Noch ist nicht ganz klar, wie die Kindergrundsicherung der Ampel-Koalition konkret aussehen soll. Fest steht aber: Sie soll bereits bestehende Angebote bündeln und digitalisieren und den Zugang zu Hilfen für Familien einfacher machen. Doch wie groß ist das Problem Kinderarmut in Deutschland? Und lässt sie sich mit der Kindergrundsicherung effektiv bekämpfen?
Wer ist armutsgefährdet?
In der Wissenschaft gibt es dafür mehrere Definitionen. Besonders gängig ist Folgende: Als armutsgefährdet gilt demnach ein Kind, wenn es in einem Haushalt lebt, in dem das Einkommen geringer ist als 60 Prozent des mittleren Einkommens aller Haushalte. In Deutschland gilt zum Beispiel eine Familie mit zwei kleinen Kindern, die unter 2.500 Euro zur Verfügung hat, als armutsgefährdet.
Gemeint ist damit die relative Armutsgefährdung. Dabei geht es ausschließlich um den Vergleich innerhalb einer Gesellschaft. Armutsgefährdung ist dabei der wissenschaftlich genutzte Begriff, er wird in der öffentlichen Debatte oft mit Armut gleichgesetzt. Für Kinder hat das Aufwachsen in relativer Armutsgefährdung aber auch in Deutschland weitreichende Folgen.
Wie groß ist die Armutsgefährdung in Zahlen?
Die Armutsgefährungsquote von Kindern stieg zuletzt wieder an. 2020 lag sie bundesweit noch bei 20,4 Prozent. Im Jahr 2022 stieg sie auf 21,6 Prozent. Das sind fast fünf Prozentpunkte mehr als die Armutsgefährdungsquote der Gesamtbevölkerung.
Im Vergleich der Bundesländer liegt die Quote der Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen in Bremen mit 40,5 Prozent am höchsten. Das kleine Zwei-Städte-Bundesland bildet allerdings eine Ausnahme. Am zweithöchsten ist die Armutsgefährdungsquote mit 27,0 Prozent in Nordrhein-Westfalen. Am kleinsten ist sie mit 14,3 Prozent in Bayern.
Wie wirkt sich Armutsgefährdung aus?
Studien zeigen: Kindern, die in Armut aufwachsen, fehlt es oft an einer durchgängigen gesunden Ernährung und einer ausreichenden Gesundheitsvorsorge. Armutsgefährdete Kinder sind oft nicht im Sportverein oder lernen ein Musikinstrument - und sie wohnen oft in deutlich kleineren Wohnungen. Das erschwert es, sich zum Lesen oder Lernen zurückzuziehen oder Freunde einzuladen.
Das alles führe nicht nur zu oft schlechteren Leistungen in der Schule, sagt Hanna Obert vom Arbeiter-Samariter-Bund NRW. Es präge ganze Biografien. "Es ist ja nicht nur dann die fehlende Nachhilfe, sondern auch das Gefühl der Scham, die Stigmatisierung, die mit Kinderarmut verknüpft ist, die sich nachhaltig auch auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirkt, auf das Selbstvertrauen."
Aus armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen würden dann armutsgefährdete Erwachsene, so der Arbeiter-Samariter-Bund.
Was sollte die Kindergrundsicherung leisten?
Bis zu 70 Prozent aller Familien, die einen Anspruch auf Leistungen haben, nehmen diesen derzeit nicht wahr, sagt Familienministerin Paus. Teilhabe- und Bildungspaket, Wohngeld, Kinderzuschlag, Mehrbedarfszuschläge - viele Anträge sind zu kompliziert, müssen von zu vielen verschiedenen Behörden beantragt werden. Dass die Kindergrundsicherung Angebote bündeln und vereinfachen soll, loben Experten daher.
Die Bertelsmann-Stiftung fordert in ihrem aktuellen Papier dazu noch Beratungs- und Unterstützungsangebote und vor allem: mehr Geld. Allein die Angebote zu bündeln und zu vereinfachen, reiche nicht. Es bräuchte eine armutsfeste Kindergrundsicherung, die sich an dem orientiert, was Kinder und Jugendliche brauchen, um heutzutage gut aufwachsen zu können.
In einem eigenen Modell kommt sie auf einen Finanzbedarf von 20 bis 37 Milliarden Euro pro Jahr, um Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen. Gut investiertes Geld, schreibt die Stiftung - und beruft sich auf Studien aus den USA. Demnach würden die Leistungen in der Schule besser, wenn Familien mehr Geld zur Verfügung hätten. Das sorge für mehr Fachkräfte. Von denen könne der Staat mehr Steuern einnehmen, während weniger Sozialleistungen gezahlt werden müssten.