Riesiges Polizeiaufgebot, zehntausende Fans, wenig Ärger: Insgesamt haben 20 EM-Spiele in Nordrhein-Westfalen stattgefunden. Am gestrigen Abend rollte der Ball bei der letzten EM-Begegnung in Dortmund über den Rasen. Erstes Fazit von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU): Die Lage bei einigen Bundesligaspielen sei brenzliger als bei Spielen dieser Fußball-EM. "Ich will vorsichtig sein, da wir ja noch nicht fertig sind", sagte Reul am Mittwoch. "Aber bisher läuft es außerordentlich gut."
Körperverletzung und Sachbeschädigung
Unter anderem wurden laut Ministerium bis zum Halbfinale in Dortmund 132 Fälle von Körperverletzung registriert. Es gab Einsatz von Pyrotechnik und Sachbeschädigungen. Laut Reul gab es eine angespannte Situation in Gelsenkirchen - am Rande des Spiels Serbien gegen England. Da hatten Anhänger der Mannschaften vor dem Spiel randaliert – es flogen Tische und Stühle vor einem Lokal. Doch die Polizei sei schnell da gewesen.
Urlaubssperre für Polizisten
Der Aufwand für die Polizei in NRW war riesig. In Neuss wurde für die EM extra ein Lagezentrum errichtet, mehr als 300 Beamte aus mehreren Ländern haben da zusammengearbeitet. In die Sommerferien starten durfte bei der Polizei in NRW erst mal niemand, es gab eine Urlaubssperre.
Polizeibesuch im Heimatland
Relativ viele Randalierer seien erwischt worden. Reul lobte auch die internationale Zusammenarbeit. Es habe auch Fans gegeben, die bei ihrer Rückkehr im Heimatland gleich von der Polizei Besuch bekamen, weil sie in Deutschland auffällig geworden waren, erzählt der Minister.
Letztes Spiel in Dortmund: 100.000 Fans blieben weitgehend friedlich
Auch beim letzten EM-Spiel in Dortmund feierten die Fans weitgehend friedlich - und das bei weit über 100.000 Fans in der Stadt. Kurz gerieten niederländische und englische Fans zum Beispiel in einer Bar aneinander. Dabei warfen sie laut Polizei mit Flaschen und Stühlen.
"Man muss das auch in Relation sehen", ordnet Polizeiführer Achim Stankowitz die Auseinandersetzungen in die Abschlussbilanz ein: "Das Gros der Menschen ist völlig friedlich geblieben und darüber freuen wir uns."
Lob für die Polizei auch von Fanforscher Lange
Der renommierte Würzburger Fanforscher Prof. Harald Lange bescheinigt der Polizei, bestens für die Sicherheit im Zuge der EM gesorgt zu haben. Es sei bislang eine ausgelassene und fast schon eher eine "Party-EM" statt einer Fußball-EM gewesen, sagte Lange dem WDR. "Unschön" sei das Zeigen des Wolfsgrußes von einigen Fans der türkischen Mannschaft gewesen. Die Polizei habe aber in solchen Fällen "sehr besonnen" reagiert und so mit dazu beigetragen, dass die Lage nicht aus dem Ruder gelaufen sei, so Lange. Auch die Abläufe in den Fanzonen seien gut durchorganisiert gewesen. "Zwar könnte man in den Fanzonen die teils gesalzenen Preise kritisieren, aber die Sicherheit dort war bislang gewährleistet", so Lange.
GdP erwartet Wertschätzung von Reul
"Das war ein echtes Brett", sagt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens in seiner Bilanz. Die EM habe die Polizei in ihrer Gesamtheit gefordert. "Wir haben überall hochmotivierte Kräfte erlebt, die souverän die ihnen gestellten Aufgaben gemeistert haben."
In Richtung Landesregierung und Reul sagte Mertens: "Wir haben die klare Erwartung, dass keine Minute geleisteter Mehrarbeit verfällt." Warme Worte des Innenministers "reichen da sicher nicht aus".
Kritik an Bahn als einer der großen Verlierer der EM
Auch aus Sicht des Vereins "Unsere Kurve", die Interessengemeinschaft organisierter Fußballfans, ist die EM bislang gut verlaufen. "Es war schön zu erleben, welche positive Stimmung die Anhänger aus den verschiedenen Nationen in den Städten verbreitet haben und wie kreativ sie dabei waren", sagte der 1. Vorsitzende von "Unsere Kurve", Jost Peter, dem WDR. Zugleich machte er aber auch zwei große Kritikpunkte rund um die EM aus.
Dies sei zum einen die Organisation bei der Deutschen Bahn gewesen, die mit Verspätungen und Ausfällen von Zügen sowie fehlenden Anschlüssen für viel Chaos und Frust gesorgt habe. Dieser Kritik schloss sich Lange an. Das Bahnchaos habe zudem sämtliche Bemühungen konterkariert, dass die EM in Deutschland als klimafreundlich gelten könne. So hätten mehrere Nationalmannschaften auf Kurzstreckenflüge setzen müssen, um an ihr Ziel zu kommen. Dieses Bahnchaos müsse nach der EM aufgearbeitet werden, sagte Lange.
Auch das Fan-Tracking im Kreuzfeuer
Den zweiten großen Kritikpunkt sieht Jost Peter bei der UEFA wegen des Fan-Trackings. Konkret geht es um eine App der UEFA, die im Zusammenhang mit den digitalen Eintrittskarten angeboten wird und Standortdaten von Fans an die Polizei liefert. Dies sei unverhältnismäßig, so Peter. Der Dachverband der Fanhilfen fürchtet eine Ausweitung auf den Ligaalltag, die UEFA sagt: Niemand wird zum Teilen der Daten verpflichtet.
Ungeachtet dessen: Noch ist die Fußball-Europameisterschaft nicht vorbei. Allerdings geht das EM-Finale zwischen England und Spanien nicht in NRW, sondern in Berlin über die Bühne.
Unsere Quellen:
- NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gegenüber dem WDR
- Fanforscher Prof. Harald Lange gegenüber dem WDR
- Michael Mertens, Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), laut Mitteilung
- Jost Peter, 1. Vorsitzende von "Unsere Kurve"