"Der Fortbestand der kommunalen Selbstverwaltung in unserem Land steht auf dem Spiel", heißt es in dem Brandbrief des nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebunds an den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU). Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus über 350 Mitgliedskommunen haben ihn unterzeichnet.
Die Städte und Kommunen würden demnach vor einer Anhäufung von Herausforderungen stehen und dadurch immer stärker in eine finanzielle Notlage geraten. Beispielhaft werden etwa eine stark inflationäre Preisentwicklung, die Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen, die Verpflichtung zur Erstellung von Wärmeplanungen, unzureichend finanzierte Kosten für die Kindertagesbetreuung und steigende Sozialausgaben genannt.
"Schlittern 2024 ungebremst in die Handlungsunfähigkeit"
"Während die Steuereinnahmen stagnieren und Bund und Land Zuweisungen kürzen, explodieren die Kosten für Sachaufwendungen und Personal sowie die Versorgung von Geflüchteten", sagte der Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW und Bürgermeister von Soest, Eckhard Ruthemeyer (CDU). "Zusätzlich konfrontieren Bund und Land die Städte und Gemeinden mit neuen Aufgaben wie etwa dem Rechtsanspruch auf Ganztag, ohne die nötigen Mittel bereitzustellen."
Nach einer aktuellen Umfrage des Städte- und Gemeindebundes gingen mindestens vier von zehn Kommunen davon aus, im kommenden Jahr in die Haushaltssicherung gehen zu müssen. "Die chronische Unterfinanzierung und die Vielzahl an Krisen nehmen uns die Luft zum Atmen", sagte Ruthemeyer. "Wenn Bund und Land nicht endlich ein Einsehen haben und die Kommunen so ausstatten, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können, schlittern wir 2024 ungebremst in die Handlungsunfähigkeit."
Das fordern die Kommunen
Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister appellierten an Wüst, ein Sofortprogramm zur Rettung der kommunalen Handlungsfähigkeit zu unterstützen. Dazu gehörten:
- Eine den Aufgaben angemessene Finanzausstattung durch eine deutliche Erhöhung des Verbundsatzes im Gemeindefinanzierungsgesetz - also mehr Geld für jede Kommune.
- Eine kurzfristige Ausschöpfung aller Ressourcen, um den Kommunen zu helfen
- Der Abbau von Bürokratie-Hemmnissen.
- Verzicht auf gesetzliche Regelungen, die allein zulasten der Städte und Gemeinden gehen.
Sollten Bund und Land untätig bleiben, würden viele Städte und Gemeinden zu Konsequenzen gezwungen sein: "Wir können uns dann nicht mehr über die Bäder unterhalten, über Kultureinrichtungen, über Sporteinrichtungen, und natürlich, wenn es dann nicht mehr mit dem Sparen reicht, werden auch Steuererhöhungen erforderlich", sagte Ruthemeyer im WDR-Interview. So könnte 2024 etwa die Grundsteuer oder auch die Gewerbesteuer erhöht werden. Bürgerinnen und Bürgern seien derartige Schritte nicht mehr vermittelbar.
Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Schäffer: "große Herausforderungen"
Die Co-Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion, Verena Schäffer, sagte dem WDR: Die finanzielle Situation in den Kommunen sei äußerst angespannt, sie sprach von "großen Herausforderungen". Schäffer versicherte: "Wir verstehen uns als Anwälte der Kommunen in Berlin." Darum werde sich die NRW-Landesregierung dafür einsetzen, dass der Bund in eine "dynamisierte, flüchtlingsbezogene Finanzierung" der Unterbringung und Integration von Schutzsuchenden einsteigt.
Maßnahmen des Landes
Erst am Mittwoch wurde von der NRW-Landesregierung das Gemeindefinanzierungsgesetz in den Landtag eingebracht. Demnach will das Land die Kommunen mit 15,3 Milliarden Euro unterstützen. Kritik gab es dennoch aus der Opposition: Das vorgelegte Gesetz der Landesregierung sei unzureichend, hieß es.
Die schwarz-grüne Landesregierung selbst sieht die Verantwortung für die Haushaltsfragen unter anderem in Berlin. "Haushalterische Spielräume werden weniger", sagte NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU). Sie verwies dabei auf neue Aufgaben, die der Bund zugewiesen habe - beispielsweise das sogenannte "Wachstumschancengesetz".
Zuletzt wurde außerdem eine Lösung für die kommunalen Altschulden diskutiert, Kommunalministerin Scharrenbach hat die angedachte Regelung aber auf das Jahr 2025 verschoben. "Unser Brief zeigt, dass es nicht hilft, uns Altschulden abzunehmen, wenn wir gleichzeitig, bei der jetzigen Situation, sehenden Auges in eine neue Verschuldung gehen", sagte der Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW Ruthemeyer dazu im WDR.
Unsere Quellen:
- Offener Brief des Städte- und Gemeindebunds Nordrhein-Westfalen an Hendrik Wüst
- Pressemitteilung des Städte- und Gemeindebunds Nordrhein-Westfalen vom 21.09.2023
- Agenturmitteilung der dpa
- Interview mit Eckhard Ruthemeyer, Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW, im WDR 5 Morgenecho vom 21.09.