Bäckerei-Monitor | WDR aktuell 00:45 Min. Verfügbar bis 10.03.2027

Bäckerei-Monitor: Handwerk schrumpft, Brotindustrie wächst

Stand: 10.03.2025, 11:30 Uhr

Während das Bäckerhandwerk schrumpft, expandiert die Brotindustrie - das verrät eine aktuelle Branchenanalyse, der erste sogenannte "Bäckerei-Monitor". Die gute Nachricht: Mehr junge Menschen wollen wieder als Bäcker arbeiten. Um Personal zu finden, blicken Betriebe mittlerweile bis nach Südostasien.

Von Katja Goebel

"Das ist Handwerk, das macht Spaß", sagt Joshua Faik. Er ist einer von 12 Azubis in einem Bäckereibetrieb im Rheinland. Eines ist dem Berufsanfänger aber jetzt schon klar: "Man muss den Beruf lieben, sonst hält man es nicht lange aus."

Rund 282.000 Menschen arbeiteten 2024 in der Backwarenbranche. Die Zahl der Betriebe im klassischen Bäckerhandwerk ist in den vergangenen zehn Jahren um 30 Prozent gesunken. Das ist ein Ergebnis des ersten Bäckerei-Monitors. Dahinter verbirgt sich eine umfassende Branchenanalyse und Beschäftigtenbefragung in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung.

Klassisches Handwerk schrumpft

Auch Traditionsunternehmen in NRW kämpfen mittlerweile ums Überleben. Eine von ihnen ist die Bäckerei König in Gelsenkirchen. Sie sei eine Institution, sagen Kunden. Eine Bäckerei mit Seltenheitswert, der Verkaufsraum sieht fast aus wie ein Wohnzimmer.

100 Jahre Tradition: Bäckerei König in Gelsenkirchen | Bildquelle: WDR

Seit Jahrzehnten steht der mittlerweile 74-jährige Heinrich König in seiner Backstube. Brot und Brötchen sind hier noch echte Handarbeit. Einigen Stammkunden bringt der Bäcker die Ware sogar persönlich vorbei. Ein Nachfolger für den Betrieb ist allerdings nicht in Sicht. Zwei Gründe liefert König selbst: "Das können sehr Wenige und das muss man auch wollen."

"Das können nur Wenige" Traditionsbäcker Heinrich König

Und noch etwas kommt hinzu: 60 Prozent der Betriebe im Backgewerbe sind Kleinstbetriebe, doch die Zahl der Großbetriebe - also Großfilialisten und große Lieferbäckereien mit 250 und mehr Beschäftigten - ist in den letzten zehn Jahren auf 133 angewachsen. Die Branchenstruktur hat sich also weiter in Richtung der Großen verschoben, auf die auch das Gros der Umsätze entfällt.

Weniger stabile Jobs

Bäckerbranche: Immer mehr Teilzeitkräfte | Bildquelle: imago images/Westend61

Seit 2014 sind laut Bäckerei-Monitor außerdem insgesamt 20.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Gleichzeitig stieg der Anteil an Teilzeitkräften unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigen in der Branche von 30 auf 39 Prozent. "Diese Entwicklung zeigt eine Verschiebung hin zu weniger stabilen und tendenziell schlechter abgesicherten Arbeitsverhältnissen. Diesen Trend sehen wir als Gewerkschaft kritisch und fordern die Arbeitgeber auf, zukunftsfähige Jobs mit Tarifbindung und guten Arbeitsbedingungen anzubieten", sagt NGG-Bundesvorsitzender Guido Zeitler.

"Diesen Trend sehen wir kritisch" Guido Zeitler, Bundesvorsitzender Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

Mehr junge Leute wollen Bäcker werden

Es gibt aber auch gute Nachrichten vom Bäckerei-Monitor: Während sich die Zahl der Auszubildenden im Backgewerbe in den letzten zehn Jahren fast halbiert hatte, geht es mit den Azubis in der Branche langsam wieder bergauf. 2024 gab es immerhin einen Zuwachs von 22,5 Prozent.

Freut sich über Azubis: Innungs-Bäckermeister Bernd Rott | Bildquelle: WDR

"Unser Handwerk hat eine Zukunft - auch wenn es oft anders gesagt wird", sagt Bäckermeister Bernd Rott von der Bäckerinnung Bonn/Rhein-Sieg. Die Ausbildung zum Bäcker ist offenbar wieder attraktiver geworden. "Es ist nicht so, dass wir das große Casting veranstalten könnten, weil sich da 20 Leute vor der Tür tummeln, aber es ist eben mehr."

"Unser Handwerk hat Zukunft" Bäckermeister Bernd Rott

Beliebter wird der Beruf übrigens bei Auszubildenden mit ausländischer Herkunft. Rund ein Viertel der Auszubildenden hat einen Migrationshintergrund, vor zehn Jahren waren es weniger als neun Prozent.

Azubis aus Vietnam

Der Personal- und Fachkräftemangel ist aber nach wie vor eine der größten Herausforderungen in der Branche. Laut Analyse des Bäckerei-Monitors müssen ausbildende Betriebe dabei manchmal sehr weit über den eigenen Tellerrand schauen.

Um Personal zu finden, haben einige Betriebe ihren Suchradius bei der Rekrutierung von Auszubildenden sogar bis nach Südostasien und Nordafrika ausgeweitet. Mit Erfolg. In einem Düsseldorfer Betrieb zum Beispiel machen derzeit gleich mehrere Azubis aus Vietnam eine Ausbildung - 9.000 Kilometer von Zuhause weg.

Auszubildende aus Vietnam: Thuy Nguyen | Bildquelle: WDR

Unter ihnen ist auch Thuy Nguyen. Die vielen Brotsorten waren für sie anfangs sehr exotisch. Aber: "Für mich ist es ein großes Glück, diese Möglichkeit zu haben, in Deutschland zu lernen", sagt sie. Und auch ihr Chef, Bäckermeister Jan Patrick Behmer, weiß das internationale Team hinter dem Verkaufsthresen zu schätzen. An den vietnamesischen Mitarbeiterinnen schätzt er nicht nur ihren Fleiß. "Jeder Kultur bringt etwas frischen Wind rein."

Unsere Quellen:

  • Branchenanalyse Backgewerbe
  • Interview mit Bäcker Heinrich König
  • Interview mit Bäckerlehrling Joshua Faik
  • Interview mit Bernd Rott von der Bäckerinnung Bonn/Rhein-Sieg
  • Interview mit Bäckermeister Jan Patrick Behmer