Die Protestwelle gegen den Rechtsextremismus hält an in Nordrhein-Westfalen. Im Land gab es am vergangenen Wochenende etwa 40 Kundgebungen. In Düsseldorf gingen am Samstag laut Polizei 100.000 Menschen auf die Straße - damit war es die bisher größte Veranstaltung in NRW seit Beginn der Demonstrationen vor knapp zwei Wochen.
Aber auch in kleineren Orten gab es am Wochenende ungewöhnlich gut besuchte Demos. Allein im westlichen Münsterland protestierten laut Polizei am Samstag in Bocholt 8.000 bis 9.000 Menschen, in Borken etwa 4.500 und in Vreden rund 2.000.
Viel Zivilcourage nötig
Im bergischen Radevormwald zählte die Polizei am Sonntag "nur" 800 bis 1.000 Teilnehmer - angesichts einer Einwohnerzahl von gerade mal 22.000 sei die Demo aber ungewöhnlich gut besucht gewesen, sagt Fritz Ullmann vom Runden Tisch gegen Rechts. Die Teilnehmer hätten viel Zivilcourage bewiesen, meint Ullmann: "In einer Kleinstadt ist Demonstrieren eine andere Herausforderung als in der Großstadt."
Denn in Radevormwald gebe es eine aktive rechte Szene, die genau beobachte, wer sich auf der Gegenseite engagiert. Viele Menschen hätten deshalb Bedenken, sich offen gegen Rechtsextremismus zu stellen, so der Aktivist und ehemalige Ratsherr des Linken Forums.
Impuls von ganz "normalen Bürgern"
Im oberbergischen Morsbach hatten am Samstag rund 800 Menschen gegen die AfD demonstriert. "Der Wunsch, Flagge zu zeigen, kam dabei nicht von uns aus der Politik", sagt Sebastian Schneider, Mit-Organisator und SPD-Ortsvereinsvorsitzender, "sondern von ganz normalen Bürgern".
Demos seien nichts Alltägliches in seiner kleinen Stadt, meint Schneider. In der jüngsten Vergangenheit habe es nur nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine eine ähnlich große Kundgebung gegeben. Das zeige, wie groß die Sorge über das Erstarken der AfD sei, auch und besonders in bürgerlichen Kreisen.
Protestforscher: Effekt der Demos auf dem Land besonders hoch
Der Erfolg der Demos in ländlichen Regionen sei ungewöhnlich groß, sagt Tareq Sydiq, der am Zentrum für Konfliktforschung in Marburg zu Protestbewegungen forscht. Das zeige, wie groß die Empörung über die mutmaßlichen "Deportationspläne" der AfD sei - gerade in der Mitte der Gesellschaft.
"Interessant finde ich vor allem, dass ein übliches Narrativ von rechtsaußen gerade widerlegt wird", meint Sydiq. Der Protest gehe diesmal eben nicht nur von links-alternativen Kräften in den Großstädten aus. Und der Effekt der kleinen Demos auf dem Land dürfe nicht unterschätzt werden: "Proteste in der unmittelbaren Nachbarschaft werden stärker wahrgenommen als Massendemos in Berlin."
Insgesamt könne die Beteiligung der Landbevölkerung an den Protesten sogar einen echten Unterschied machen, sagt Sydiq. "Wenn Leute, denen ich vertraue und die ich persönlich kenne, sich an Protesten beteiligen, hat das einen ganz anderen Effekt, als wenn ich das nur in den Medien verfolge."
Unsere Quellen:
- WDR-Interviews
- Deutsche Presse Agentur