ChatGPT sieht recht unscheinbar aus: Eine Website in schwarz-weißem Design mit einem kleinen Chat-Fenster. Trotzdem wurden für diesen Prototypen bereits einige Superlative in der Öffentlichkeit gefunden: ein Durchbruch, Quantensprung, der Anbruch einer neuen Zeit. Der Chatbot wurde von dem amerikanischen Unternehmen OpenAI entwickelt und basiert auf dem Sprachmodell GPT-3.
Und tatsächlich ist er anders als die Chatbots, die wir bisher kennen. "Es ist eine Künstliche Intelligenz, die natürlichsprachliche Dialoge ermöglicht. Als würde ich mit einem Menschen chatten", sagt Nicolas Flores-Herr. Er forscht am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS.
Potenzial: Zeit sparen
Die Möglichkeiten, ChatGPT anzuwenden, sind daher enorm. Eine US-Hilfsorganisation schult mit der KI beispielsweise ihre Berater. So werden ausgebildete Mitarbeitende nicht mehr benötigt, um im Rollenspiel neue Kollegen zu trainieren - sondern können ihre Zeit verwenden, um Hilfesuchende zu unterstützen.
Auch in Alltagssituationen könnte ChatGPT zum Einsatz kommen - zum Beispiel, wenn man einen Schaden bei einer Versicherung melden will. "Wenn Ihnen jemand ins Auto fährt, müssen sie viele Anrufe tätigen", sagt Flores-Herr. "Das kann in Zukunft alles sehr viel schneller und schlanker vonstatten gehen." Kunden könnten so viel Zeit sparen.
Risiko: Verlust von Arbeitsplätzen
Gleichzeitig könnten viele Service-Angestellte ihre Arbeitsplätze verlieren. Auch Vertreter der schreibenden Zunft könnten durch Chat GPT ersetzt werden - denn der Bot kann nicht nur Dialoge führen, sondern auch Texte verfassen. Im Marketing wird die KI als Revolution gefeiert, die zum Beispiel kurze Werbetexte schreiben kann.
"Ich sehe auch viele Anwendungen im Programmier-Bereich", sagt Ute Schmid, Informatik-Professorin an der Uni Bamberg. Denn auch Programmier-Codes in verschiedenen Sprachen kann ChatGPT schreiben und somit Aufgaben lösen.
Allerdings: Bislang gebe die KI keine Quellen an, betont Professorin Schmid. Man weiß also nicht, woher genau die Informationen stammen, die in die Antworten von ChatGPT einfließen. "Das macht die Texte für viele Bereiche wertlos - beispielsweise für Qualitätsjournalismus", so Schmid. Noch ist also schwer zu sagen, welche Arbeitsplätze wegfallen, welche sich verändern und welche entstehen.
Potenzial: Effizienter arbeiten
Denn die KI bietet Arbeitenden gleichzeitig auch die Möglichkeit, sich effizienter zu organisieren. Wenn ChatGPT einfache Texte und Codes schreiben kann, kann sich der Mensch anderen und kreativeren Aufgaben widmen. "Die Art der Arbeit wird sich ändern", sagt Nicolas Flores-Herr vom Fraunhofer Institut. Und es könne sein, dass dies schnell passiert. Künstliche Intelligenz sei eine ähnlich weitreichende Revolution wie das Internet.
Potenzial: Alltag bequemer machen
Weltweit gibt es rund 3,5 Milliarden Google-Suchanfragen, zumindest laut dem Mutterkonzern der Suchmaschine. ChatGPT liefert auf Fragen keine Auswahl von Links, sondern direkte Antworten. Teilweise bietet der Bot auch weiterführende Informationen an. Verrät man der KI, dass man sich nicht gut fühlt, bietet sie an, ob sie Tipps zur Selbsthilfe geben soll.
Allerdings kann das auch nach hinten losgehen: So sind ältere Fälle bekannt, in denen KI auf die Aussage: "Ich möchte mich umbringen" erwiderte: "Wie kann ich dir dabei helfen?" ChatGPT reagiert heute aber mit der Aufforderung, sich Hilfe zu suchen und Infos zu Beratungsangeboten.
Risiko: KI produziert Nonsens
Einige Antworten der KI sind allerdings auch mit Vorsicht zu genießen. "ChatGPT liefert plausibel klingende Aussagen. Sie sind aber manchmal, wenn man näher hineinschaut, falsch und unsinnig", warnt Christian Schlereth. Er leitet den Lehrstuhl für Digitales Marketing an der WHU in Düsseldorf.
Ähnliche Erfahrungen hat auch Ute Schmid gemacht, die auch Expertin bei der KI-Plattform Lernende Systeme ist. Sie hat ChatGPT Fragen gestellt wie: "Was ist schwerer - ein Kilo Stahl oder ein Kilo Watte?" Die Antwort: "Es gab ein langes Argument, warum ein Kilo Stahl schwerer sei." Auch in anderen Fällen habe die KI daneben gelegen.
Risiko: Ideologische Färbung
Ebenfalls könnten Antworten der KI ideologisch gefärbt sein. Denn: Bisher ist wenig darüber bekannt, wie ChatGPT die Texte auswählt, die in seine Antworten einfließen. Was man weiß: Die KI orientiert sich an der Menge von Texten und Meinungen, die im Internet zu einem Thema vorhanden ist. "Im Extremfall bedeutet das: Wenn mehr Leute behaupten würden, die Erde ist eine Scheibe als dass sie rund ist, könnte ChatGPT diese Falschinformation übernehmen."
Landen diese falschen Informationen im Internet, könnte der Chatbot sie immer wieder aufgreifen, wenn er das Netz nach Antworten auf andere Fragen durchsucht. "Das heißt: Eine zukünftige Version von ChatGPT wird von Maschinen geschriebene Inhalte aufnehmen. Sie wird dies als Wahrheit verarbeiten, darauf basierend trainieren und zukünftige Antworten liefern", erklärt Marketing-Professor Schlereth.
Risiko: Kulturelle Eigenschaften könnten zu kurz kommen
Der Großteil der Texte im Netz ist auf Englisch. Andere Sprachen, wie Deutsch, sind nicht so gut repräsentiert. So könnten kulturelle Eigenschaften bei den Auswertungen der KI zu kurz kommen. Daher muss man sich über Sprachgerechtigkeit Gedanken machen, sagt Nicolas Flores-Herr vom Fraunhofer IAIS.
"Sprache ist Kultur. Wenn eine KI kein Gefühl für eine Sprache hat, kann sie diese und ihre Kultur verdrängen", sagt der Forscher. "Dann sind die Sprachen, die KI dominieren, auch die dominierenden Kulturen. Das wären dann wahrscheinlich Chinesisch und Englisch."