendrees. Das bedeute: Bei der psychologischen Unterstützung müssten die Eltern mit einbezogen werden.
Bei Jugendlichen sei das oft anders. "Die wollen raus. Die wollen sich mit ihren Freunden treffen. Ihr Bedürfnis sei eher, sich mit Gleichaltrigen auszutauschen. Das sei ein Teil der Pubertät, "sich zu lösen und nicht mehr nur mit Mama und Papa zu sein." Für Eltern kann das durchaus schwierig sein.
Belastungen manchmal erst nach Monaten sichtbar
Nach der psychologischen Unterstützung in den ersten Tagen sei es aber auch wichtig, die kommenden Monate im Blick zu behalten, so Köppe-Gaisendrees. Nach dem Amoklauf in Erfurt habe sie Schüler erlebt, die nach außen zunächst ziemlich normal wirkten.
Erst nach einigen Monaten, als man dachte, das Schlimmste sei vorbei, sei auch bei solchen Schülern eine hohe Belastung zu spüren gewesen. Manche hätten stationär behandelt werden müssen.
Über dieses Thema berichteten wir unter anderem auch am 23.02.2024 in der "Aktuellen Stunde" im WDR Fernsehen.
Unsere Quellen:
- Interview mit Traumatherapeutin Birgit Köppe-Gaisendrees in der Lokalzeit Bergischen Land
- Interview mit Michael Krause, Leiter der Landesstelle Schulpsychologie NRW
- Familienangehörige der Schüler des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium im Gespräch mit dem WDR