Lauterbach stellt Pläne zur Cannabis-Legalisierung vor - ein Überblick
Stand: 13.04.2023, 09:40 Uhr
Gesundheitsminister Lauterbach hat die neuen Pläne zur Cannabis-Legalisierung vorgestellt. Sie sind deutlich abgespeckter als die ursprünglichen. Das Wichtigste auf einen Blick.
Von Jörn Seidel, Christian Wolf, Nina Magoley, Dominik Reinle
Der Verkauf von Cannabis soll nun doch nicht für alle ab 18 Jahren legalisiert werden. Auch soll die Cannabis-Menge, die man straffrei besitzen darf, kleiner ausfallen, als ursprünglich geplant. Am Mittwochvormittag haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) die überarbeiteten Pläne für die Cannabis-Legalisierung vorgestellt.
Wie sehen die neuen Pläne aus? Was macht die Cannabis-Legalisierung rechtlich so schwierig? Und welche Reaktionen gibt es auf die Pläne? Fragen und Antworten.
Wie sehen die neuen Pläne zur Cannabis-Legalisierung aus?
Das neue Eckpunkte-Papier zur Cannabis-Legalisierung, aus dem bald ein Gesetzentwurf hervorgehen soll, ist längst nicht so weitreichend wie jenes, das der Gesundheitsminister im Herbst vorgestellt hatte.
Ziel sei es, den Schwarzmarkt für verunreinigtes Cannabis zu verdrängen, den Einstieg in stärkere Drogen zu verhindern, Kinder und Jugendliche zu schützen, sagte Lauterbach. "Niemand soll mehr bei Dealern kaufen müssen, ohne zu wissen, was man sich da einhandelt", betonte auch Özdemir.
Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister
Lauterbach kündigte ein Zwei-Säulen-Modell an. Die erste Säule sei eine "schnelle", bei der es darum gehe, vom Verbieten wegzukommen. Die zweite Säule solle erst später umgesetzt werden. Dabei gehe es um Modellprojekte, um langfristig kommerzielle, staatlich kontrollierte Lieferketten aufzubauen. Die neuen Eckpunkte auf einen Blick:
- Vorerst doch kein Verkauf an jedermann in Shops: Die Droge sollte ursprünglich in Cannabis-Shops ("lizenzierte Fachgeschäfte") oder eventuell auch Apotheken legal ab 18 Jahren gekauft werden können. Das war der Kern der geplanten Cannabis-Legalisierung der Ampel-Regierung. Doch dieses Vorhaben wird nun verschoben.
- Verkauf in Cannabis-Clubs: Eine Art Zwischenschritt zum freien Verkauf sollen sogenannte Cannabis-Clubs darstellen, sagten Lauterbach und Özdemir am Mittwoch. In solchen Vereinen könnten sich Mitglieder mit Cannabis-Produkten aus eigenem Anbau versorgen. Die Vereine dürften bis zu 500 Mitglieder haben.
- Legaler Kauf von bis zu 25 Gramm: Lauterbachs ursprünglicher Plan war, dass maximal 30 Gramm "Genuss-Cannabis" zum Eigenkonsum straffrei sein sollen. Nun sollen es 25 Gramm sein, die man in den geplanten Cannabis-Clubs kaufen darf, wie Lauterbach bestätigte. Monatlich dürfen demnach 50 Gramm erworben werden. Volljährige unter 21 Jahren dürfen nur 30 Gramm erwerben.
- Fünf Cannabis-Pflanzen pro Person: Außerdem darf jede und jeder Volljährige nach den neuen Plänen fünf Cannabis-Pflanzen, darunter drei weibliche blühende, im Eigenanbau besitzen. So war es auch ursprünglich geplant. Wie Lauterbach am Mittwoch betonte, müssen diese Pflanzen nach den neuen Plänen vor dem Zugriff von Kindern und Jugendlichen geschützt sein.
- Cannabis-Abgabe in Modellprojekten: Eine Abgabe in lizenzierten Geschäften - also außerhalb der Cannabis-Clubs - soll nach den neuen Plänen vorerst nur wissenschaftlich begleitet in regionalen Modellprojekten möglich sein. Das ist Teil der zweiten Säule der neuen Pläne zur Cannabis-Legalisierung. Lauterbach versprach am Mittwoch "umfängliche Schutzmaßnahmen", um dabei Cannabis-Tourismus zu verhindern. Zum Beispiel solle in einer Kommune nur so viel angebaut werden dürfen, wie dort auch konsumiert werden kann.
Die Firma Cannamedical aus Meerbusch (Rhein-Kreis Neuss) zum Beispiel begrüßt die neuen Pläne zur Cannabis-Legalisierung von Gesundheitsminister Lauterbach. Sie will Meerbusch zum Zentrum im legalen Cannabis-Handel machen.
Welche rechtlichen Probleme gibt es bei der Cannabis-Legalisierung?
Die Materie ist rechtlich schwierig: Von Anfang an gab es Bedenken, dass das Ampel-Vorhaben an internationalem und EU-Recht scheitern könnte oder davon ausgebremst wird.
Lauterbach hatte Mitte März zwar gesagt, er habe von der EU-Kommission sehr gute Rückmeldungen zu dem Vorhaben bekommen. Aber auch der SPD-Parteivorstand kam kürzlich zu dem Schluss:
Dahinter steckt insbesondere das "Schengener Durchführungsübereinkommen". Darin haben sich die Staaten des Schengen-Raums dazu verpflichtet, "die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabis-Produkten sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden".
Welche Reaktionen gibt es auf die Cannabis-Pläne?
In der Ampel-Koalition zeigten sich Fachpolitikerinnen und -politiker froh darüber, dass sich nun etwas bewegt. "Ein verspätetes Osterei liegt im Hanfnest!", twitterte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther. "Endlich!", schrieb die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Kristine Lütke.
Seit SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag eine Cannabis-Legalisierung ankündigten, wurden öffentlich wieder viele Argumente pro und kontra ausgetauscht. Ein entschiedener Gegner der Cannabis-Freigabe war bislang NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Er verwies in der Vergangenheit immer wieder auf das Beispiel Niederlande. Dort dürfen niederländische Coffeeshops Cannabis verkaufen, doch der Ladeninhaber darf es nicht legal einkaufen; Anbau und Großhandel sind verboten. Die Folge: Der Schwarzmarkt blüht und die Drogenmafia macht ein gutes Geschäft.
"Niederlande kein Vorbild"
Bei der Vorstellung des Konzept hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Niederlande allerdings explizit als Negativbeispiel bezeichnet: "Wir haben uns eher daran orientiert, dass wir es nicht so machen wie die Niederlande." Der Unterschied liege vor allem darin, dass dort die Ware weiterhin aus unklarer Herkunft über den Schwarzmarkt verkauft wird, weil der Einkauf weiter strafbar ist. In Deutschland dagegen solle es keine Konsumräume für Cannabis geben, dafür aber kontrollierte Herstellung.
Herbert Reul (CDU), NRW-Innenminister
Dennoch erklärte das NRW-Innenministerium am Mittwoch: "An der grundsätzlichen Haltung unseres Hauses hat sich nichts geändert." Es bleibe abzuwarten, wie die Pläne abschließend aussehen. Erst, wenn es rechtlichen Grundlagen gebe, werde das NRW-Innenministerium "eine neue Bewertung vornehmen".
Irreversible Schäden durch Kiffen möglich
Der Berufsverband Kinder- und Jugendärzte warnte vor gesundheitlichen Gefahren insbesondere für junge Menschen. Aus internationalen Studien wisse man längst, dass früher Cannabiskonsum auch bei kleinen Mengen unter anderem zu Psychosen, Angststörungen und Depressionen führen könne, "die in den meisten Fällen nicht reversibel sind", sagt Bundesverbandssprecher Jakob Maske. Streng genommen gelte das bis zum 25. Lebensjahr.
Kinderarzt Maske: Cannabis gefährlich bis 25
Dass das neue Gesetz den Jugendschutz deshalb in den Vordergrund stellt, sei grundsätzlich gut, sagt der Arzt. Er habe allerdings starke Zweifel daran, dass sich der Schwarzmarkt künftig verdrängen lasse. "Dass das nicht funktioniert, sehen wir in vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel Südafrika, Malta oder Kanada."
NRW-GdP geht von Kontrollproblemen aus
NRW-GdP-Chef Michael Mertens
Auch der NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens widersprach Lauterbachs Einschätzung, die geplanten Maßnahmen könnten den Schwarzmarkt austrocknen. Dieser werde weiter florieren, sagte Mertens am Mittwoch dem WDR. Das Thema sei an vielen Stellen nicht zu Ende gedacht - zum Beispiel, wenn es ums Autofahren und Cannabiskonsum gehe. Fragen rund um die Verkehrssicherheit seien nicht geregelt.
"Es ist eine Teillegalisierung, also es bleibt auch ein weiterer Teil illegal", sagte Mertens. Dadurch würden Polizei und Justiz nicht entlastet. "Es sei denn, man will das dieses Delikt nicht mehr verfolgt wird." Falls Kontrollen politisch nicht gewollt seien, "könnte man tatsächlich die Zahlen in diesem Bereich reduzieren." Dann bleibe aber trotzdem das Probleme, dass Jugendliche und Schulen kontrolliert werden müssten.
Mehr Jugendliche konsumieren Cannabis
Der Cannabis-Konsum nimmt bei jungen Erwachsenen seit einigen Jahren wieder zu, wie Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen. Das betreffe nicht nur das Ausprobieren, sondern auch den regelmäßigen Konsum.
Befürworter einer Cannabis-Legalisierung sagen hingegen, dass dadurch die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert wird. Außerdem argumentieren sie, dass Cannabis-Konsumenten derzeit oft stigmatisiert und als "kriminelle Kiffer" abgestempelt würden. Betroffene hätten dann oft Angst davor, offen über ihre Sucht zu sprechen. Eine Legalisierung könne helfen, dass Süchtige eher Hilfsangebote annehmen.
Über dieses Thema berichtet am 12.04.2023 auch die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.