Pläne für Milliardenkredite: Warum es jetzt auf die Grünen ankommt

Stand: 07.03.2025, 13:13 Uhr

Die Pläne für Verteidigung und Infrastruktur benötigen eine Zweidrittelmehrheit. Die Grünen-Chefin Katharina Dröge fordert im Interview mit dem WDR inhaltliche Änderungen und zweifelt an der Legitimität des Verfahrens.

CDU und SPD haben sich bei ihren Sondierungsgespräche darauf geeinigt, Milliardenkredite für Verteidigung und Infrastruktur auf den Weg zu bringen. Das Vorhaben muss jetzt eine Hürde überwinden: Die Pläne sollen wohl noch vom alten Bundestag beschlossen werden in den nächsten Tagen.

Am 12. oder am 18. März sollen die nötigen Gesetzesänderungen und Gesetze zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit und für notwendige Investitionen in unsere Infrastruktur durch den Bundestag gebracht werden.

500-Milliarden-Sondervermögen

Konkret geht es um ein 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur und eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Dafür braucht es aber eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und die kommt nur zustande, wenn man es noch in alter Zusammensetzung zum Beispiel mit den Grünen beschließt. Wie stehen die Grünen dazu?

Grüne: "Warum tricksen statt einer ordentlichen Reform?" WDR 5 Morgenecho - Interview 07.03.2025 07:15 Min. Verfügbar bis 07.03.2026 WDR 5

Download

Die Grünen werfen Merz bewusste Täuschung vor

Katharina Dröge, eine der beiden Grünen Fraktionsvorsitzenden im Bund und aus Köln, kritisiert das Vorgehen von Unions-Chef Merz scharf. "In der Sache muss man feststellen, dass das, was Friedrich Merz macht, erstmal eine bewusste Täuschung der Wählerinnen war", so Dröge. Merz habe über Monate den Wählerinnen und Wählern gesagt, er halte neue Schulden nicht für notwendig.

"Er hat über Monate Vorschläge von Robert Habeck in dieser Richtung abgelehnt. Und nur zwei, drei Tage nach der Bundestagswahl macht er das komplette Gegenteil." Katharina Dröge, eine der beiden Grünen Fraktionsvorsitzenden

Dröge kritisiert, dass Merz ein "abenteuerliches Verfahren" starte. Er wolle die Mehrheit eines nicht mehr aktuellen Bundestages nutzen, obwohl bereits ein neuer gewählt sei. Zudem plane er, drei Grundgesetzänderungen innerhalb einer Woche zu verabschieden. Ihre Partei werde diese Fragen mit CDU und SPD diskutieren. Erst am Ende werde die Grüne Bundestagsfraktion entscheiden, wie sie sich dazu verhält.

WDR: Würden Sie denn nicht sagen, die Weltlage hat sich seit einer Woche durch diesen Eklat im Weißen Haus rund um Selenskyj, Trump und Vance so eklatant verändert, dass man sagt: Da müssen wir jetzt doch ein bisschen an unser Girokonto ran?

Eklat im im Oval Office: Selenskyj und Trump | Bildquelle: picture alliance/dpa/AP | Mystyslav Chernov

Katharina Dröge: So argumentiert die Union. Mich hat erschüttert, wenn sie das ernst meinen, dass sie erst jetzt wissen konnten, was Donald Trump für ein Politiker ist und welche Konsequenzen es hat, wenn die USA Trump zum Präsidenten wählen. Er ist im November gewählt worden.

Seit dem Tag, an dem die Ampel auseinandergebrochen ist, wussten wir, dass wir uns darauf einstellen müssen, mehr für unsere eigene Sicherheit zu tun. Das haben wir Grünen immer wieder betont. So kann man eigentlich nur argumentieren, wenn man nur die Probleme sieht, die einen Zentimeter von der eigenen Nasenspitze entfernt sind und nicht wenigstens ein kleines bisschen nach vorne schaut. Das hätte die Union wirklich auch jetzt schon vor Wochen wissen können.

WDR: Sie sagen ja unter anderem: Sie sprechen schon mit SPD und CDU. Werden Sie zustimmen am 12. oder 18. März im Bundestag? Und zu welchem Preis?

Katharina Dröge: Es ist sehr klar und das sagen wir auch explizit: Wir werden am Ende entscheiden, wie wir abstimmen als Grüne Bundestagsfraktion. Das wird davon abhängen, wie die Antworten auf die Fragen ausgehen mit Blick auf die Legitimität dieses Verfahrens im Deutschen Bundestag.

WDR: Das heißt, es ist eine juristische Prüfung, die Sie anstreben?

Katharina Dröge: Ja, CDU und SPD sollten aus unserer Sicht als Erstes beantworten, warum man nicht den Deutschen Bundestag, den neuen Deutschen Bundestag früher konstituieren kann, erstens. Und zweitens, ob sie eigentlich auch Gespräche beispielsweise mit den Linken führen, die in einem neuen Deutschen Bundestag auch zur Zweidrittelmehrheit notwendig wären. Es wäre eine größere Legitimität, wenn man das täte, das ist das eine.

Das andere ist inhaltlich: Wir Grünen sagen seit Jahren, dass sich Verteidigung beispielsweise nicht ausschließlich auf die Bundeswehr konzentrieren kann. Die Unterstützung der Ukraine ist mit dem Vorschlag, den die CDU und die SPD jetzt machen, nicht möglich. Das ist nicht enthalten kreditfinanziert. Erweiterte Sicherheit, Cyberangriffe auf Krankenhäuser beispielsweise - das ist auch eine gefährliche Situation, aber so bislang nicht darstellbar. Das ist ein Thema, über das wir sprechen müssen.

WDR: Das heißt, Sie wollen noch mehr Geld?

Katharina Dröge: Uns geht es um Gesamtverteidigung an der Stelle und nicht alleine um die Bundeswehr. Das heißt es geht uns erst mal um die Frage bei der Verteidigung: Was meint man eigentlich, wenn man sagt: Man nimmt das ab einer gewissen Höhe von der Verschuldung aus? Da geht es nicht um mehr Geld, sondern da geht es um einen breiteren Anwendungsbereich. Und das Zweite ist mit Blick auf das Infrastruktur-Sondervermögen.

"Alles, was dort in diesem Sondervermögen enthalten ist, ist breit definiert. Ausgerechnet Klimaschutz kommt überhaupt nicht vor." Katharina Dröge, eine der beiden Grünen Fraktionsvorsitzenden

Da kann man nur sagen, die Interessen künftiger Generationen, der Schutz des Klimas sind CDU und SPD nicht mal eine Erwähnung wert. Auch das ist etwas, was wir Grüne scharf kritisieren. Und drittens, ein abschließendes Sondervermögen ist wieder nur eine zeitliche Begrenzung, eine zeitliche Untertunnelung der Schuldenbremse.

Und wenn man doch erkennt, dass man ein Problem mit der Schuldenbremse hat: Warum trickst man dann immer, statt einmal eine ordentliche Reform zu wagen? Die wäre möglich, zeitlich genauso schnell wie all das, was die CDU jetzt hier tut. Und die wäre aus unserer Sicht auch nötig.

WDR: Viele Leute finden die Fragen, die sie da noch haben, und auch die Anregungen, durchaus legitim. Aber es geht ja hauptsächlich um Verteidigung. Am Ende um nationale Sicherheit und um Infrastruktur. Ist die Nummer nicht ein bisschen zu groß, um hier und da jetzt auch parteitaktisch zu agieren?

Katharina Dröge: Also gerade, wenn wir darum argumentieren und ringen, wie man Verteidigung richtig definiert, dann geht es aus meiner Sicht nicht um Parteitaktik, sondern es geht genau um Sicherheit. Und wenn die zu kurz definiert ist, haben wir ein Sicherheitsproblem in Deutschland.

WDR: Aber Sie treiben die CDU und SPD schon ein bisschen vor sich her, indem Sie sagen: "Ja, Moment mal, da ist noch gar nicht zugestimmt. Wir haben viele Fragen und auch einige Forderungen."

Katharina Dröge: Wir laden die CDU seit Monaten ein, mit uns sachlich, ordentlich, in einem vernünftigen Verfahren Gespräche über diese Fragen zu führen. Dass die CDU versucht, das jetzt in einer Woche überstürzt in einem fehleranfälligen Verfahren zu lösen, das ist nicht klug. Die Linke hat schon gedroht, dagegen Karlsruhe zu klagen.

Auch deswegen ist unser Rat, direkt über breitere Mehrheiten zu gehen, das Ganze ordentlich zu machen. Es hilft auch gar nichts, wenn man am Ende so eine Grundgesetzänderung beschließt oder drei auf einmal und dann sagt Karlsruhe am Ende: "Das funktioniert so nicht."

Das Interview führte Andeas Bursche.

Unsere Quellen:

  • Interview im WDR 5 Morgenecho mit Katharina Dröge
  • Nachrichtenagentur dpa

Anmerkung der Redaktion: Die Textversion des Interviews wurde der Einfachheit bzw. Leserlichkeit halber leicht bearbeitet.