Eine Currywurst mit Pommes serviert in einer Schale.

Schwarz-rote Fleischfresser, grüne Mützenstricker, gelbe Porschefahrer

Stand: 10.01.2025, 14:00 Uhr

"Du bist, was du isst" gilt offenbar auch politisch. Zur Kulinarik und den Inhalten der NRW-Parteitage vor der Bundestagswahl 25.

Von Selina MarxSelina Marx

Neben der Kaffeekanne steht eine Packung Hafermilch. Die Burger in der Messehalle sind nicht mit Hackfleisch-Patties, sondern mit Pilzen belegt. Willkommen auf dem Parteitag der Grünen! Willkommen in der Klischeekiste! Augenrollen inklusive.

Denn natürlich sind nicht alle Delegierten der Grünen Birkenstock-Ökos, die sich vegan ernähren und Mützen strickend auf ihren Plätzen sitzen. Aber es gibt sie eben tatsächlich. So wie es Porschefahrer in der FDP gibt und Arbeiterkinder in der SPD.

Wie viel Klischee verträgt also eine Partei? Und wann verkleben die ihr anhaftenden Zuschreibungen das Getriebe?

Parteien und ihre Themenhoheit

Dieser Drahtseil-Akt wird im Wahlkampf gerade sichtbar: Denn Klischees haben immer auch einen wahren Kern. Die Christdemokraten vertreten traditionelle christliche Werte, und die Grünen sind als Umwelt- und Friedenspartei gestartet. Trotzdem haben auch CDUler für die „Ehe für alle“ und den Atomausstieg gestimmt. Und die Grünen für Waffenlieferungen in die Ukraine.

Neue Bündnisse - wie die aktuelle Landesregierung bei uns in NRW - zeigen, dass alte Muster zunehmend neu ausgemalt werden. Schwarz-grün – ja, das geht auch zusammen. Eine klimaneutrale Industrie ist z. B. eine Vision, die so entstanden ist. Logisch, dass Journalisten von nah und fern von CDU-Ministerpräsident Wüst und seiner grünen Stellvertreterin Neubaur jetzt wissen wollen, ob das Modell auch Bundestagspotenzial hat.

Neue Wege gehen

Doch neue Konstellationen erfordern neue Kompromisse. Und die sorgen immer für Unzufriedenheit – sowohl an der Parteibasis als auch bei kritischen Wählerinnen und Wählern. Der Vorwurf an eine Partei, sich zu verbiegen, den eigenen Grundsätzen nicht mehr zu entsprechen, ist schneller da, als Josefine Paul „Abschiebung“ sagen kann.

Oder ärgert es die Wählenden am Ende schlicht, dass alte Partei-Klischees sich überholen? Denn wer korrigiert schon gerne seine Vorstellungen, seine Meinung?
Wie auch immer Sie das für sich entscheiden: Auffällig ist, dass aktuell auf den Bundes- und Listenparteitagen im Land die Parteien - zumindest kulinarisch - ihre Klischees bedienen. Eine Form der Selbstvergewisserung?

Die Playlist zur Bundestagswahl

18 Millionen. Der Podcast für Politik in NRW 17.01.2025 56:36 Min. Verfügbar bis 16.01.2030 WDR Online


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Klischees auf dem Tagesmenü

Bei den Sozialdemokraten gab‘s Currywurst und Erbseneintopf, bei der CDU Gulaschsuppe. Traditionelle Gerichte, die immer noch irgendwie zeitgemäß sind, aber eben auch nicht weiter auffallen. Die FDP überschätzte ihre Bedeutung und gab deutlich mehr Verzehrgutscheine aus, als Journalisten anwesend waren. Und das neu gegründete Bündnis Sarah Wagenknecht stolperte beim ersten Mal über die Kaffeemaschine, die den gesamten Parteitag lang kaputt war. Also alles wie immer vor dem 23. Februar?

Nicht ganz: Bei der SPD gab es auf dem Parteitag durchaus Beschwerden über mangelnde Veggie-Alternativen. Manchmal sind Delegierte eben weiter als ihre eigene Partei.

Dieser Text erscheint auch als Editorial in "18 Millionen - Der Newsletter für Politik in NRW". Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen - an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren:

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