EU-Wahl: Grüne verlieren massiv bei jungen Wählern
Aktuelle Stunde . 10.06.2024. 24:06 Min.. UT. Verfügbar bis 10.06.2026. WDR. Von Claudia Beucker.
Europawahl: Wie das Wahlverhalten der Jungwähler zu erklären ist
Stand: 10.06.2024, 19:44 Uhr
Das gab es bislang noch nie: Erstmals durften am Sonntag bei der Europawahl auch 16- und 17-Jährige wählen. Welche Erklärung der Politologe Prof. Stefan Marschall für das teils überraschende Wahlergebnis hat.
Von Sabine Meuter
Die Grünen verlieren Zuspruch, die AfD legt zu – das Wahlverhalten von Deutschlands Jungwählern sorgt für Aufsehen. Im Vergleich zur letzten Europawahl von 2019 verloren die Grünen bei der Altersgruppe der bis 24-Jährigen glatt 23 Prozentpunkte: Das Ergebnis purzelte von 34 auf 11 Prozent.
Deutlich punkten konnten indes bei den bis 24-Jährigen neben der Union auch die AfD. CDU/CSU kamen auf 17 Prozent, die AfD auf 16 Prozent. CDU und CSU verbuchten im Vergleich zur letzten Europawahl ein Plus von fünf Prozentpunkten, die AfD ein Plus von sogar elf Prozentpunkten bei den Wählern bis 24 Jahren.
Wie ist das Wahlverhalten der jungen Leute einzuordnen? Für den Düsseldorfer Politologen Prof. Stefan Marschall ist klar: "Generell ist bei Jungwählenden die Parteibindung noch nicht stark ausgeprägt, insofern sind sie offener für Impulse von außen", sagte er dem WDR. Der Erfolg der AfD in dieser Altersgruppe könne sich zum einen aus einer Verunsicherung und einem Protest gegen die Regierung speisen. Ein großer Teil der jungen Menschen sehe zudem das Thema Migration und Asyl als drängendstes Problem auf EU-Ebene. Diese Themenagenda mache offenbar die AfD für einen Teil der Jungwählenden attraktiv.
Verunsicherung hat Einfluss auf Wahlverhalten
Politologe Prof. Stefan Marschall
Auch die Pandemie hatte aus Sicht des Politilogen einen Einfluss auf den Wahlausgang. Sie habe bei Menschen das Gefühl der Verunsicherung hinterlassen - und dass sie und ihre Probleme während der Covid-19-Zeit von der Politik nicht hinreichend wahrgenommen wurden. Zur Verunsicherung trügen zudem die vielen Krisen und Probleme bei, die unsere Zeit prägen, etwa die Kriege, der Klimawandel, die Migration, die Inflation oder die schwächelnde Wirtschaft.
Hinzu komme bei der AfD dann noch eine ausgefeilte Social-Media-Strategie, in die schon seit geraumer Zeit viel Mühe und Ressourcen gesteckt werden. "Ohnehin gehen populistische Posts viel leichter viral, insofern hat die AfD hier einen Startvorteil“, sagt Marschall.
Verunsicherung und Unzufriedenheit mit der Regierung und dem Bundeskanzler spielten populistischen Parteien in die Hände.
Gender Gap beim Wahlverhalten
Mit Blick auf junge Wahlberechtigte hat die Forschung übrigens einen Gender Gap ausgemacht. So driften junge Frauen und Männer politisch immer weiter auseinander, das hat eine Studie des Kölner Soziologen Ansgar Hudde gezeigt. Demnach wählen Frauen tendenziell linker als Männer. Die AfD ist bei jungen Männern deutlich beliebter als bei Jungwählerinnen. Politologe Marschall führt diesen Gender Gap beim Wahlverhalten unter anderem auf die "zunehmende Emanzipation der Frauen und der unterschiedlichen Rolle und Bewertung des Themas Gleichstellung bei den Parteien" zurück.
Welche Konsequenzen aus der Europawahl zu ziehen sind
Die Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik kann aus Sicht von Marschall "nur durch bessere und besser kommunizierte politische Entscheidungen gedämpft werden". Für die politische Kultur im Land sei es wichtig, dass klare Linien zu Hass und Hetze gezogen werden. "Und dass man sich in der Auseinandersetzung zwischen demokratischen Parteien zivilisiert und konstruktiv verhält, um die politische Stimmung nicht noch weiter zu belasten", so Marschall.
Quellen:
- Prof. Stefan Marschall gegenüber dem WDR
- Wahlergebnisse infratest dimap
- Pressemitteilung der Uni Köln
Über dieses Thema haben wir im WDR am 10.06.2024 auch in der Aktuellen Stunde um 18:45 Uhr berichtet.