Im Nahen Osten droht der Konflikt sich weiter auszuweiten - für die Menschen in der Region und auch politisch. Wie ist die Lage nach dem iranischen Großangriff auf israelische Städte? Welche Parteien sind involviert? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie ist die Lage in Israel nach dem iranischen Raketenangriff?
Der Iran hat nach am Dienstagabend Raketen auf Israel abgefeuert. In ganz Israel, darunter auch Jerusalem, wurde Alarm ausgelöst. Die Luftstreitkräfte der Revolutionsgarden zielten nach eigener Darstellung auf wichtige militärische Ziele. Gleichzeitig drohten die Revolutionswächter mit weiteren, "vernichtenden und zerstörerischen Angriffen", sollte Israel auf den iranischen Schlag reagieren. Der Angriff sei eine Antwort auf die jüngste Tötung von Anführern der pro-iranischen Hisbollah und der Hamas.
Nach den iranischen Raketenangriffen auf Israel hat die israelische Armee am Dienstagabend vorläufig Entwarnung gegeben. "Im Moment" gehe keine Gefahr mehr vom Iran aus, erklärte die Armee. Die Menschen könnten die Schutzräume wieder verlassen.
Im Zentrum und anderen Orten Israels waren einige Geschosse eingeschlagen. Mindestens ein Mensch wurde getötet, zwei weitere wurden leicht verletzt. Viele Raketen hätten abgefangen werden können, hieß es. Israel verfügt über hochmoderne Verteidigungssysteme zur Abwehr von Raketen und Drohnen.
Israel kündigte Vergeltung an. "Wie wir der internationalen Gemeinschaft bereits zuvor klargemacht haben, muss jeder Feind, der Israel angreift, mit einer harten Reaktion rechnen", schrieb der israelische UN-Botschafter Danny Danon auf "X" (früher Twitter).
Was passiert gerade an der libanesisch-israelischen Grenze?
Israel war am Dienstag mit Bodentruppen in den Libanon einmarschiert. Das Militär erklärte, es handele sich um eine begrenzte Offensive gegen die Terrororganisation Hisbollah. Israel wird seit Wochen aus dem Libanon mit Raketen beschossen. Deshalb mussten Zehntausende Israelis, die im Grenzgebiet zum Libanon leben, ihre Häuser verlassen. Die israelische Luftwaffe und die Artillerie unterstützten jetzt die Bodentruppen mit Angriffen auf militärische Ziele. Die Operation werde parallel zu den Kämpfen im Gazastreifen gegen die Hamas und in anderen Gebieten fortgesetzt, hieß es.
Die israelische Armee rief die Bewohner von mehr als 20 Ortschaften im Libanon dazu auf, sich in Sicherheit zu bringen. Israels Armeesprecher Avichai Adraee schrieb auf der Plattform X: Es werde damit gerechnet, dass "jedes Haus, das die Hisbollah für ihre militärischen Zwecke nutzt, ins Visier genommen wird".
Israelische Angriffe gab es aber nicht nur im Süden des Libanon, sondern auch nahe der Hauptstadt Beirut. Israels Luftwaffe nahm nach eigener Aussage mehrere Waffenfabriken und wichtige Infrastruktur der Hisbollah ins Visier. Es seien Schritte unternommen worden, um möglichen Schaden an Zivilisten zu verringern. Welche genau, sagte die Armee nicht.
Hier gibt es mehr Informationen zur aktuellen Bodenoffensive des israelischen Militärs im Libanon:
Wie geht es den Menschen im Libanon?
Die Lage ist dramatisch. Der Libanon meldete Hunderte Tote und Verletzte. Die Angriffe verbreiten Panik und treiben Menschen in die Flucht. Nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Najib Mikati könnte die Zahl der Vertriebenen weit höher liegen als zuletzt von den UN angegeben: Geschätzt seien es bis zu eine Million Menschen, so Mikati bei einer Krisensitzung des Kabinetts.
In der libanesischen Hauptstadt Beirut sind Tausende Flüchtlinge, die sich in ihren Häusern im Süden von Beirut durch den israelischen Beschuss nicht mehr sicher fühlen.
Mehr Informationen gibt es hier:
Wer kämpft im Nahen Osten gerade gegen wen - und was bedeutet das für Israel?
Israel kämpft im Nahen Osten derzeit an mehrere Fronten - und kann aus allen Himmelsrichtungen angegriffen werden.
- Im Süden drohen die Huthi-Rebellen aus dem Jemen. Immer wieder feuert die Miliz Raketen Richtung Israel ab. Vor einigen Tagen hat das israelische Militär reagiert und Stellungen der Huthi im Jemen angegriffen. Die Huthi erklären, dass ihre Angriffe erst dann eingestellt werden, wenn Israel den Krieg gegen die Palästinenser beendet.
- Im Norden wird Israel von der Hisbollah-Miliz im Libanon beschossen. Sie wurde 1982 von der iranischen Revolutionsgarde gegründet. Sie verfügt über ein Arsenal von Zehntausenden Raketen und hoch qualifizierten Kämpfern, die jahrelang in Syrien gegen sunnitische Islamisten gekämpft haben. Vor allem die israelische Grenzregion ist immer wieder Ziel von Raketen aus dem Libanon.
- Im Westen wird Israel von der islamistischen Hamas im Gazastreifen bedroht. Der Angriff von Kämpfern der Miliz auf Israel vor einem Jahr löste massive Vergeltungsangriffe auf Gaza aus. Israel beabsichtigt, die Palästinenser-Organisation zu zerschlagen.
- Im Osten wartet der Iran auf seine Chance, dem Erzfeind Israel möglichst großen Schaden zuzufügen. Hamas und Hisbollah sind Teil der sogenannten Achse des Widerstandes, die vom Iran geführt wird. Ihr gehören auch die Huthi-Rebellen im Jemen sowie militante Gruppen im Irak und in Syrien an. Bereits im April 2024 hatte der Iran Israel mit mehr als 300 Kampfdrohnen und Raketen angegriffen. Am Dienstag folgte der zweite Großangriff mit Raketen.
Welche Rolle spielen die USA?
Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste und engste Verbündete Israels. Doch die Warnungen der US-Regierung vor einer israelischen Bodenoffensive im Libanon blieben bisher ohne Wirkung. "Wir sollten jetzt einen Waffenstillstand haben", sagte US-Präsident Joe Biden zuletzt am Montag und machte klar, dass er nichts von einem Einmarsch israelischer Truppen im Libanon hält.
Jedes Mal, wenn Washington eine Verhandlungslösung oder einen Waffenstillstand fordert, scheint der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu auf noch mehr militärische Gewalt zu setzen. Das könnte auch die US-Präsidentschaftswahl in wenigen Wochen beeinflussen. Insbesondere linke und muslimische Gruppen üben scharfe Kritik an der passiven Rolle der USA im Nahost-Konflikt. Am Dienstagabend wurden die USA dann doch aktiv: Biden befahl den US-Truppen in der Region, iranische Raketen vor dem israelischen Luftraum abzufangen.
Über dieses Thema berichtet der WDR am Dienstag auch im Fernsehen, um 18.45 Uhr in der "Aktuellen Stunde".
Unsere Quellen:
- Verlinkte Berichte von tagesschau.de zur Lage in Nahost
- WDR-Interview mit Politikberater Cornelius Adebahr
- Nachrichtenagentur dpa