Diskussion um "Safer Space" bei Kolonial-Ausstellung
Aktuelle Stunde. 02.09.2023. 34:43 Min.. UT. Verfügbar bis 02.09.2025. WDR. Von Michael Westerhoff.
Polizeischutz für Kolonial-Ausstellung im Museum Zeche Zollern
Stand: 02.09.2023, 20:25 Uhr
Seit einigen Monaten ist der Samstag im LWL-Museum Zeche Zollern für Schwarze Menschen und People of Color reserviert. Vier Stunden lang können sie sich in Ruhe eine Kolonialismus-Ausstellung anschauen - so der Plan. Aber heute ist der Staatsschutz alarmiert.
Von Nadia Aboulwafi
Vier große Polizeiwägen stehen schon bereit, als ich in die Straße einbiege. Die Beamten stehen daneben und zeigen Präsenz. Sie erwarten heute Demonstranten aus dem rechten Spektrum. Die Ausstellung “Das ist kolonial.” sorgte in den letzten Tagen in den sozialen Medien für viel Aufsehen. Der Vorwurf: Rassismus gegen Weiße.
Ein Mann mit "Reichsadler" auf dem Pullover
Als ich auf den Parkplatz fahre, steigt ein junger Mann aus seinem Auto aus. Er trägt einen schwarzen Pullover. Auf dem Rücken steht mit großer Schrift “Deutsches Reich” und ein Reichsadler ziert seinen Pullover. Er geht zum Eingang, aber nicht rein und schaut sich von außen das Gelände der Zeche an.
Angespannte Stimmung
Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger
Ich gehe an ihm vorbei und merke, dass obwohl es früh am Morgen ist, schon einige Personen da sind. Es sind allerdings nicht Besucher, die Schlange stehen, um sich die Ausstellung anzuschauen oder zu protestieren, dass sie nicht rein dürfen. Es sind vor allem Museumsmitarbeiter, der Geschäftsführer des Museumsverband Nordrhein-Westfalen und die LWL-Kulturdezernentin. Und sie stellen sich den Vorwürfen.
Warum “safer space”?
Geschäftsführer des Museumsverband Nordrhein-Westfalen, Tilmann Bruhn.
Die Ausstellungswerkstatt sei ein Experiment. Samstags wolle man Schwarzen Menschen und People of Color einen geschützten Raum bieten, der sogenannte “safer space”, damit diese in Ruhe Inhalte der Ausstellung verarbeiten können. Dieses Konzept sei auch auf Wunsch der Community entstanden. Damit wolle das Museum auch Angebote für unterschiedliche Zielgruppen anbieten, meint LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Den Vorwurf, dass dies Rassismus gegen Weiße sei, weist sie klar als “absoluten Blödsinn” zurück. Und auch der Geschäftsführer des Museumsverband Nordrhein-Westfalen, Tilmann Bruhn, bezeichnete den Vorwurf als “Denkschema aus dem rechten Spektrum”. Ihm sei wichtig, dass Themen wie Kolonialismus gemeinschaftlich ausgehandelt werden müssen.
Die Ausstellung bietet Raum zur Diskussion
In der Ausstellung treffe ich auf einen Besucher. Uwe Kiwitt ist Historiker. Obwohl er weiß ist, besucht er die Ausstellung während der Zeiten, die für BIPOC reserviert sind. Er ist empört, denn der “safer space” solle die Leute verhöhnen, die hier auf der Zeche hart gearbeitet und bestimmt nicht die Privilegien des alten weißen Mannes genossen haben. “Es müsse Raum für eine bürgerliche, aufklärerische Kritik geben.” Und Raum zur Diskussion.
Dabei ist die Ausstellung als Werkstatt konzipiert. Hier werden viele Fragen gestellt, die die Besucher auf Zetteln beantworten und an Pinnwände hängen können. Am Eingang steht auch niemand, der kontrolliert, wer in die Ausstellung geht. Es steht lediglich ein Hinweisschild, das auf die “safer space” - Stunden aufmerksam macht.
Info-Aufsteller vor dem Eingang zur Ausstellung "Das ist kolonial"
Ist die Zeche Zollern der richtige Ort für eine Kolonialismuskritik?
Die Ausstellung geht auf die koloniale Vergangenheit Westfalens ein. Die Zeche Zollern gehörte zur Gelsenkirchener Bergwerks AG, dessen Direktor mehreren Vereinen angehörte, die koloniale Propaganda betrieben, erklärt mir Projektleiterin Jana Golombek. Sie sagt weiter, dass es im ländlichen Bereich, wie in Westfalen, viele Kolonialvereine gab.
Das Angebot kommt gut an
Die Museumsleiterin, Annette Kugler-Mühlhofer, erklärt mir, dass sie bisher gutes Feedback von Schwarzen und People of Color bekommen habe. Sie wolle neue Zielgruppen erreichen und das hätte bisher gut geklappt. Bevor die Ausstellung in den letzten Tagen viral ging, gab es bisher weniger als zehn schriftliche Beschwerden über ihr Experiment, ein “safer space” für Schwarze und People of Color.
Museumsleiterin Annette Kugler-Mühlhofer
Diese waren heute aber nicht vor Ort. Auch Demonstranten haben heute ihren Weg nicht zum Museum gefunden. Als ich nach mehreren Stunden zum Ausgang ging, stand auch nicht mehr der einsame Mann mit dem auffälligen Pullover am Eingang.