Am 28. Februar, also vor gut einer Woche, hatten die Sondierungen zwischen Union und SPD begonnen. Migration, Wirtschaftspolitik, Bürgergeld: Ziel der Gespräche war es, bei den wichtigsten Themen zu einer Grundsatzeinigung zu kommen, bevor es in die Detailverhandlungen geht. Auf einem elf Seiten umfassenden Sondierungspapier haben CDU, CSU und Sozialdemokraten zahlreiche Einigungen in Streitpunkten festgehalten.
Was haben Union und SPD genau beschlossen?
Migration:
Deutschland soll ein einwanderungsfreundliches Land bleiben, heißt es. Ziel von Union und SPD ist, eine qualifizierte Einwanderung in den Arbeitsmarkt attraktiv zu machen
Irreguläre Migration soll allerdings zurückgedrängt werden. In den Sondierungsgesprächen haben sich Union und SPD deshalb darauf verständigt, das an den Landgrenzen künftig auch Menschen zurückgewiesen werden sollen, die ein Asylgesuch stellen - allerdings nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten und nach rechtsstaatlichen Prinzipien.
Der Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter soll befristet ausgesetzt werden. Außerdem sollen mehr abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückgeführt werden.
Arbeit und Rente
Das Bürgergeld soll durch eine neue Grundsicherung ersetzt werden. Für Verweigerer soll es schärfere Sanktionen geben - bis zum Entzug der Leistungen für diejenigen, die arbeiten können, aber "wiederholt zumutbare Arbeit verweigern". Beim Mindestlohn soll bis 2026 eine Höhe von 15 Euro erreicht werden. Das Rentenniveau soll gesichert werden. Wer freiwillig länger arbeiten möchte, soll steuerlich entlastet werden.
Wirtschaft und Verbraucher
Beide Seiten haben sich auch auf eine Erhöhung der Pendlerpauschale, eine Einkommenssteuerreform für die Mittelschicht und auf die Rückkehr zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent in der Gastronomie geeinigt. Um die Konjunktur zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, wollen Union und SPD unter anderem die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken.
Welche Punkte sind noch offen?
Laut Sondierungspapier wollen Union und SPD im Rahmen der Haushaltsberatungen auch Einsparungen vornehmen. Welche Bereiche das betreffen könnte, dürfte noch für Diskussionen sorgen. "Wir wollen Investitionen ermöglichen, aber wir werden auch sparen müssen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntagvormittag im Deutschlandfunk-Interview. Wo genau dies passieren soll, sagte er allerdings nicht.
Es sei bekannt, "dass wir erheblichen Nachholbedarf in der Infrastruktur haben, den wollen wir jetzt auch ausfüllen", ergänzte Merz. Außerdem gebe es mit Blick auf die globale Lage große Herausforderungen mit Blick auf die Verteidigungsfähigkeit. "Aber wir verlassen den wirtschaftspolitisch und finanzpolitisch soliden Kurs der Bundesrepublik Deutschland nicht."
Die CDU hatte im Wahlkampf versprochen, das umstrittene Heizungsgesetz rückgängig zu machen. Bei der Rente haben beide Seiten zwar die Sicherung des Niveaus vereinbart, aber nicht auf welcher Höhe. Das gerade erst reformierte Wahlrecht soll überprüft werden. Wie es geändert werden könnte, wäre noch zu klären.
In der Außen- und Sicherheitspolitik gelten folgende Fragen als offen: Werden kurzfristig Waffenlieferungen für drei Milliarden Euro in die Ukraine genehmigt? Bleibt das Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern? Was ist mit der Wehrpflicht? Und wie steht Deutschland zu einem europäischen nuklearen Schutzschirm und einer europäischen Friedenstruppe für die Ukraine?
Wer muss nun zustimmen?
Die CSU hat als erste der drei Parteien der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zugestimmt. Der Beschluss fiel am Morgen einstimmig in einer Schaltkonferenz des CSU-Vorstands. Einstimmig fiel auch das Ergebnis im SPD-Parteivorstand aus. Bei der CDU steht die Abstimmung der Gremien noch an.
Damit Union und SPD ihre hunderte Milliarden Euro schweren Pläne für Verteidigung und Infrastruktur umsetzen können, ist allerdings eine Grundgesetzänderung nötig. Das geht nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Im bisherigen Bundestag sind Union und SPD auf die Grünen angewiesen. Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner kritisierte die Vereinbarungen der Sondierer aber scharf und stellte die Zustimmung ihrer Partei infrage.
Zwei-Drittel-Mehrheit für Grundgesetzänderung steht noch nicht
Sollte es im alten Bundestag keine Einigung geben, müsste das neu gewählte Parlament darüber entscheiden. Da eine Zusammenarbeit mit der AfD bereits ausgeschlossen wurde, wären Union und SPD dann auch auf die Linke angewiesen, um auf die nötige Zahl von Stimmen zu kommen. Die Linke hatte aber bereits klargestellt, dass sie das bisherige Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro für ausreichend hält und einer Lockerung der Schuldenregeln für neue Militärausgaben nicht zustimmen will. Eine Zustimmung zum Sondervermögen für Infrastruktur knüpft die Linke an Bedingungen.
In den Ländern haben schon die mit SPD beziehungsweise CSU regierenden Parteien BSW und Freie Wähler Vorbehalte angemeldet.
Wie ist der weitere Zeitplan?
Bei der CDU sollen die Parteigremien bis morgen über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abgestimmt haben. Die Arbeit in den Arbeitsgruppen soll dann in der neuen Woche beginnen, sagte CSU-Chef Markus Söder.
CDU-Chef Merz stellte im Deutschlandfunk aber mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen bereits klar:
„Scheitern ist keine wirkliche Option.“
Union und SPD sind laut Merz geradezu zur Regierungsbildung verpflichtet. Es gebe nur diese parlamentarische Mehrheit in der demokratischen Mitte.
Im Bundestag mit der alten Zusammensetzung sind für den 13. und 18. März Sitzungen angesetzt worden, um über die Schuldenpläne von Schwarz-Rot zu beraten und abzustimmen. Am 25. März kommt dann der neu gewählte Bundestag zum ersten Mal zusammen.
Bis Ostern will Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) die Koalitionsverhandlungen ganz abgeschlossen haben. Die SPD will dann die Mitglieder in einer Abstimmung über die Ergebnisse entscheiden lassen. Erst danach kann die neue Regierung vereidigt werden.
Quellen:
- Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP
- Interview von Friedrich Merz im Deutschlandfunk