Grenzwert für Cannabis im Straßenverkehr

Aktuelle Stunde 07.06.2024 32:27 Min. UT Verfügbar bis 07.06.2026 WDR Von Kristina Klusen

Bekifft am Steuer? Neue Cannabis-Grenzwerte im Straßenverkehr

Stand: 07.06.2024, 15:55 Uhr

Der Bundestag hat am Donnerstag neue Regeln für Cannabis-Grenzwerte am Steuer beschlossen. Künftig sollen 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut erlaubt sein. Doch ab wann ist man eigentlich bekifft? Darüber haben wir mit einem Toxikologen der Uni Köln gesprochen.

Von Andreas Poulakos

Rund zwei Monate nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis wurde auch das Straßenverkehrsrecht an die neue Realität angepasst. Der Bundestag hat einen Grenzwert für Cannabis-Konsum im Straßenverkehr beschlossen. Das Parlament nahm den entsprechenden Gesetzentwurf der Ampel-Regierung an.

Der Cannabis-Grenzwert wird auf 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter im Blutserum festgelegt. Das ist laut der Expertenkommission, die den Grenzwert vorgeschlagen hatte, vom Risiko her vergleichbar mit einem Alkoholwert von 0,2 Promille. Bei erstmaliger Überschreitung droht eine Strafzahlung von 500 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot.

Außerdem gilt ein strenges Mischkonsum-Verbot. Heißt: Für Cannabis-Konsumenten gilt ein komplettes Alkoholverbot im Straßenverkehr. Bei Verstößen droht ein höheres Bußgeld von rund 1000 Euro. Autofahrer unter 21 Jahren müssen weiterhin - wie auch bei Alkohol - komplett nüchtern sein.

Risiko beim Fahren: Längere Reaktionszeiten und eingeschränkte Wahrnehmung

Dass Autofahren unter dem Einfluss von Cannabis gefährlich sein kann, ist unbestritten: Die Droge führt zu verlängerten Reaktionszeiten, verminderter Konzentrationsfähigkeit und einer eingeschränkten Wahrnehmung. Das Problem: THC ist im Blut auch dann noch nachweisbar, wenn der Rausch längst verflogen ist. Der neue, recht strenge Grenzwert soll nun sicherstellen, dass sich Konsumenten nicht berauscht hinters Steuer setzen, aber auch nicht zu Unrecht bestraft werden.

THC-Grenzwert: "Fahruntüchtigkeit schwer zu ermitteln"

WDR 5 Morgenecho - Interview 06.06.2024 06:37 Min. Verfügbar bis 06.06.2025 WDR 5


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Wie die Polizei den THC-Wert kontrollieren kann

Die Kontrollen sind ähnlich wie bei Alkohol. Das heißt, die Polizei schaut bei einer Kontolle erst auf äußerliche Merkmale, die auf einen Konsum von Cannabis hindeuten - also zum Beispiel glasige oder gerötete Augen oder eine verlangsamte Reaktionsfähigkeit. Dann können die Beamten entweder einen Urin-Test machen oder auch eine Speichelprobe. Ist dieser Test dann positiv, folgt der Bluttest. Und der zeigt definitiv, wie hoch der THC-Wert im Blut ist.

Toxikologe: Nutzer können eigene Belastung kaum einschätzen

Toxikologe Martin Jübner

Toxikologe Martin Jübner

"Direkt nach dem Konsum ist der Grenzwert auf jeden Fall überschritten", erklärt Martin Jübner, Toxikologe an der Uniklinik Köln, dem WDR. Sind seit dem Joint allerdings einige Stunden vergangen, dann sei eine Einschätzung kaum möglich. "Das unterscheidet sich stark von einer Alkoholaufnahme, wo man anhand der Menge sehr gut abschätzen kann, wie viel Alkohol man im Blut hat." In der Regel könne der Nutzer außerdem nicht wissen, wie viel Wirkstoff genau er sich mit einem Joint zuführt, so Jübner.

"Im Einzelfall kann auch nach zwölf Stunden der Grenzwert noch überschritten sein." Martin Jübner, Toxikologe

Zwar gebe es Empfehlungen, nach dem Rauchen mindestens zwölf Stunden zu warten, bevor man wieder ein Fahrzeug steuert, sagt der Toxikologe. "Aber im Einzelfall kann auch nach zwölf Stunden der Grenzwert noch überschritten sein." Das betreffe vor allem regelmäßige Konsumenten, die deshalb auch in Zukunft damit rechnen müssten, bei Kontrollen Probleme zu bekommen.

THC-Grenzwert: "In Praxis sinnlos"

WDR 5 Morgenecho - Interview 06.06.2024 07:53 Min. Verfügbar bis 06.06.2025 WDR 5


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Hanf-Lobbyist: Regelmäßige Konsumenten sind benachteiligt

"Unter den Hanfnutzern gibt es immer noch viel Unsicherheit", sagt auch Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband. Dass ausgerechnet regelmäßige Konsumenten wohl nicht von den neuen Grenzwerten profitieren werden, hält Wurth für ungerecht. Gerade sie hätten bereits eine hohe Toleranz gegen THC entwickelt und seien deshalb im Straßenverkehr viel weniger beeinträchtigt als Gelegenheitskiffer. Das Problem: "THC reichert sich im Fettgewebe an, was dann in kleinen Dosen nach und nach ins Blut ausschwemmt." Deshalb hätten sie zwar höhere Blutwerte, seien aber gleichzeitig völlig nüchtern.

Georg Wurth

Hanf-Lobbyist Georg Wurth

Experten zufolge entspreche ein THC-Grenzwert von 3,5 ungefähr einem Alkoholgehalt von 0,2 Promille, sagt Wurth. "Wir hätten uns einen höheren Grenzwert gewünscht." Denn so würden nach wie vor Cannabis- und Alkoholkonsumenten im Straßenverkehr nicht gleich behandelt. Etwa 80 Prozent der Cannabis-Nutzer seien allerdings mit den neuen Grenzwerten auf der sicheren Seite. "Ich meine die Menschen, die abends einen Joint geraucht und dann bis zum Morgen geschlafen haben, bevor sie sich ans Steuer setzen."

Die Opposition im Bundestag lehnt die neuen Grenzwerte ab. Die Koalition ignoriere die Warnungen der Polizei vor einer Erhöhung des Grenzwertes, so der Vorwurf. Der CDU-Fachpolitiker Florian Müller sprach von einem "schwarzen Tag für die Verkehrssicherheit". SPD, Grüne und FDP wiesen die Kritik zurück. Der Union gehe es lediglich darum, Cannabis-Konsumenten zu "kriminalisieren".

Unsere Quellen

  • Deutscher Bundestag, Parlamentsnachrichten
  • TÜV Rheinland, Pressestelle
  • Interviews mit Martin Jübner und Georg Wurth

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